Herr Brotz, nach der SRF-«Arena» vergangenen Freitag zum Thema Rassismus wurden Sie mit Kritik überhäuft. Wie nervenaufreibend waren die vergangenen Tage und Nächte?
Sandro Brotz: Es waren anstrengende Tage – aber die «Arena» ist auch sonst kein Ferienlager. Und Ja: Es waren auch schlaflose Nächte dabei.
Haben Sie mit einer solchen Kontroverse und so vielen Reaktionen gerechnet? Oder haben Sie die Thematik unterschätzt?
Ich habe nicht die Thematik, aber die Wirkung des Settings der Sendung unterschätzt. Das hat aber auch viel mit dem Titel zu tun.
Sie haben mit «Jetzt reden wir Schwarzen» geworben. In der Hauptrunde befand sich mit Komiker Kiko genau ein Schwarzer, der Rest sass in der zweiten Reihe.
Der Titel war missglückt und dafür übernehme ich die volle Verantwortung. Unsere Absicht war, nach dem brutalen Tod von George Floyd und den «Black Lives Matter»-Kundgebungen in der Schweiz über Rassismus hierzulande zu sprechen. Wir wollten ein Zeichen setzen und das ist uns nicht so gelungen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Das bedaure ich sehr.
Warum kam man nicht schon in der ersten Sendung auf die Idee, mehr schwarze als weisse Gäste einzuladen?
Auch wenn fünf schwarze Menschen an der Debatte teilnahmen, war die Wirkung so, dass sie teilweise hinter der Hauptrunde zu Wort kamen – da kann ich noch so lange mit ihnen reden, was ich auch getan habe, aber rein optisch kommt es beim Publikum anders an. Darum habe ich für die Hauptrunde der zweiten «Arena» zum Thema Rassismus auch ausschliesslich schwarze Menschen eingeladen.
Sehr viel der Kritik an der vergangenen Sendung war vor allem auf den sozialen Medien zu lesen. Dort haben Sie sich auch immer wieder geäussert und Stellung bezogen. Wäre es nicht einfacher gewesen, den Mediensprecher vorzulassen?
Nahbarkeit war mir in meiner Arbeit als Moderator schon immer wichtig. Journalismus heisst nicht nur, abzubilden und einzuordnen. Sondern auch zu erklären, warum wir das tun, was wir tun. Das gelingt sehr oft gut im direkten Austausch. Auch auf den sozialen Medien. Nur kann es dort auch schnell mal in unnötige Gehässigkeiten ausarten.
Wie viele davon waren unter der Gürtellinie?
Wir haben auf allen Kanälen sicher 2000 Rückmeldungen erhalten, ich allein mehrere Hundert. Damit muss ich als Moderator einer politischen Talksendung umgehen können – und kann es auch. Was mich aber nachhaltig beschäftigt, ist die zum Teil sehr gehässige Tonalität. Diese Tendenz stelle ich leider seit einiger Zeit fest, gerade auf den sozialen Medien. Ich persönlich kann das einstecken, aber mein Team hat das nicht verdient.
Morgen Freitag folgt nun der zweite Anlauf. Nun wollen Sie mit den Gästen an einem runden Tisch diskutieren. Wann fiel dieser Entscheid?
Für eine zweite Sendung entschieden habe ich mich am Sonntagmorgen. Da wurde mir klar, dass wir nochmals darüber reden müssen. Ich habe die Kritik sehr ernst genommen und wollte genau das, was gefordert wurde: Gemeinsam und nicht gegeneinander diskutieren. Das funktioniert meiner Meinung am besten an einem runden Tisch, wie das in der Politik oder Talksendungen auch gemacht wird. Der runde Tisch ist zudem keine neue Erfindung, sondern kam in der «Arena» zuletzt im September 2017 nach den gescheiterten Vorlagen zur AHV 2020 und der Unternehmenssteuerreform III sowie im November 2018 bei einer Diskussion über den Europarat zum Einsatz.
Heisst das, dass das übliche «Arena»-Sendeformat nicht funktioniert, wenn man über sensible Themen wie Rassismus sprechen will?
Das glaube ich nicht. Aber in der aktuellen Situation und mit Blick auf die Ereignisse in den USA ist das sensible Thema Rassismus enorm aufgeheizt. Natürlich haben wir letzte Woche Fehler gemacht. Aber das kann und darf uns nicht davon abhalten, sich diesem Thema anzunehmen. Dazu braucht es manchmal halt zwei Anläufe.
Rückblickend hätte Ihnen nichts Besseres passieren können. Die «Arena» war schon lange nicht mehr so stark in den Schlagzeilen. Wie viel Kalkül steckte hinter den Überlegungen der letzten «Arena»? Haben Sie den Shitstorm extra provoziert?
Das wäre nun wirklich Harakiri, einen Shitstorm extra provozieren zu wollen. Selbstverständlich nicht.
Alle Augen werden morgen auf Sie gerichtet sein: Sind Sie nervös?
Es wird keine Sendung wie jede andere sein. Das ist mir bewusst. Natürlich spüre ich den Druck, aber ich habe in der Vergangenheit ähnliche Situationen erlebt – wenn auch nicht in diesem Ausmass. Nach den Interviews mit Christoph Mörgeli oder Baschar al-Assad gab es ebenfalls heftige Reaktionen. Ich suche das beileibe nicht. Aber da muss und will ich jetzt durch – mit Selbstkritik und in der Hoffnung, aus der letzten Sendung gelernt zu haben. Dabei kann ich mich auch auf ein hervorragendes Team und ein gutes persönliches Umfeld verlassen.
Wie müsste die Diskussion verlaufen, damit Sie am Freitagabend zufrieden zu Bett gehen können?
Ich bin persönlich überzeugt davon, dass man konstruktiv über das wichtige Thema Rassismus reden kann. Nicht nur kann, sondern muss. Als Journalist beschäftigt mich dieses Thema seit vielen Jahren. Ich würde sogar soweit gehen und es als journalistische Herzensangelegenheit bezeichnen. Ich bin nach einer Sendung aber selten zufrieden und finde immer etwas, dass man besser hätte machen können, sollen oder müssen. Mein Wunsch wäre, dass wir am Ende der «Arena» im Studio zum Schluss kommen: «Ja, das war eine konstruktive Sendung.»
Welche Lehren ziehen Sie aus den vergangenen Tagen für die Zukunft und zukünftige Sendungen?
Manchmal muss man auch mal scheitern, um es besser machen zu können.