Herr Gull, Sie sehen müde aus. Wie geht es Ihnen?
Christoph Gull: Ich hatte eine kurze Nacht. Bis kurz vor Mitternacht war ich auf dem Polizeiposten und wurde über die Geschehnisse informiert. Danach ging ich nach Hause und lag lange wach. Nach so etwas kann man sich nicht einfach hinlegen und schlafen.
Können Sie schildern, wie sich Ihr gestriger Abend abgespielt hat?
Der erste Teil des Abends war gemütlich. Ich war zu Hause. Ich wohne oben in Flumserberg. Dass unten in Flums etwas los ist, habe ich erst 45 Minuten nach dem ersten Angriff auf das Paar mit Kinderwagen erfahren. Die zwei Helikopter, die im Einsatz waren habe ich bei mir oben nicht gehört. Über die sozialen Medien habe ich von Gerüchten gehört, dass es einen Angriff gab.
Wussten Sie sofort, wie ernst die Lage ist?
Es war schwierig, einen Überblick über die Lage zu bekommen. Der erste Reflex bei einer solch aussergewöhnlichen Gewalttat ist, dass man das gar nicht glauben will. Es dauerte eine Weile, bis ich das für mich einordnen konnte.
Nach einer Stunde konnte der Jugendliche verhaftet werden. Wie schätzen Sie die Arbeit der Polizei ein?
Der schnelle Erfolg der Polizei war entscheidend. Schon kurz nach 20 Uhr wurde gestern auf den sozialen Medien aufgerufen, dass sich die Bewohner von Flums verbarrikadieren sollten. Wenn ein Täter frei herumläuft, macht das Angst. Dass er so schnell handlungsunfähig gemacht werden konnte, hat eine Panik verhindert.
Kennen Sie den mutmasslichen Täter?
Die Polizei hat mir seinen Namen mitgeteilt. Aber ich kenne den Jugendlichen und seine Familie nicht.
Kennen Sie die Opfer?
Ja. Flums ist eine kleine Gemeinde. Jeder hier kennt irgendjemand, der bei der gestrigen Attacke involviert war.
Ich kenne das Ehepaar, das beim Postplatz eingriff und somit Schlimmeres verhindert hat. Der 72-Jährige ist ein ehemaliger Gemeinderat und im Dorf gut bekannt.
Die Polizei informierte, dass der 17-jährige mutmassliche Täter zwar nicht vorbestraft ist, aber in der Vergangenheit mehrfach wegen Gewaltfantasien auffiel. Wussten Sie davon?
Ja, ich wurde damals darüber in Kenntnis gesetzt. Das erste Mal war es eine Meldung der Schulpsychologin, das zweite Mal die Meldung des Berufsbildners. Ich wurde damals informiert, dass aufgrund dieser Meldungen ein Jugendlicher mit Auffälligkeiten überprüft werde. Der Name des Jungen wurde mir aber nicht genannt. Dass ich über solche Meldungen informiert werde, ist aber nichts Besonderes.
Warum?
Ich werde regelmässig über solche Meldungen informiert. Es liegt jedoch dann nicht an der Gemeinde zu intervenieren. Sondern dies ist Sache der Polizei und der Kriseninterventionsstelle.
Die Kriseninterventionsgruppe des Schulpsychologischen Dienstes klärte den Jugendlichen ab und kam zum Schluss: Von ihm geht keine Gefahr aus. Ein Fehler?
Das war ein tragischer, bedauernswerter Fehlentscheid.
Wie verarbeitet Flums den Schock?
Ich war heute Morgen im Dorf unterwegs. Es ist eine grosse Betroffenheit spürbar. Hier auf dem Land hatte man immer das Gefühl, die Welt sei noch in Ordnung. Dann passiert so etwas.
Wie wird die Attacke die Gemeinde verändern?
Ich bin überzeugt, dass der Schock schnell überwunden und nicht nachhaltige Spuren hinterlassen wird. Das Tatmotiv des Jugendlichen stand nicht im Zusammenhang mit unserem Dorf. Das hätte in jeder Gemeinde passieren können. Die Bevölkerung weiss das und kann das gut einordnen.