Keine Sekunde habe er daran gedacht, dass jene Aufseherin, die Dienstagnacht den Zellenschlüssel im Gefängnis Limmattal ZH drehte und mit einem Vergewaltiger floh, seine Stieftochter sein könnte. Als er gegen sechs Uhr abends im Internet das Bild von ihr entdeckte, «erschrak ich ins Bodenlose», schrieb Walter Minder gestern in einem Brief an die Redaktion der «Schweiz am Sonntag».
Wut, Angst und vor allem Sorge und Verzweiflung um Angela Magdici (32) kommen darin zum Ausdruck. «Es belastet uns, dass sie mit einem Triebtäter unterwegs ist, der jederzeit wieder ein Unheil anrichten kann», schreibt Minder und fragt sich: «Warum haben wir nicht gespürt, was in ihr gewachsen ist?», «Warum fiel am Arbeitsort niemandem auf, was sich anbahnte?», «Warum hat sie uns keine symbolische Brücke gebaut?»
Ende Januar war Angela Magdici letztmals zu Besuch bei ihren Eltern in Wohlen AG. Alles war wie immer. Danach hatte sie auch noch mehrmals Kontakt mit ihrer Mutter. Doch seit Dienstag reagiert sie weder auf Anrufe noch auf SMS. «Am Dienstagabend habe ich ihr geschrieben und an ihr Verantwortungsgefühl gegenüber ihrer Mutter appelliert», sagt Minder auf Nachfrage.
Bislang vergeblich. Wie die Kantonspolizei Zürich am Dienstag mitteilte, könnten sich der flüchtige Sexualstraftäter Hassan Kiko und seine Komplizin mit einem schwarzen BMW X1 mit dem Kennzeichen ZH 528 411 nach Italien abgesetzt haben. Ob es mittlerweile neue Erkenntnisse gibt, wollte die Polizei nicht sagen.
Magdicis Ehemann glaubt jedoch nicht, dass Italien das Ziel der Flucht ist. Gegenüber «20 Minuten» sagte er: «Ich glaube, sie sind unterwegs nach Syrien.» Seine Frau habe sich in den letzten Monaten sehr verändert. Sie habe begonnen, den Koran zu lesen und habe sich sehr für Syrien interessiert. «Ich denke auch, dass sie eine Muslimin geworden ist.»
Der Stiefvater ist skeptisch: «Ob seine Aussagen stimmen, wissen wir nicht.» Angela habe keinerlei Anspielungen in Richtung Koran oder Syrien gemacht. «Da ich keiner Religionsrichtung mehr angehöre, wären mir religiöser Eifer und Fanatismus aufgefallen», ist der Stiefvater überzeugt.
Seit Dezember hat Angela Magdici getrennt von ihrem Mann gelebt. Nur knapp zwei Jahre dauerte die Ehe. «Wir waren der festen Überzeugung, sie hätte aus der gescheiterten Beziehung mit ihrem Mann die richtigen Lehren gezogen», schreibt Minder. Doch es kam anders. Seine Tochter verhalf einem wegen Vergewaltigung verurteilten Gefangenen zur Flucht. Die Mutter und der Stiefvater von Angela Magdici sind fassungslos. «Was sie aus welchen Gründen und Motiven auch immer gemacht hat, ist für uns nicht nachvollziehbar und lässt uns unter der Last der offenen Fragen in tiefer Leere zurück.»
Schwierig ist für Stiefvater Minder auch, dass er über die Medien von der Fluchthilfe seiner Tochter erfuhr. «Das ist absolut unmenschlich, bürokratisch, unverantwortlich und für uns nicht nachvollziehbar.» Von der Staatsanwaltschaft war diesbezüglich zu erfahren: Die Sicherheitskräfte können im Falle eines Fahndungsaufrufes aus fahndungstechnischen Gründen im Voraus nicht informieren.