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Nach Betrugsfall Wermuth: Banken sollen mehr gegen Cyberbetrüger machen

Nach Abzocke mit Fake-Wermuth – Banken sollen bei Betrug nun mehr Verantwortung übernehmen

Mit falschen Identitäten ergaunern Cyberbetrüger jährlich hunderttausende Franken. Ein Nationalrat will nun, dass die Schweiz mehr Massnahmen dagegen ergreift.
27.08.2024, 10:21
Michael Graber / ch media
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Hohe Kosten, hohe Dunkelziffer: Betrügereien übers Internet sind für Betroffene schmerzhaft.Bild: Shutterstock

Oft wird der Politik vorgeworfen, sie reagiere zu langsam auf Probleme. Nun ging es plötzlich rassig: Kaum war der Fall Wermuth publik geworden, bei dem Cyberbetrüger sich als SP-Co-Präsidenten ausgaben, Frauen die grosse Liebe vorgaukelten und so Geld ergaunerten, befasste sich der Bundesrat umgehend mit «Spoofing». Damit ist gemeint, dass sich Verbrecher eine falsche Identität aneignen und so Opfer täuschen und ihnen Geld oder Wertsachen abknöpfen. Eben wie bei Cédric Wermuth.

Die Regierung befasste sich aber nicht wegen Wermuth mit dem Phänomen, sondern wegen Martin Candinas. Der Bündner Mitte-Nationalrat hatte im Juni eine Interpellation eingereicht: «Mir hat im Zug ein Betroffener von so einem Betrug erzählt. Drum habe ich nachgehakt.» Konkret ging es Candinas vor allem darum, ob der Bund genügend mache, um Opfer zu schützen und Täter besser zu verfolgen.

Cedric Wermuth, Co-Praesident SP, spricht waehrend einer Medienkonferenz eines ueberparteilichen Gremiums zum Thema "Nein zur Verrechnungssteuer-Vorlage", am Donnerstag, 25. August 2022 in B ...
Mit gefälschten Profilen von SP-Co-Präsident wurden Frauen im Internet Geld abgeknöpft.Bild: keystone

Schweiz koordiniert vor allem international

Die Antworten aus dem Bundesratszimmer lassen den ehemaligen Nationalratspräsidenten teilweise etwas ratlos zurück. Mehrfach betont die Regierung, dass sie sich vor allem international für eine bessere Koordination einsetzt, da es sich um ein weltweites Problem handle. «Das macht sicher Sinn», sagt Candinas. Etwas zurückhaltender ist die Regierung dagegen bei Massnahmen im Inland. Candinas hat da vor allem die Telekommunikationsanbieter und die Finanzdienstleister im Blick.

Ein guter Hebel gegen diese Cyberkriminalität sieht der Nationalrat bei den Banken und Zahlungsabwicklern. Wird einmal eine Überweisung an die vermeintliche Person getätigt, ist das Geld meist weg. «Sollten Finanzdienstleister künftig Zahlungen rückabwickeln müssen oder allenfalls zu Kompensationszahlungen an die Opfer verpflichtet werden?», fragte Candinas. Der Bundesrat sagt: Nein.

Martin Candinas (Die Mitte) nach der Wahl in den Nationalrat, am Sonntag, 22. Oktober 2023 in Chur. Die Schweizer Buergerinnen und Buerger waehlen das Bundesparlament mit den beiden Kammern Nationalra ...
«Nicht nur das Minimum machen»: Mitte-Nationalrat Martin Candinas will gegen Spoofing vorgehen.Bild: keystone

Vor allem die Begründung irritiert Candinas. Der Bundesrat schreibt: «Finanzdienstleister sind nicht die Auslöser für die aus Spoofing entstandenen Schäden. Darum wäre eine solche Verpflichtung nicht sinnvoll», schreibt der Bundesrat. Candinas sagt: «Das ist eher lapidar.»

Über die Kompensationszahlungen könne man sicherlich streiten, gibt er zu, aber gegen gesteigerte Verpflichtungen für Banken spreche doch eigentlich kaum etwas: «Auch die mögliche Nachverfolgung von Geldflüssen wäre schon sehr wichtig, um die Betrüger aufzuspüren.» Und auch Rückzahlungen – sofern das Geld noch auf dem Konto ist – seien doch verhältnismässig und für die Geschädigten das wirkungsvollste Mittel wieder an ihr Geld zu kommen.

Weniger Werkzeuge in die Hand geben

Ähnlich ablehnend ist der Bundesrat bei zusätzlichen Massnahmen für die Telekommunikationsanbieter. Hier schwebte Candinas eine grössere Verpflichtung vor, um gefälschte Identitäten bei E-Mails und Telefonanrufen zu bekämpfen. Schon heute, so heisst es in der Antwort, seien die Unternehmer «so weit in die Pflicht genommen, wie es zurzeit sinnvoll ist.» Candinas kann auch hier nicht zustimmen: «Es geht doch nicht darum, was sinnvoll ist, sondern mehr, was verhältnismässig ist.»

Und hier sieht er noch mehr Spielraum. Je weniger Werkzeuge die Täter haben, um eine möglichst gut getarnte falsche Identität anzunehmen, desto kleiner seien die Chancen, dass Menschen ihnen in die Falle tappen.

Mit der Antwort ist die Sache für Candinas nicht erledigt, wie er sagt. Er werde nun das Gespräch mit Fachleuten und Expertinnen der Polizei suchen und dann schauen, welche weiteren Schritte sinnvoll sind. «Die Schweiz tut gut daran, nicht einfach das Minimum an möglichen Massnahmen zu machen», ist er überzeugt.

Hohe Dunkelziffer – aus Scham

Wie hoch der Schaden ist, der jährlich durch Spoofing entsteht – dazu gehören neben dem Romance Scam auch andere Varianten wie etwa der Enkeltrickbetrug – kann der Bund nicht beziffern. Die Schadenssummen in den einzelnen Fällen würden «extrem» variieren und eine genaue Rechnung verunmöglichen. «Zudem ist von einer Dunkelziffer auszugehen, da sich nicht alle Geschädigten an die Polizei wenden», schreibt der Bundesrat.

Auch Candinas geht davon aus, dass längst nicht alle Fälle zur Anzeige gebracht werden, «da sich viele gutgläubige Menschen dafür schämen und die Tat den Behörden nicht melden.» Auch darum brauche es nun wirksame Massnahmen, um die Bevölkerung besser zu schützen, dass solche Fälle gar nicht erst passieren. (aargauerzeitung.ch)

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85 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Boston5
27.08.2024 11:18registriert Juli 2015
Kompensationszahlungen? Diese landen dann gleich auch noch bei den Betrügern. Viele dieser Kunden werden von den Banken darauf hingewiesen, dass es Betrug ist. Hören wollen sie es nicht, und sie überweisen trotzdem.
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So en Ueli
27.08.2024 11:29registriert Januar 2014
Hier wird am falschen Ort angesetzt. Jede Person, welche mündig ist, ist selber verantwortlich für seine Überweisungen. Hier müsste man an der Prävention und Schulung ansetzen. Man muss die Leute sensibilisieren und ihnen z.B. beibringen, dass man nicht jedem dahergelaufenen Globi trauen kann. Vor allem dann nicht, wenn man ihn nicht kennt.
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Rikki-Tiki-Tavi
27.08.2024 11:33registriert April 2020
Machen wir doch die Strassenbauer für die Raserdelikte mitverantwortlich, das entspricht dann der gleichen Logik.
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