Schweiz
Justiz

Zürich: Terrorist kündigte seine Bluttat gegen Juden im Internet an

Messerangriff auf Juden: Der Zürcher Terrorist kündigte seine Bluttat im Internet an

Der IS-Attentäter von Zürich betrieb eine Vielzahl arabischer Kanäle in den sozialen Medien. Auf einem von ihnen kündigte er seine Tat bereits einen Tag vor dem Anschlag an.
06.03.2024, 20:4107.03.2024, 16:25
Kurt Pelda / ch media
Mehr «Schweiz»

Der 15-jährige Attentäter aus dem Zürcher Glattal hatte mindestens einen Helfer, zumindest im Internet. Und dort kündigte er seine Tat schon am vergangenen Freitag an, also rund 24 Stunden, bevor er im Zürcher Kreis 2 einen orthodoxen Juden auf offener Strasse niederstach.

der Attentäter von Zürich
Der Attentäter von Zürich.Bild: pd

Anis T. (Name geändert) fertigte eine Aufnahme seiner Bluttat an und übertrug diese womöglich in Echtzeit auf eines seiner Instagram-Konten. Jedenfalls hat jemand diese Aufnahme nachträglich geschnitten und in zwei kurze Stücke aufgeteilt. Diese wurden mit arabischen Kommentaren versehen, die eindeutig die terroristische Absicht belegen: Es ging dem Täter und seinen Hintermännern darum, Angst und Schrecken im Namen des Islamischen Staats (IS) zu verbreiten.

Schweizer als Kreuzritter und Feinde

In der einen Aufnahme sind Schreie des Opfers zu hören und immer wieder Anis T., wie er «chumm da» sagt, wahrscheinlich während er auf den 50-jährigen Juden einsticht. Der dazu veröffentlichte arabische Kommentar lässt den Terroristen hochleben: Er bezeichnet Anis T. als Bruder und spricht von einem «Moment des Genusses» für den Täter, während die entsetzten Hilferufe des Verwundeten zu hören sind.

Und dann wird im Kommentar damit gedroht, dass es keine Sicherheit geben werde, weder für das Opfer noch für die Kreuzritter. Damit meint der IS die mehrheitlich christlichen Länder, allen voran die USA, Grossbritannien und Frankreich.

Für Anis T. gehört aber auch die Schweiz dazu. In seinem Bekennervideo, das er vor der Tat aufgezeichnet hat, behauptet er, dass die Schweiz nicht neutral, sondern ein Mitglied in der Koalition der Kreuzritter sei. Er fragt den Bundesrat, warum die Schweiz im Krieg gegen den IS mitmache. «Nun zahlt ihr den Preis für eure Taten.»

Danach nennt er seinen eigenen Vater, einen eingebürgerten tunesischstämmigen Muslim, einen «vom Glauben Abgefallenen». Der Vater und die Onkel des Teenagers würden in der Hölle schmoren, wenn sie nicht auf den rechten Weg zurückkehrten. In der zweiten kurzen Aufnahme ist zu hören, wie Anis T. noch am Tatort dem Kalifen des IS die Treue schwört. Dann ruft er: «Der Islamische Staat wird bleiben.»

Der Anschlag fand am Samstagabend statt. Schon am Freitag hatte der Teenager seine Tat angekündigt. Dabei benutzte er ein Profil auf Instagram, bei dem es vordergründig um Brot ging. Ein anderes Konto nannte er «die Bäckerei».

Spätestens seit einem Urteil des Bundesstrafgerichts in Bellinzona von 2016 kann man hierzulande aber wissen, was der IS unter «Bäckereien» und «Brot backen» versteht: Das Bundesstrafgericht schrieb dazu klipp und klar, dass mit «Bäckerei» das Zielobjekt einer terroristische Aktion gemeint sei und mit «Brot backen» die Aktion selbst.

«Jüdisches Brot»

Auf einem Instagram-Profil mit mehr als 1000 Abonnenten veröffentlichte Anis T. ein Foto von gebackenen Brötchen mit dem arabischen Untertitel «Demnächst verfügbar, so Gott will». Darunter schrieb er als Kommentar, dass er am folgenden Tag mit Gottes Hilfe Aufnahmen veröffentlichen werde.

Das klingt harmlos, doch die Abonnenten von Anis T. scheinen die Codewörter erkannt zu haben. Einer, dessen Profil wie das eines IS-Sympathisanten wirkt, versteht sofort, um was es geht. Er erwähnt die Direktübertragung einer Märtyreroperation. Ein anderer fragt: «Wer will backen?»

Und ein Dritter will wissen, ob Anis T. noch Arbeitskräfte brauche, im Klartext also Helfer für seinen Terroranschlag. In einem weiteren Kommentar geht es darum, dass nun eine Bäckerei eröffnet werde. Und nach dem Attentat erwähnt ein anderer IS-Anhänger den Begriff «jüdisches Brot».

In den sozialen Medien kommunizierte Anis T. fast ausschliesslich auf Arabisch. Mit einem Profil brachte er es auf mehr als 1000 Abonnenten, eine beachtliche Zahl für einen Teenager, zumal es sich bei der grossen Mehrheit um Konten mit radikal-islamistischem Einschlag oder gar offenem IS-Bezug handelt. Zu Profilen aus der Schweiz gibt es wenig Verbindungen. Da sind vor allem mutmassliche Kollegen des Teenagers aus dem Glattal und aus seiner Schule.

Ein anderes Konto, dem Anis T. folgt, ist dagegen höchst auffällig, denn der Terrorist abonnierte nur ein einziges Profil einer schweizerischen Moschee: Es ist ein Gotteshaus im Mittelland, das sich mehr als 50 Kilometer vom Wohnort des Teenagers entfernt befindet. Dort predigt ein Schweizer Imam, der auch schon in der Moschee von Embrach bei Winterthur auftrat.

Hat Anis T. eines dieser Gotteshäuser besucht? Das ist eine Frage, welche die Ermittler beantworten sollten. Der betreffende Prediger gilt zwar als islamistisch, er ist aber bestimmt kein Anhänger des IS.

Wo war der Nachrichtendienst?

Das Instagram-Profil mit den 1000 Abonnenten hätte die Aufmerksamkeit des Nachrichtendiensts des Bundes (NDB) auf sich ziehen müssen. Es ist jenes Konto, auf dem Anis T. seine verklausulierte Ankündigung veröffentlichte. Instagram schreibt dazu öffentlich einsehbar, dass sich der Inhaber in der Schweiz befinde. Eigentlich gehört es zur Präventionsaufgabe des «Jihad Monitoring» beim NDB, genau solche Kanäle zu beobachten.

Dass sich unter den Abonnenten mehrere Teenager aus dem Kanton Zürich befinden, sogar aus dem Wohnort von Anis T., hätte die Suche nach dem Inhaber erleichtern können. Ausserdem ist auf dem Profil des 15-Jährigen ein Video mit einer Fotomontage von einer Endzeitschlacht zwischen dem IS und den Kreuzrittern zu sehen. Dabei sind alle Krieger mit Fahnen identifizierbar. Unter den Landesflaggen befindet sich auch das rote Banner mit dem Schweizerkreuz. Was ist da schief gelaufen?

Eine Version dieses Bilds ist auch auf dem Instagram-Konto von Anis T. zu sehen.
Eine Version dieses Bilds ist auch auf dem Instagram-Konto von Anis T. zu sehen.bild: x

Nun, der NDB befindet sich schon seit Monaten in einer tiefgreifenden Umbauphase, die viele Mitarbeitende frustriert und zu erhöhten Abgängen geführt hat. Es geht unter anderem um interne Reformen . Der Dienst ist stark mit sich selbst beschäftigt, wenn nicht sogar paralysiert.

Das könnte erklären, warum die Veröffentlichungen von Anis T. keine Alarmglocken auslösten. Die Verantwortlichen des NDB und ihre oberste Chefin, Bundesrätin Viola Amherd, könnten sich schon bald mit unangenehmen Fragen konfrontiert sehen. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
30 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Haarspalter
06.03.2024 21:53registriert Oktober 2020
Der Täter kann mir gestohlen bleiben - er verdient unsere Aufmerksamkeit nicht. Mache die Justiz mit ihm, was zu tun ist.

Ich wünsche vor allem dem Opfer gute Besserung und viel Kraft, dieses entsetzliche Trauma zu verarbeiten.
694
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sw!ss
06.03.2024 20:43registriert April 2022
Ausschaffen jetzt. Wer nicht nach den Regeln der Gesellschaft leben möchte hat in dieser keinen Platz.
7421
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schlaf
06.03.2024 23:06registriert Oktober 2019
Ich hoffe beim NDB arbeiten ein paar Arabisch sprechende Fahnder.

Die sollten bitte das Gotteshaus besuchen und jeder seiner Abonnenten der in der CH hockt, mal gründlich abchecken.
270
Melden
Zum Kommentar
30
    Der 1. Mai war an vielen Orten der wärmste Tag des Jahres – doch heute wird's noch wärmer

    Donnerstag, der 1. Mai hat vielen Orten der Schweiz die höchsten Temperaturen dieses Jahres gebracht. Am wärmsten war es zudem an einem der nördlichsten Punkte des Landes, in Basel-Binningen. Dort zeigte das Thermometer sommerliche 27,7 Grad.

    Zur Story