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Betroffene kritisieren St.Galler Medienmitteilung zu illegalen Sri-Lanka-Adoptionen

Die niederländische Reportage dokumentierte den Adoptionsskandal in Sri Lanka.
Die niederländische Reportage dokumentierte den Adoptionsskandal in Sri Lanka. bild: screenshot/youtube

Betroffene kritisieren St.Galler Medienmitteilung zu illegalen Sri-Lanka-Adoptionen

29.01.2019, 17:5325.10.2019, 11:22
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Über 700 Kinder aus Sri Lanka sollen in den 1980er-Jahren zum Teil illegal in die Schweiz adoptiert worden sein, in vielen Fällen über die Vermittlerin Alice Honegger aus Bollingen SG. Ein Bericht des Kantons St.Gallen dokumentiert das Geschehene.

Schon in den 1980er-Jahren kamen Zweifel an der Korrektheit der Verfahren auf. Kritische Hinweise seien damals von den zuständigen kantonalen Stellen untersucht worden, hätten aber nie zu dauerhaften Konsequenzen für Alice Honegger geführt, schreibt der Kanton St.Gallen. Den Aufsichtsbehörden könne «im damaligen rechtlichen und gesellschaftlichen Kontext kein rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden».

Die Geschichte einer Adoptierten

Der Verein «Back to the Roots», der Adoptierten aus Sri Lanka bei der Suche nach ihren leiblichen Eltern unterstützt, kritisiert die Medienmitteilung des Kantons St. Galler, die zusammen mit dem Bericht veröffentlicht wurde. «Dass der Kanton St. Gallen die damaligen Ereignisse als administrative Unzulänglichkeiten darstellt und daraus folgert, dass den Behörden kein rechtswidriges Vorgehen vorgeworfen werden kann, ist für mich unverständlich», so die Sprecherin Sarah Ineichen.

Der Kanton St.Gallen scheint auch 30 Jahre später noch nicht gewillt, aus der Vergangenheit zu lernen, heisst es in der Medienmitteilung des Vereins. «Uns Adoptierten geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, dass vergangenes Unrecht anerkannt wird und dass der Kanton St. Gallen seine Verantwortung wahrnimmt gegenüber uns und unseren Familien», betont Ineichen.

Der Hintergrund

Die Fürsorgerin Alice Honegger (1915-1997) hatte ab 1948 während fast 50 Jahren in Bollingen, das heute zur Stadt Rapperswil-Jona gehört, mit behördlicher Bewilligung ausländische Adoptivkinder an Schweizer Eltern vermittelt. Dabei soll es auch viele illegale Adoptionen gegeben haben.

Dass es zu fingierten Übergaben von Kindern an Adoptiveltern tatsächlich kam, bestätigte im Mai 2018 in der Sendung «Rundschau» des Schweizer Fernsehens SRF eine Frau aus Sri-Lanka, die als Kind durch Alice Honegger in die Schweiz vermittelt worden war. Die Betroffene berichtete in der Sendung über ihren Fall.

Säuglinge gestohlen

So sollen Säuglinge aus Spitälern und Heimen gestohlen worden sein. Mütter wurden genötigt, ihr Neugeborenes wegzugeben. In manchen Fällen wurde Mädchen und Frauen Geld versprochen, wenn sie schwanger werden, ein Kind gebären und es zur Verfügung stellen würden. Agenten und Vermittlerinnen hätten die kleinen Kinder in «Baby-Farmen» zur Adoption angeboten, heisst es im Bericht.

Auch sollen Frauen angeheuert worden sein, die sich im sri-lankischen Adoptionsverfahren vor Gericht unter Angabe einer falschen Identität als leibliche Mutter ausgaben. Solche «Acting mothers» sollen Kinder den zukünftigen Eltern übergeben und den Adoptionen zugestimmt haben.

Nicht rechtswidrig

Gemäss dem Bericht hatte Alice Honeggers Tätigkeit wiederholt Anlass zu Beanstandungen gegeben. So fehlten Unterlagen für Bewilligungen, oder es wurde Honegger eine undurchsichtige Geschäftsführung vorgeworfen. Dem standen «Berichte von glücklichen Adoptiveltern gegenüber, welche die Arbeit Honeggers lobten», heisst es.

Als anfangs der 1980-er Jahre Missstände um illegale Sri-Lanka-Adoptionen publik wurden, setzten die Behörden die Bewilligung von Alice Honegger aus. Nachdem Interpol sie in einem Bericht entlastete und sie ihre Adoptionsvermittlung in einen Verein überführte, erhielt Honegger die Bewilligung wieder. (ohe/sda)

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