Der Weltklimarat IPCC hat am Montag neue, grundlegende wissenschaftliche Bewertungen des Klimawandels veröffentlicht. Der erste Teil des neuen IPCC-Sachstandsberichts zeigt eindeutig, dass die globale Erwärmung schneller voranschreitet als befürchtet – und dass der Mensch diese Entwicklung massgeblich zu verantworten hat. Allerdings gibt der IPCC keine Ratschläge oder Handlungsanweisungen, sondern dokumentiert lediglich den wissenschaftlichen Stand der Dinge. Ein Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse:
Jedes einzelne der vier vergangenen Jahrzehnte war wärmer als das vorangehende. Verantwortlich dafür ist die von der Menschheit in die Atmosphäre eingebrachte Menge von Treibhausgasen, besonders CO2. Dagegen gibt es keine natürlichen Einflüsse, die zu dieser Erwärmung beigetragen haben könnten. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist derzeit höher als je zuvor in den letzten zwei Millionen Jahren.
Die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde ist seit den 70er-Jahren schneller angestiegen als jemals zuvor in den vergangenen 2000 Jahren. Und sie wird weiter zunehmen: Der Anstieg beträgt in allen von den Experten durchgespielten fünf Szenarien bereits um das Jahr 2030 rund 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Das ist ein ganzes Jahrzehnt früher als bislang angenommen.
Bis Mitte des Jahrhunderts wird die im Klimaabkommen von Paris formulierte 1,5-Grad-Grenze demnach überall überschritten werden.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es in weiter Ferne: Im optimistischsten IPCC-Szenario sinkt die Durchschnittstemperatur nach einem Anstieg über 1,5 Grad bis 2100 wieder auf 1,4 Grad über vorindustriellem Niveau. Dafür dürften allerdings nur noch 500 Milliarden Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen. Dieses Limit wäre bei derzeitigem Ausstoss schon in 13 Jahren erreicht.
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— Piers Forster (@piersforster) August 9, 2021
Katastrophen sind laut IPCC direkt auf die Klimaerwärmung zurückzuführen. Die erhöhten Wahrscheinlichkeiten bestimmter extremer Wetterereignisse können demnach mittlerweile deutlich präziser berechnet werden. Wissenschaftler stellten beispielsweise fest, dass die Rekordhitze an Nordamerikas Westküste im Juni ohne den Einfluss des Klimawandels «praktisch unmöglich» gewesen wäre.
Die Pegel der Weltmeere sind seit 1900 um etwa 20 Zentimeter angestiegen und allein im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Geschwindigkeit des Anstiegs nahezu verdreifacht. Von 2006 bis 2018 betrug der Anstieg jährlich 3,7 Millimeter; das ist schneller als je zuvor in den vergangenen 3000 Jahren. Massgeblich verantwortlich dafür ist – neben der wärmebedingten Ausdehnung des Wassers – nicht mehr das Abschmelzen der Gletscher, sondern es sind die schwindenden Eisschilde der Pole und das abschmelzende Gletschereis im Hochgebirge.
Wenn der globale Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzt wird, wird der Anstieg des Meeresspiegels im Laufe dieses Jahrhunderts einen halben Meter betragen und bis 2300 sogar fast zwei Meter. Im ungünstigsten Szenario wird der Anstieg um zwei Meter sogar bereits um das Jahr 2100 erreicht.
Der Meeresspiegelanstieg ist grundsätzlich unaufhaltsam, wie ein Blick in die weit entfernte Vergangenheit zeigt: Als die Erdatmosphäre das letzte Mal so warm war wie heute, vor etwa 125'000 Jahren, lag der Meeresspiegel fünf bis zehn Meter höher. Aber auf einen langsameren Anstieg kann in Küstennähe besser reagiert werden.
Die Atlantische Umwälzzirkulation, auf die auch der Golfstrom zurückzuführen ist, schwächt sich ab und dieser Trend wird sich «sehr wahrscheinlich» im Laufe des 21. Jahrhunderts fortsetzen. Die Wissenschaftler schliessen nicht aus, dass die Meeresströmungen, die den globalen Wärmetransfer von den Tropen in die nördliche Hemisphäre regeln, gänzlich zum Erliegen kommen. Dadurch würden die Winter in Europa bedeutend kälter werden.
Seit etwa 1960 haben Wälder, Böden und Ozeane 56 Prozent der stark gestiegenen, vom Menschen verursachten CO2-Emissionen absorbiert. Aber die natürlichen CO2-Senken kommen den IPCC-Experten zufolge an ihre Grenzen. Der von ihnen aufgenommene Anteil der ausgestossenen Treibhausgase wird im Laufe des Jahrhunderts voraussichtlich spürbar abnehmen.
Methan ist nach CO2 das zweitwichtigste Treibhausgas. Der Mensch setzt zum einen beim Abbau fossiler Brennstoffe in der Erde gespeichertes Methan frei. Zweite grosse Quelle ist die Viehhaltung. Die Experten warnen, dass bei anhaltend hohem Methanausstoss die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens nicht erreichbar sind.
Einige Gebiete erwärmen sich schneller als andere. In der Arktis zum Beispiel wird die Durchschnittstemperatur an den kältesten Tagen voraussichtlich dreimal so schnell ansteigen wie die globale Erwärmung. Auch die Meeresspiegel steigen überall, an manchen Küsten wird dies den IPCC-Experten zufolge aber deutlich stärker zu spüren sein als an anderen.
Generell erwarten die Autoren einen Trend zu mehr Extremen bei Niederschlag und Dürre, wobei jedoch die Vorhersage für einzelne Regionen schwierig sei. Der Monsunregen dürfte sich beispielsweise verstärken, vornehmlich in Süd- und Südostasien, in Ost- und Westafrika und in der westlichen Sahelzone.
Verstärkt mit Wetterextremen muss laut Sonia Seneviratne von der ETH Zürich, einer der Leitautorinnen des Berichts, auch die Region Westzentral-Europa rechnen – und damit die Schweiz. Demnach haben diese Extreme – Hitzewellen, Starkniederschläge sowie Trockenheiten – in dieser Region bereits zugenommen und werden sich mit zunehmender globaler Erwärmung weiterhin intensivieren. Kältephasen hingegen werden milder und seltener. Gletscher werden sich deutlich zurückziehen.
Der IPCC warnt vor «unwahrscheinlichen, aber folgenschweren» Veränderungen im Klimasystem, sogenannten Kipppunkten: Das komplette Abschmelzen eines ganzen Eisschildes könnte den Meeresspiegel dutzende Meter steigen lassen. Sibirische Permafrostböden könnten Milliarden Tonnen Treibhausgas freigeben. Der Amazonas-Regenwald könnte zur Savanne werden.
«Abrupte Reaktionen und Kipppunkte des Klimasystems (...) können nicht ausgeschlossen werden», heisst es in dem Bericht. Die Folgen wären weitgehend unabsehbar, aber definitiv katastrophal. (dhr/sda/afp)
Alle die nach der Politik schreien, die Stimmbürger haben genau das in der Hand.