Schweiz
Klima

Starkregen, Hitzewellen: So wollen Politiker die Wetterextreme bekämpfen

«Es wird für alle gefährlich» – So wollen Politiker die Wetterextreme im Land bekämpfen

Das Unwetter der letzten Tage hatte für viele Ortschaften in der Schweiz drastische Folgen. Mit der Klimaerwärmung nehmen solche Wetterextreme zu. Doch Politiker sind sich nicht ganz einig, wie sie das Problem angehen sollen.
27.06.2024, 05:0027.06.2024, 08:12
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Es war der sonnenärmste Frühling seit über 10 Jahren in der Schweiz. Gleichzeitig war es vielerorts auch der regenreichste Frühling. Im Tessin hat es in den letzten Monaten etwa so viel geregnet wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Der Starkregen der letzten Tage hat einige Regionen in der Schweiz besonders hart getroffen: In Zermatt im Kanton Wallis kam es zu Überschwemmungen und das Dorf war zeitweise von der Aussenwelt abgeschnitten. Im Bündner Misox-Tal hat der Starkregen eine Geröll- und Schlammlawine ausgelöst.

Und die Extreme geht weiter: Denn laut Meteorologen folgt auf einen nassen Frühling oft ein trockener Sommer, wie in den Jahren 2006 oder 2013. Doch stehen solche Extremwettererscheinungen auch in Zusammenhang mit der Klimaerwärmung?

«Klimaerwärmung stabilisieren»

«Der menschengemachte Klimawandel führt zu häufigeren und intensiveren Starkniederschlägen. Wir können kein einzelnes Ereignis in einem direkten kausalen Sinn dem Klimawandel zuordnen, weil es extreme Niederschläge und Trockenheit früher ohne Klimawandel auch schon gab. Aber mit dem Klimawandel nimmt die Häufigkeit von solchen Ereignissen generell zu», sagt Reto Knutti, Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich.

Reto Knutti
«Wir müssen das Netto-Nullziel erreichen»: Reto Knutti. Bild: zvg/Manuel Rickenbacher

So würden starke Hagelereignisse, Hitzewellen, Trockenheit und die Gefahr für Feuer in den nächsten Jahren zunehmen. Kalte Phasen würden in Europa jedoch abnehmen. Doch die wärmere Luft hat auch Folgen, sagt Knutti: «Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen und transportieren, sofern genug Wasser verfügbar ist. Mit über 2,5 °C Erwärmung in der Schweiz gibt das in der gleichen Wetterlage heute schon 15 bis 20 Prozent mehr Wasser. Das kann der Unterschied sein, ob ein Fluss über die Ufer tritt oder nicht.»

Die effektivste Lösung, um diesen Extremwettererscheinungen entgegenzuwirken, sei, die Klimaerwärmung zu stabilisieren. «Wir müssen das Netto-Nullziel erreichen, leider ist die Schweiz da noch zögerlich unterwegs. Aber wir müssen auch Risiken minimieren und uns an die neue Realität anpassen», sagt Knutti. So nehme das Risiko etwa bei Starkregen auch ab durch bessere Wetterprognosen, Warnungen, Hochwasserschutz, Rückhaltebecken oder Seepegelsteuerungen. «Klima ist ein wesentlicher, aber nicht der einzige Faktor, der die Auswirkungen bestimmt. Und jeder Franken investiert in Hochwasserschutz spart mehr als einen Franken bei den Auswirkungen», sagt der Klimaforscher. Der Fokus müsse aber definitiv darauf liegen, den Klimawandel zu begrenzen. «Wir haben die Wahl zwischen einer Welt knapp über 1,5 Grad Celsius, oder 2 oder 3, oder noch mehr.»

SVP vs. SP

Auf einen Mix zwischen «Klimakrise bekämpfen» und Schutzmassnahmen würde auch Nicola Siegrist setzen, abtretender Juso-Präsident und Zürcher Kantonsrat. «Wir spüren die Auswirkungen der Klimakrise immer mehr in der Schweiz. Bisher waren die Folgen für viele höchstens mühsam, und nur für wenige gefährlich, wie etwa in Zermatt oder im Misox. Aber immer mehr wird es für alle richtig gefährlich», sagt Siegrist. Deshalb müsse die Aufgabe, die Klimakrise zu bewältigen, bei allen oberste Priorität haben.

Nicola Siegrist, Praesident JUSO, spricht bei der Jahresversammlung der JUSO, am Samstag, 17. Februar 2024 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Klimakrise bekämpfen und Schutzmassnahmen: Nicola Siegrist. Bild: keystone

Gleichzeitig müsse man die Infrastruktur den neuen Wetterextremen anpassen. Gerade bei Starkregen denkt Siegrist daran, Flüsse und Bäche so zu gestalten, dass sie solche Ereignisse besser auffangen können, etwa durch Renaturierungen. Aber auch das Stichwort Schwammstadt werde wichtiger. «Eine Schwammstadt bedeutet, dass man möglichst viel Regenwasser abspeichert, anstatt es lediglich zu kanalisieren und abzuleiten, wodurch es zu Überschwemmungen führen würde», sagt Siegrist. Um grosse Schäden durch Wetterextreme zu verhindern, sei es auch essenziell, das Krisenmanagement auszubauen, damit alle Staatsebenen schnell zusammenarbeiten können und die Bevölkerung zeitnah informiert werde.

Siegrist und die Juso möchten auch diejenigen zur Verantwortung ziehen, welche die Klimakrise befeuern. «Unsere Erbschaftssteuer, die vererbte Vermögen ab 50 Millionen Franken zu 50 Prozent besteuern möchte, setzt genau da an. Denn oftmals tragen Unternehmen und ihre Besitzer unverhältnismässig zur Klimakrise bei. Diese würden durch unsere Initiative besteuert und das Geld würden wir zur Bekämpfung der Klimakrise verwenden.»

Gar kein Fan von dieser Idee ist die SVP. «Zu denken, dass wenn Reiche mehr Steuern bezahlen für das Klima, es keine Unwetter mehr im Wallis gibt, ist genau so ein Wunschdenken, wie dass ein Regentanz tatsächlich Regen bringt», sagt der Walliser SVP-Nationalrat Michael Graber. Der Fokus auf das Klima sei seiner Meinung nach falsch, um die Wetterextreme anzugehen. «Die Schweiz ist für ein Promille des weltweiten Co2-Ausstosses verantwortlich. Wenn wir dann auf null sind, weiss niemand, was das ändert. Es weiss auch niemand, wie viele Unwetter es dann weniger gibt», sagt Graber.

Michael Graber, SVP-VS, verfolgt die Debatte waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 21. Dezember 2023 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Fordert den Bau von Staumauern ohne Einsprache von Umweltverbänden: Michael Graber. Bild: keystone

Der SVP-Nationalrat findet, dass wir uns an die Extremwettersituationen anpassen müssen. Es benötige mehr Hochwasserschutz, mehr Staumauern, eine angepasste Infrastruktur und auch mehr Erdrutschmassnahmen. «Die Verhinderungspolitik der Umweltverbände ist verantwortlich dafür, dass in Zermatt die Wassermassen ungenutzt ins Tal donnerten – weil sie jeden Plan zu Staumauern im Wallis bekämpfen», sagt er. Dabei liege die Lösung auf der Hand: Man müsste mehr Staumauern bauen, um das Wasser zu speichern und in saubere Energie umzuwandeln, anstatt bei Starkregen zu viel Wasser ins Tal fliessen zu lassen, was zu Überschwemmungen führe. (kma)

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247 Kommentare
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Turicensis
27.06.2024 06:08registriert Januar 2021
Zusammengefasst. Erster Abschnitt: Aussagen eines Wissenschaftlers, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt. Zweiter Abschnitt: Laie, der keine Ahnung vom Thema hat, aber unsere Politik als Nationalrat mitgestaltet.
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Gina3
27.06.2024 05:59registriert September 2023
„ Die Verhinderungspolitik der Umweltverbände ist verantwortlich dafür, dass in Zermatt die Wassermassen ungenutzt ins Tal donnerten – weil sie jeden Plan zu Staumauern im Wallis bekämpfen», sagt der Experte Graber-
Genau. Ein Mäuerchen hätte die Katastrophe in Zermatt und im Misox verhindert.
Das einzige was korrekt ist bei seinen Aussagen: „man weiß es nicht“
Wir brauchen dringend die Renaturierung von Flüssen, Schwammstädte, Liebe und Respekt für die Natur... und Bescheidenheit, meine Herren von der svp
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Frank Kraschinsky-Rickenbacker
27.06.2024 06:00registriert Mai 2024
Als Konsument gab es in den letzten 25 Jahren keine Einschränkungen, im Gegenteil, Fliegen, Benzin oder Fleisch wurden günstiger, gerechnet gegenüber der Entwertung des CHF. Flughafen wurde ausgebaut, sowie auch Autobahnen. 95% der Bevölkerung dürfte mehr konsumieren als vor 30 Jahren. Mit der Berechnung des CO2 kann man gut tricksen, u.a. ist Flugverkehr nicht eingerechnet oder die verarbeitende Industrie wird ins Ausland ausgelagert, usw. Wirtschaftswachstum geht einher mit CO2 Konzentration in der Atmosphäre, es gibt kein Decoupling! Die Leute fallen massenweise auf Greenwashing rein.
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