Eigentlich wäre der 1. August einer der schönste Tage im Jahr für Riccarda Darnuzer. Die ausgebildete Pyrotechnikerin aus Unterengstringen im Kanton Zürich brennt für Feuerwerk. Am liebsten sieht sie die farbigen Glitzer am Himmel in Kombination mit Musik. Der Moment, wenn die Funken genau im Takt einer Ballade sprühen, ist für sie der schönste.
Eigentlich sind Feuerwerke nach wie vor beliebt. Silvester- oder Seenachtsfeuerwerke ziehen Tausende Besucher an. Und der Verbrauch schwankt jährlich zwischen 1200 und 2300 Tonnen zwar relativ stark, ein tendenzieller Rückgang ist aus der Statistik aber nicht herauszulesen. Im letzten Jahr wurden in der Schweiz rund 1500 Tonnen Feuerwerk abgebrannt.
Eigentlich hätten die Feuerwerksfreunde, deren Vizepräsidentin Darnuzer ist, sechs Mal einen Auftritt gehabt am 1. August-Wochenende. Doch fünf davon wurden wieder abgesagt. Wälder und Wiesen seien so trocken, dass sie sich bei einem Feuerwerk zu entzünden drohen, sagen die Behörden.
Landauf, landab wurden 1.-August-Feuerwerke abgesagt. Kantone wie der Aargau haben ein absolutes Feuerverbot erlassen, Zürich und andere überlassen es den Gemeinden, ob sie Feuerwerk ganz verbieten wollen. Feuerwerke in oder in der Nähe des Waldes ist praktisch überall verboten.
Der Flickenteppich an Verboten führt zu skurrilen Situationen. Das Schützenhaus, wo Riccarda Darnuzer gerade dabei ist, einen Feuerwerksverkaufsstand einzurichten, liegt an der Grenze von drei Gemeinden. In Schlieren und Dietikon sind Feuerwerke verboten. In Unterengstringen und im daran angrenzen Weiningen sind Raketen, Vulkan und Böller mit Abstand zum Wald erlaubt. Auch in der nahe gelegenen Stadt Zürich, darf auf festem Untergrund Feuerwerk gezündet werden. Die Feuerwerksfreunde, welche den Stand ab Samstag betreiben, wollen ihre Kunden auf die Verbote hinweisen. Sie warten aber noch mit dem Ausdrucken der Tabelle. Vielleicht kommt ja noch ein weiteres Verbot hinzu. Darnuzer sagt:
Und sie verweist auf die Möglichkeit, dass ausgebildete Pyrotechniker trotz eines allgemeinem Verbots ein Feuerwerk unter Auflagen und mit einem Schutzkonzept abbrennen dürften. Nur selten machten Gemeinden aber von der Ausnahmeregelung gebrauch.
Im Gespräch mit Personen aus der Feuerwerksbranche fällt der diplomatische Ton auf. Nicht nur Darnuzer, sondern auch Hanspeter Krieg, der ihn Bern den Feuerwerksladen «Knallfred» betreib oder Alain Stucki, der in Wil in dritter Generation mit Feuerwerk handelt, distanzieren sich von vorzeitigem oder illegalen Geböllere oder betonen, immer darauf hinzuweisen, dass die Überreste von Feuerwerk korrekt entsorgt werden sollten.
Für das Verbot von Feuerwerk im Wald und in Waldesnähe bringen alle befragten grosses Verständnis auf. Geht es um das allgemeine Verbot, werden die Voten deutlicher. «Es kann doch nicht sein, dass man in einigen Kantonen zwar im Garten ein Feuer, aber kein bengalisches Zündhölzli oder eine Tischbombe zünden kann», sagt Stucki aus Wil. Ihn stören die rigorosen Verbote. Er erinnert an den Sommer 2018, als es das letzte Mal grossflächige Verbote wegen Trockenheit hab. Damals seien die Wiesen braun gewesen, heute seien sie noch grün. Er überlegt sich nun gegen das Verbot in der Stadt Wil, wo sein Betrieb beheimatet ist, rechtlich vorzugehen. Der Kanton St. Gallen erlaubt Feuerwerke fern vom Wald, die Gemeinden dürfen aber strenger sein.
Auch der Berner Knallfred-Besitzer Krieg ist nicht einverstanden, mit den allgemeinen Verboten. Er hat den Laden im Jahr 2018 übernommen. Corona hat seinem Geschäft zu schaffen gemacht. Mit dem 1. August erlischt nun ein weiterer Hoffnungsschimmer. Er vermutet, dass nicht nur die Trockenheit, sondern auch der Zeitgeist eine Rolle spielt bei den Verboten. Feuerwerk kommt zunehmenden von Umwelt- und Tierschützern unter Druck.
Meteorologisch gibt es gute Argumente für ein Verbot. Gemäss Wetterdaten, welche Meteo Schweiz auf Anfrage zusammengetragen hat, ist die Situation im historischen Vergleich extrem. Er dürfte im Flachland auf der Alpennordseite der viertwärmste Juli seit Messbeginn werden. Und nur in sieben Jahren fiel weniger Regen im Juli als dieses Jahr. Auch die Vormonate waren sehr trocken. Zudem können Brände schon ausbrechen, bevor die Trockenheit augenfällig ist.
Doch es stimmt, dass auch in feuchteren und kälteren Jahren das Feuerwerken unter Druck ist. Das grösste Volksfest der Schweiz, das «Züri Fäscht», dürfte künftig ohne Feuerwerk stattfinden. Die tonangebenden grünen und sozialdemokratischen Parteien wollen, dass es 2024 zum letzten Mal knallt und funkelt über dem Seebecken. «Der Lärm verschreckt Mensch und Tier, es wird Feinstaub produziert und Seewasser verschmutzt», begründete der grüne Lokalpolitiker Balz Bürgisser das Ansinnen gegenüber der «NZZ». Auch dass die Stiftung My Climate vorrechnete, Feuerwerk mache nur 0.2 Prozent der Emissionen des Volksfestes aus, stimmt die Grünen nicht um. Es gehe auch um die Signalwirkung.
Die Stadt Bern verbannte im letzten Sommer das Feuerwerk definitiv aus den Gassen der Altstadt. Damit Bern lebenswert bleibe, müsse die historische Altstadt vor Feuerwerk geschützt werden, heisst es. Migros verzichtet dieses Jahr ganz auf den Verkauf von Feuerwerk, Coop in gewissen Regionen.
Die grösste Gefahr droht der Tradition Feuerwerk aber von Roman Huber und seinen Mitstreitern, welche für die Volksinitiative «für eine Einschränkung von Feuerwerk» Unterschriften sammeln. Die «Einschränkung» hat es in sich. Alles, was knallt, soll verboten werden. Allerdings könnten Kantone Anlässen von überregionaler Bedeutung eine Ausnahmebewilligung erteilen. Feuerwerk von Gemeinden wären also noch möglich.
Die Initiative wirkt schon, bevor sie zustande gekommen ist. Riccarda Darnuzer von den Feuerwerksfreunden sagt, seit der Lancierung der Initiative sei die Stimmung vergiftet. «Früher konnte man auch mit Hündelern noch normal über Feuerwerk diskutieren, nun verhärten sich die Positionen», bedauert sie. Die Feuerwerkkritik sei im Mainstream angekommen und viele Politiker würden sich diesem Mainstream beugen. Sie seien weniger bereit, Feuerwerk zu ermöglichen.
Darnuzer verkauft nun noch bis am Montagnachmittag Feuerwerk in Unterengstringen. Dann wird sie mit ihren Feuerwerksfreunden einen sicheren Platz suchen in einer Gemeinde, die Feuerwerk erlaubt. Dort werden sie ein paar Raketen abschiessen. Nicht wie sonst mit digitalem Zünder, Software und Musikbegleitung, sondern mit Zündholz und Zündschnur. Es könnte trotz allem ein schöner Tag werden. (aargauerzeitung.ch)