Die Schweizer Medien werden kein Sommerloch haben dieses Jahr. Dieses wird vom Metathema der Stunde gefüllt: problematische Flugreisen.
Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Es ist Ferienzeit und die Schweiz fliegt viel – laut der Organisation «umverkehR» doppelt so viel wie ihre Nachbarländer. Also ist es ein objektiv relevantes Thema, über das berichtet werden muss.
Was allerdings stört, ist die Färbung der Berichterstattung. Denn als problematisch an den Flugreisen erscheinen bloss die logistischen Angelegenheiten der Airlines und der Passagiere. Der Umweltaspekt hingegen gar nicht mehr. Im Gegensatz zu vor zwei Jahren, als die Auswirkungen auf das Klima noch eher im Zentrum der Berichterstattung standen und nicht selten regelrechtes Flugreisen-Bashing betrieben wurde.
Die früher angeprangerten Fluggäste sind nun Objekte des Mitleids. Allein am letzten Samstag waren zu Ferienbeginn mehrere Reporterteams am Flughafen Zürich, um dort abgekämpfte Reisende zu interviewen, die von ihren Strapazen am Check-in erzählen – watson inklusive. Darauf folgten Serviceartikel, mit Titeln wie «Diese Flughäfen beliebter Ferienorte haben keine Probleme» oder «An welchen Tagen wirds an den Flughäfen besonders voll?».
Die Blick-Kollegen Reto Scherrer und Sven Ziegler reisten in einem Akt der Selbstaufopferung selbst zwei Tage mit dem Flugzeug durch Europa und berichteten in einem Liveticker über den erlebten «Horror». Vielen Dank an dieser Stelle für den Einsatz.
Aber: Weder das Flugreisen-Bashing aus der Präpandemie-Ära noch die gegenwärtige medial-ritualisierte Opferstilisierung des Flugpassagiers sind journalistisch sinnvoll. Man kann die derzeitigen Probleme der Luftfahrtindustrie und deren schädliche Auswirkungen auf das Klima durchaus gleichzeitig thematisieren.
Ich würde es mir wünschen.
Denn nebst dem Sommerloch existiert immer noch eines in der Ozonschicht. Und wie bereits erwähnt: Die Schweiz fliegt doppelt so oft wie ihre Nachbarländer – das ist zehnmal mehr als der Weltdurchschnitt.