Fast zwei Jahre. So lange ist das All-Time-High von Bitcoin her, dem Zugtier unter den Kryptowährungen. Im November 2021 war der Kurs auf über 69’000 Dollar, nun dümpelt er um die 22’000 Dollar-Grenze herum.
So geht es vielen Kryptowährungen. Ein Grossteil von ihnen befindet sich mehr als 90 Prozent unter dem All-Time-High. Wann oder ob es wieder nach oben geht, weiss niemand.
Doch der Rekord-Herbst 2021 hat der Krypto-Szene zu einem Aufschwung verholfen. Unzählige Start-ups wurden seither gegründet. Viele sind wieder verschwunden. Auch an der Schweiz ging diese Entwicklung nicht spurlos vorbei. Doch wie steht es aktuell um den Krypto-Finanzplatz im Land?
Seit sich 2013 die ersten Krypto-Firmen in Zug gründeten, sind es zehn Jahre später schweizweit bereits 1135 Unternehmen mit 5766 Mitarbeitern. Zusammen verkörpern sie das Crypto Valley – unter diesem Namen ist die regulierungsfreundliche Schweiz in der internationalen Szene bekannt.
In den letzten zehn Jahren blickten oft alle Augen in der Krypto-Welt ins Crypto Valley. Einerseits, weil sich mit Ethereum, der Cardano Foundation und der Solana Foundation die grössten Krypto-Unternehmen hier niedergelassen haben. Andererseits, weil die Schweizer Behörden so schnell mit Bewilligungen vorangeschritten sind wie fast kein anderes Land. 2019 etwa haben die weltweit ersten Kryptobanken, SEBA und Sygnum, von der Finanzmarktaufsicht (Finma) eine Banklizenz erhalten.
Am Donnerstag feierte nun die Swiss Blockchain Federation, eine Vereinigung, die sich für den Krypto-Standort Schweiz einsetzt, in Zug das zehnjährige Bestehen des Crypto Valleys. Inklusive Medienkonferenz und wichtigen Akteuren des Krypto-Space.
Von den über 1000 Krypto-Firmen in der Schweiz hat mehr als die Hälfte ihren Sitz im Kanton Zug. Als «sehr wichtige Figur in dieser Szene» wird deshalb der erste Redner vorgestellt: der Zuger SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler, der auch als Präsident der Swiss Blockchain Federation amtet.
Bevor Tännler über die Zukunft des Crypto Valleys spricht, nimmt er die Anwesenden auf eine Reise in die Vergangenheit mit – ins Jahr 2015. Er liest von einem Blatt Papier ab: «Als ich zum ersten Mal von Bitcoin und Blockchain hörte, kam ich mir wie ein Alien vor. Das war mir alles zu kryptisch.» Dieser Unklarheit sei aber mittlerweile Enthusiasmus gewichen, so bezeichnet sich der SVP-Politiker als jemand, der sich gerne für «Blockchain-freundliche Rahmenbedingungen einsetze». Privat investiert in Kryptowährungen oder Blockchain-Firmen sei er aber nicht. «Nicht mehr.»
Er sei stolz, dass die Schweiz mit dem Crypto Valley die Chance einer Pionierrolle übernommen habe. Doch diesen «positiven Geist» würden nicht mehr alle teilen.
«In Bundesbern ist der Geist erlahmt und auch die Finanzmarktaufsicht wirkt zögerlich, gar ängstlich, wenn es um Weiterentwicklungen geht», ärgert sich Tännler. Es müsse auf Behördenseite wieder mehr passieren – wie im Kanton Zug –, sagt der Regierungsrat und verweist auf das im Juni angekündigte Blockchain-Institut an der Universität Luzern, das «seinesgleichen sucht».
Das Projekt unterstreicht den Glauben der Zuger Regierung an die Zukunft des Blockchain-Standorts Schweiz. So soll das Institut weltweit ein «wissenschaftlicher Leuchtturm» werden, wie Bernhard Rütsche, der stellvertretende Rektor der Universität, am Anlass verkündet.
Geplant seien neun Professuren, die das Ziel hätten, das Potenzial von Blockchain für die Gesellschaft zu erforschen. Rütsche erwähnt die Möglichkeit, Blockchain-Technologie künftig für elektronische Abstimmungen einzusetzen und damit «E-Voting zum Durchbruch» zu verhelfen. «Das könnte die ganze politische Landschaft verändern», sagt er.
Der Kanton Zug finanziert das Ganze mit knapp 40 Millionen Franken. Noch müsse das Projekt aber vom Kantonsrat abgesegnet werden. Doch hat das Institut für die Schweiz auch einen Nutzen, der über Prestige hinausgeht? «Das Institut kann in Zukunft helfen, Mitarbeiter zu finden, die man nicht vollkommen neu ausbilden muss», sagt Philipp Vonmoss. Er ist einer von drei geladenen Branchengrössen, welche aufzeigen sollen, dass im Crypto Valley noch viel entwickelt wird.
Vonmoss ist CFO der Solana Foundation mit Sitz in Zug und über 100 Mitarbeitern. Die Stiftung hat das Ziel, das Solana-Netzwerk zu unterstützen. Und Solana gehört zu den ganz Grossen im Krypto-Space. Die eigene Kryptowährung, SOL, erreichte im Herbst 2021 eine Marktkapitalisierung von rund 38 Milliarden Dollar. Aktuell liegt sie bei über 7 Milliarden Dollar.
Der CFO betont, weshalb sie weiterhin auf den Standort Schweiz und damit das Crypto Valley setzen: wegen der politischen Stabilität und dem Ausbau der Forschung.
Vonmoss glaubt an die Zukunft der Blockchain-Technologie, obwohl auch Solana 92 Prozent unter dem Allzeithoch liegt. «Viele Entwickler bauen ihre Geschäftsmodelle auf unserer Blockchain, das nimmt stetig zu», sagt er. Es herrsche kein Stillstand in der Branche – auch nicht bei Solana. Erst diese Woche hat Solana eine Zusammenarbeit mit dem Kartenanbieter Visa verkündet. Ein Erfolg für die Kryptofirma: Die Zahlungsfunktion des Stablecoins USDC wurde auf die Solana Blockchain ausgeweitet.
«Man hört oft, dass nicht viel passiert im Blockchain-Bereich», nimmt auch der nächste Redner, Frederik Gregaard, CEO der Cardano Foundation, das Thema auf. Er nehme das jedoch anders wahr. «Die Menschen nutzen unsere Blockchain, das Transaktionsvolumen geht nach oben und die Wallets nehmen zu», sagt Gregaard. Es werde «noch sehr viel passieren in Zukunft».
Die dritte Branchenleaderin ist Sarojiini McKenna, Mitgründerin von Dacoco, einem Zuger Start-up, welches das Metaverse-Game «Alien World» entwickelte. Es gilt als das beliebteste blockchainbasierte Spiel und hat über zwei Millionen User. Diese können sieben Planeten im Metaverse erkunden und durch den Kampf gegen andere Spieler echtes Geld verdienen, in Form der eigenen Kryptowährung namens Trilium (TLM).
TLM ist seit der Gründung um über 90 Prozent abgesackt. Dennoch macht sich McKenna keine Sorgen über die Zukunft. Sie ist überzeugt vom Nutzen ihrer Applikation, also vom Spiel Alien World. «Die Community wird stets grösser und sie ist sehr aktiv», sagt die Krypto-Gründerin nach dem Anlass.
Sie fokussiere sich zurzeit vor allem auf andere Themen, die aus dem Gaming im Metaversum hervorgehen – etwa die Sicherheit der Spieler. Dies sei ein Thema, in dem noch viel geforscht werden müsse – auch im Crypto Valley.
McKenna arbeitet als Expertin für KI und Dezentralisierung mit Interpol zusammen. Sie ist überzeugt: «Wenn die gesamte KI in der Hand von Privatunternehmen liegt, ist das nicht das beste Ergebnis für die Menschheit.»
«Spätestens jetzt fühle ich mich wie ein Alien, wenn ich von dieser Kombination aus Blockchain und Gaming höre», sagt der letzte Redner, Mathias Ruch, Gründer und CEO der Risikokapitalfirma CV VC.
Alien Worlds sei ein perfektes Beispiel, wie sich Online-Games ins Metaversum verschieben würden. «Hier sprechen wir von Milliarden an potenziellen Nutzern», sagt er. Darauf fokussiere sich seine Firma: Sie würden in Start-ups mit einem «echten Nutzen» investieren. Bereits 59 Firmen wurden so mitfinanziert – viele in der Schweiz.
Doch es brauche noch einen Moment, bis sie die «Investoren belohnen können». «Wichtig ist, dass man die hervorragenden 1 bis 2 Prozent der Firmen – die Unicorns – nicht verpasst», sagt Ruch.
Die Kryptowährungen und Projekte, die nur darauf abzielen, ohne Nutzen viel Geld zu machen, würden langfristig nicht überleben. Auch nicht im Crypto Valley. «Der spekulative Teil im Krypto-Business wird wegfallen. Aber Projekte, die einen Mehrwert bieten, sind die Zukunft der Branche.»
Die OECD-Millionen des Kantons Zug werden werden dann wohl ähnlich belastbare "Forschung" verlangen.
Die Währungen sind oft ein reines Spekulations-Vehikel mit hohem Risiko, was man an deren hoher Volatilität sieht. Für eine Währung braucht es nicht unbedingt eine Blockchain.
Ein Blockchain ist eine Konzept für eine dezentrale, eher fälschungssichere und mehr nachvollziehbare Datenspeicherung. Eine Währung wie Bitcoin ist eine von unzähligen zukünftigen Anwendungs-Möglichkeiten der Blockchain.
Schön ist die CH hier bei der Forschung und bei den Startups (noch) proaktiv dabei!