Ein Hauch von Extravaganz lag von Anfang an in der Luft. Wer nach St. Moritz fährt, bekommt das als Willkommensgeschenk gratis dazu. Der Luxus dominiert das 5233 Einwohner grosse Engadiner Dorf seit Generationen.
Es heisst, «alle Wege führen nach Rom», aber in St. Moritz führen alle Wege zu Fünf-Sterne-Hotels oder zu Luxusgeschäften. Gerade deshalb zieht der Nobelort jedes Jahr Superreiche aus aller Welt wie magnetisch an.
Dafür sorgen Events wie das White Turf, das jährliche Poloturnier auf dem gefrorenen St. Moritzersee. Seit 1907 trifft sich die Elite des Old Money am traditionellen Pferderennen. Seit 2018 lockt nun ein Anlass die sogenannten Neureichen nach St. Moritz: Die Crypto Finance Conference (CfC), welche vom vergangenen Mittwoch bis Freitag im Bündner Luxusferienort stattfand.
Extravagant war auch der Veranstaltungsort, das Fünf-Sterne-Hotel Suvretta House. Dort traf sich die Krypto-Elite, bestehend aus 250 handverlesenen Gästen. Vor allem «Ultra-High-Net-Worth Individuals» ab einem Vermögen von 30 Millionen Franken seien gern gesehene Gäste, so die CfC-Veranstalter.
Schliesslich mussten sich die Teilnehmenden die Konferenz leisten können: Zwischen 4800 und 7800 Franken bezahlten sie für ein Ticket – ohne Hotelübernachtung. Diese kostete im Suvretta House je nach Buchungszeit zusätzlich pro Nacht zwischen 500 und 1100 Franken für ein Doppelbettzimmer.
Für den gehobenen Preis gab es ein volles Programm: Während drei Tagen wurden die CfC-Gäste neben diversen Vorträgen auch mit kulinarischen Anlässen der Spitzenklasse versorgt, Privatpartys und exklusiven Ausflügen.
Das Ganze musste so verlockend gewesen sein, dass sogar der 17 Milliarden Dollar schwere Binance-Gründer Changpeng Zhao extra für eine Woche Snowboardferien nach St. Moritz gereist ist. Zhao war gleichzeitig der Star des Events, der die Konferenz am Mittwoch zusammen mit Geschäftsführer Nicolo Stöhr eröffnete.
Bis zum letzten Sitz war der Saal gefüllt – so gut wie nachher nie mehr –, als der Binance-Gründer von seinen Anfängen in der Krypto-Szene erzählte. Wie er all-in gegangen sei, als er 2013 sein Job kündete und sein Haus verkaufte, um in Bitcoin einzusteigen und später die zweitgrösste Krypto-Börse der Welt zu gründen.
Für Zhao hat es sich gelohnt. Er hat das erreicht, was zahlreiche CfC-Teilnehmer sich erträumen. Viele von ihnen sind reich, doch alle wollen mit Krypto «to the moon». Die Redewendung ist im Space gängig, um den extremen Anstieg einer Kryptowährung zu beschreiben. Doch wer ist diese Krypto-Elite, welche für eine Konferenz so viel Geld ausgibt, und was erhofft sie sich vom Anlass?
Einer von ihnen ist Markus Lehner. Der Unternehmer fällt an der CfC dadurch auf, dass er ständig telefoniert. «Man wird nicht ohne Arbeit reich», sagt er zum Journalisten. Lehner hat 1990 die erste Gesellschaft der Firmengruppe Lehner Investments gegründet, welche an der Frankfurter Börse notiert ist. Auf das Auflegen und Managen von Hedgefonds hat sich der Wiener von Anfang an konzentriert. «Die Fonds haben ein Volumen von insgesamt 2,2 Milliarden Euro erreicht», sagt Lehner zu watson.
Nun werde aber seine Fondspalette auf die Zukunft ausgerichtet, weshalb er sich seit drei Jahren intensiv mit digitalen Assets wie Kryptos beschäftige.
Aus diesem Grund sei er nach St. Moritz gekommen. Um von Koryphäen im Krypto-Space zu hören, ob er mit der künftigen Ausrichtung seiner Firma auf dem richtigen Weg sei. «Ich habe von allen Speakern gehört, dass wir dafür die perfekte Ausrichtung haben, und fühle mich sehr bestätigt», so der in Monaco lebende Unternehmer.
Keine Bestätigung, sondern ein neues Business sucht ein Schweizer Teilnehmer, der anonym bleiben möchte. Er sei Besitzer eines Family-Office, welches das private Grossvermögen seiner Familie verwalte. Für ihn lohne sich die Reise nach St. Moritz. «Ich habe bereits drei Firmen mitbegründet aufgrund von Begegnungen an den vergangenen Krypto-Konferenzen», sagt er zu watson. Die CfC-Teilnahme habe ihn definitiv etwas reicher gemacht.
Ein bekannter CfC-Besucher ist Fabian Hediger. Laut der «Bilanz» soll er ein geschätztes Vermögen von 20 bis 50 Millionen Franken besitzen. Hediger ist Mitbegründer der Zuger Krypto-Börse Bitcoin Suisse, wo «mehr als 10’000 vermögende Kunden über fünf Milliarden Franken in Kryptowährungen halten», wie auf der Website steht.
Doch ist er als Leiter der Innovationsabteilung nach St. Moritz gereist oder als Privatinvestor? «Ich bin vor allem wegen des spannenden Networkings hier», sagt Fabian Hediger zu watson. Der Event vermittle zudem aktuelle Krypto-Trends, schaffe Wissenstransfer und sei eine gute Gelegenheit, bestehende und potenzielle Kunden zu treffen.
«Als Kunden kommen für Bitcoin Suisse neben Privatpersonen, die ab 100’000 Franken investieren wollen, auch Finanzinstitute wie unabhängige Vermögensverwalter, ‹High-Net-Worth Individuals› und institutionelle Marktteilnehmer infrage», sagt Hediger. Von diesen hat es an der CfC mehr als genug.
Auch auf Investorensuche ist ein Besucher aus den USA, der erst 24 Jahre alt ist. Er prahlt damit, bereits für mehrere Millionen Dollar seine erste Krypto-Firma verkauft zu haben. Kürzlich habe er zudem einen Krypto-Hedgefonds gegründet, womit er aktuell bei 25 Millionen Dollar liege. In fünf Jahren wolle er den fünffachen Betrag verwalten – auch deshalb sei er an der CfC St. Moritz. Für die Chance, noch reicher zu werden.
Eine Sache, die an der Konferenz auffällt, ist der Mangel an Frauen. Bei 250 «handverlesenen» Gästen hat es überproportional viele Männer. Laut CfC-Geschäftsführer Nicolo Stöhr sind es zwischen 30 und 35 Prozent Frauen. «Unser Ziel ist es, diesen Anteil stets auszubauen», sagt er zu watson.
Eine der wenigen Frauen an der Konferenz ist Lily Liu. Die in Zug lebende Amerikanerin wird von mehreren CfC-Besuchern als ein absolutes Krypto-Brain bezeichnet. Die Unternehmerin und Investorin hat sich einen Namen als Gründerin und Managerin von Tech-Startups gemacht. Eines davon war die Seite Earn.com, welche 2018 für mehr als 100 Millionen Dollar an die Krypto-Börse Coinbase verkauft wurde.
Aktuell amtet sie als Präsidentin der Solana Foundation in Zug. Die Non-Profit-Organisation setzt sich für das Wachstum des Netzwerks der Krypto-Firma Solana ein. Mit einer Marktkapitalisierung von über 6 Milliarden Dollar ist Solana eine der grössten Kryptowährungen der Welt.
«Das CfC erinnert mich an meine Anfänge in der Krypto-Welt. Hier treffe ich viele alte Freunde und kann gleichzeitig interessante neue Projekte kennenlernen», sagt Lily Liu zu watson. Dass sie eine der wenigen Frauen und vor allem der Rednerinnen an der Konferenz sei, störe sie nicht: «Ich persönlich verbringe über 50 Prozent meiner Zeit mit Frauen im Krypto-Space, aber generell hat es mehr Männer.»
Einer der wenigen CfC-Teilnehmer, die nicht aus dem Krypto-Space kommen, ist Thomas Moser, Mitglied des Erweiterten Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank.
Für eine Gesprächsrunde über digitales Zentralbankgeld, die von rund 80 der 250 Teilnehmenden besucht wurde, erhielt er von den Veranstaltern eine Einladung. Das teure Ticket für den Event musste die Nationalbank also nicht bezahlen. «Es ist ein guter Anlass, um zu lernen, wohin sich die Branche entwickelt. Gleichzeitig, um aufzuzeigen, was die Ideen einer Notenbank in diesem Bereich sind», sagt Moser zu watson. Ein eFranken für Privatpersonen stehe aber nicht auf dem Programm.
Wahrscheinlich jedem anderen Teilnehmer aufgefallen sind drei Herren, die fast die gesamte Konferenz in der Lobbybar verbracht haben, um Wein zu trinken und lauthals zu lachen. «Die spannendsten Geschichten an solchen Konferenzen passieren ausserhalb des Programms», sagt einer von ihnen zu watson.
Sie seien alle Early-Stage-Investoren und Blockchain-Unternehmer, die oft gemeinsam in ein Projekt investieren würden. «An der CfC St. Moritz haben wir bisher noch nirgends investiert», sagt ein anderer der Gruppe. Im Vordergrund stehe, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Den Preis für die Tickets finden alle drei zwar hoch angesetzt, aber auch gerechtfertigt. Jeder von ihnen gebe mit Hotel mindestens 10’000 Franken aus für die drei Tage an der CfC. Sie seien froh, überhaupt dabei sein zu können. «Ein Kollege von mir ist mehrere 100 Millionen Franken schwer und wurde abgelehnt», sagt einer von ihnen.
Angenommen wurde eine Krypto-Firma aus Zug. Sie ist an der CfC St. Moritz, weil sie überzeugt sei, «das nächste grosse Ding» zu sein. 2023 werde ihre Krypto-Währung auf einer Krypto-Börse gelistet und bald beginne der Vorverkauf. An der Konferenz würde man viele potenzielle Investoren treffen. «Wir werden die Leute definitiv reicher machen», sagt der Gründer.
Angesprochen auf diese Firma sagen aber die drei Early-Stage-Investoren, es seien gute Leute dahinter, aber fragwürdig, ob es ihr Produkt wirklich benötige.
Eine Sache, welche anscheinend die meisten CfC-Besucher benötigen, ist ein Privatjet. Bereits zum vierten Mal an der Konferenz ist deshalb Bernhard Fragner, Gründer und Geschäftsführer des Privatjet-Anbieters GlobeAir.
Er ist vermutlich einer von denen, die am meisten von der Krypto-Konferenz profitiert haben – ohne je überhaupt in ein Krypto-Projekt investiert zu haben. «Wir haben früh erkannt, dass hier eine Gruppe von sehr vermögenden Personen heranwächst», sagt Fragner zu watson.
Nach seiner ersten Teilnahme habe seine Firma Krypto-Zahlungen akzeptiert, die mittlerweile 30 Prozent seines Umsatzes ausmachen würden. Dies habe sich gelohnt: «Wir haben immer zu einem guten Zeitpunkt verkauft», sagt Fragner. Bei insgesamt 10’000 Flügen im Jahr würde so einiges an Krypto-Geld zusammenkommen. Ein Flug im Privatjet von Paris nach St. Moritz (Flugplatz Samedan) kostet beispielsweise rund 9000 Euro.
Nicht zuletzt sind an der Krypto-Tagung auch Politiker zu finden. Nach St. Moritz gereist ist ein vermögender Schweizer Parlamentarier: SVP-Nationalrat Franz Grüter, Gründer mehrerer Internetfirmen. Als Grüter für das Interview in der Hotellobby eintrifft, trägt er in der Hand eine Packung Airpods von einem Informationsstand des Privatjet-Anbieters.
Bald mit dem Jet durch die Welt fliegen werde er jedoch nicht. «Da ich früher die Privatpilotenlizenz hatte, haben wir uns über diese Passion unterhalten. Ich bin nicht auf dem Level, wo ich mit Privatjets herumfliege», sagt er lachend und fügt an: «Für mich reicht ein Linienflug vollkommen.»
Für die Krypto-Tagung interessiere er sich aufgrund der parlamentarischen Gruppe für digitale Assets und Kryptowährungen, welche er zusammen mit FDP-Nationalrätin Doris Fiala gegründet habe. So habe er sich speziell die Vorträge zum Thema Regulation ins Auge gefasst. «Mein Hauptziel ist nicht, als Privatinvestor neue Sachen zu finden, sondern einen Austausch mit Menschen zu haben im Zusammenhang mit meiner Funktion als Nationalrat», sagt Grüter.
Bezahlt habe das Parlament sein Ticket zudem nicht – Grüter wurde eingeladen, bereits zum zweiten Mal. Alle Spesen habe er selbst bezahlt. Von Krypto-Währungen lasse er aber zurzeit die Finger. «Ich habe vor zwei Jahren kleine Beträge investiert, um Erfahrungen zu sammeln und dabei einen bescheidenen Gewinn gemacht. Er reicht für ein paar warme Mittagessen», sagt der Nationalrat.
Grüter ist damit an der CfC St. Moritz sicher die Ausnahme. Die meisten der Teilnehmenden haben das grosse Geld mit Kryptos gemacht. Und das wollen sie vermehren, weshalb sie an die Konferenz im Engadin reisen. Um sich gegenseitig reicher zu machen. In der Hoffnung, bald dort zu sein, wo alle hinwollen – to the moon.
Das hat doch schon etwas Religiöses, man hilft einander.
Schön wäre es man würde auch denen etwas helfen die zufrieden wären wenn es hier auf der Erde etwas besser gehen würde.