Nach Scheidung: Wie Bäuerinnen künftig besser geschützt werden sollen
Wenn sich die Frauen hilfesuchend an Werner Jörger wenden, ist es meist zu spät. Der Churer Anwalt bietet Beratungen und Mediationen an für Bäuerinnen und Bauern und ihre Partner. Häufig geht es dabei um ein Thema: die Scheidung.
Viele Bauernfrauen riskieren mit dem Ehe-Aus ihre soziale Absicherung. Denn noch immer erhalten ein Drittel der Frauen, die auf dem Hof ihres Mannes mitarbeiten, keinen Lohn. Das hat 2022 eine Studie im Auftrag des Bundes ergeben.
Was zur Folge hat, dass viele Frauen nach einer Trennung vor dem Nichts stehen. Sie haben kein Daheim mehr, kein Angespartes, keine zweite Säule. «Die Frauen überlegen sich darum zweimal, ob sie tatsächlich den Schritt machen und sich scheiden lassen wollen», sagt Anwalt Werner Jörger. Wenn es zur Scheidung kommt, ist diese häufig konfliktbeladener als bei anderen Paaren.
Beratungsgespräch wird Pflicht
Die Politik ringt seit Jahren um eine Lösung. Nun hat das Parlament einen Schritt gemacht – wenn auch einen kleinen. Es macht die soziale Absicherung der Frauen (oder auch des männlichen Partners) zur Bedingung, um künftig gewisse Direktzahlungen zu erhalten. Nach dem Nationalrat hat sich am Mittwoch auch der Ständerat dafür ausgesprochen.
Künftig müssen Bauernpaare zu einem Beratungsgespräch antraben, bei dem finanzielle Fragen besprochen werden. Nur dann sollen sie vom Staat einen Kredit oder einen Unterstützungsbeitrag beispielsweise für einen neuen Stall oder eine Bewässerungsanlage erhalten – sogenannte Strukturverbesserungen.
In gewissen Fällen – beispielsweise bei besonders hohen Investitionen – soll nicht nur eine Beratung Pflicht sein, sondern dass der Mann die Frau (oder umgekehrt) auch tatsächlich für die Arbeit entschädigt. Unter welchen Umständen diese strengere Regel gilt, überlässt das Parlament dem Bundesrat. Dieser wird sich jetzt an die Umsetzung machen.
Nur wenige Bäuerinnen profitieren
Während der Ständerat den Vorschlag oppositionslos durchwinkte, hatten sich SP, Grüne und GLP im Nationalrat für eine schärfere Regelung starkgemacht. Was der Bundesrat vorschlage, sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber reiche nicht aus, sagte der Walliser SP-Nationalrat Emmanuel Amoos in der Debatte.
Einschränkend kommt hinzu, dass die beschlossene Änderung nur einen kleinen Teil der Bauernfamilien betrifft. 2023 haben gut 2000 Betriebe ein Gesuch für Investitionshilfen gestellt und wären somit von der neuen Regelung betroffen, dabei handelt es sich vor allem um Höfe in Bergregionen. Dies bei insgesamt 48'000 Bauernbetrieben im Land.
Bei der jetzigen Lösung handelt es sich aber um einen Vorschlag, den Bäuerinnen und Bauern selbst eingebracht hatten. Dementsprechend zufrieden zeigt sich Anne Challandes, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands. Aus ihrer Sicht handelt es sich um eine «pragmatische und konkrete Lösung».
Die nun beschlossene Änderung möge nicht alle Betriebe betreffen, sagt Challandes. «Doch es ist ein positiver Schritt – und nicht der einzige.»
Ein Puzzlestück von mehreren
So haben Bundesrat und Parlament weitere Massnahmen aufgegleist, die die Stellung der Frauen in der Landwirtschaft verbessern sollen. In Zukunft sollen beispielsweise nicht nur die Kinder, sondern auch die Ehepartnerinnen oder -partner beim Verkauf eines Hofes ein Vorkaufsrecht erhalten. Heute gehen sie leer aus. Ausserdem gilt ab 2027 für den Erhalt von Direktzahlungen die Bedingung, dass die Ehepartner von Bauern gegen Krankheit und Unfall versichert sind. Das alles sind aus Sicht Bäuerinnen- und Landfrauenverbands wichtige Verbesserungen.
Denn jüngere Generationen von Bäuerinnen und Bauern sind sich zwar zunehmend bewusst, wie wichtig es ist, dass beide Partner gut abgesichert sind. Was auch Informationsoffensiven der Verbände zu verdanken ist. Anwalt Werner Jörger stellt fest, dass jüngere Paare heute gut informiert seien. Allerdings: Richtig vorsorgen würden sie dann oftmals eben doch nicht – im romantischen Glauben, dass ihre Ehe schon hält.