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Landwirtschaft

Treibhausanbau Schweiz: Parlament senkt Hürden für Gemüsebauern

Zankapfel Gewächshaus: Parlament senkt Hürden für Treibhausanbau

Tomaten, Gurken, Auberginen: Vor allem für den Gemüseanbau setzen Landwirte vermehrt auf Gewächshäuser. Eine Gesetzesänderung soll nun deren Bau auf dem Ackerland vereinfachen. Landschaftsschützer fürchten um die guten Böden.
02.10.2023, 11:0002.10.2023, 09:57
Chiara Stäheli / ch media
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Erster Eichblatt Gruen Salat aus dem Hydrogewaechshaus in Oftringen am Donnerstag, 28. April 2016. In einem grossen Gewaechshaus in Oftringen AG wird kommende Woche erstmals so genannter Hydrosalat ge ...
Das Gemüse in Gewächshäusern ist vor der Witterung geschützt.Bild: KEYSTONE

Den einen sind die «Plastik-Landschaften» ein Dorn im Auge, die anderen sehen in ihnen einen Garanten für eine ertragreiche Lebensmittelproduktion: Gewächshäuser und Folientunnels sorgen immer wieder für kontroverse Diskussionen. Schweizweit bekannt wurden etwa die Aprikosentunnels im Seetal, deren Fortbestand wegen eingegangener Beschwerden zeitweise auf der Kippe stand, seit kurzem aber definitiv gesichert ist.

Nun soll eine Gesetzesänderung den Bau von Gewächshäusern im Landwirtschaftsgebiet vereinfachen. Der Ständerat ist in der Herbstsession dem Nationalrat gefolgt und hat eine Motion von Nationalrat Heinz Siegenthaler (Mitte/BE) angenommen. Gemäss dieser muss der Bundesrat das Raumplanungsgesetz so anpassen, dass künftig Gewächshäuser auf Fruchtfolgeflächen errichtet werden können, ohne dass – wie bis anhin – dieses für die Landwirtschaft besonders geeignete Ackerland andernorts kompensiert werden muss.

Dabei müssen drei Bedingungen erfüllt werden: Der natürliche Boden darf nicht versiegelt werden, er muss «regelmässig kultiviert», also bepflanzt werden – und es müssen zwingend Nahrungsmittel angebaut werden.

Der Verband der Schweizer Gemüseproduzenten begrüsst den Entscheid. Zwar seien die Hürden für den Bau von Gewächshäusern noch immer «sehr hoch», teilt der stellvertretende Direktor Markus Waber auf Anfrage mit. Doch mit dem Entscheid des Parlaments werde eine dieser Hürden «etwas tiefer». Das sei auch unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit wichtig, erklärt Waber: «Schweizer Tomaten oder Gurken wären ohne die gedeckte Produktion nicht in einer vergleichbaren Masse vorhanden.»

«Müssen den Fruchtfolgeflächen Sorge tragen»

Bei der Stiftung Landschaftsschutz sorgt der Entscheid hingegen für Kopfschütteln. Die stellvertretende Geschäftsleiterin Franziska Grossenbacher bezeichnet ihn als «Schnellschuss». Es sei noch viel zu wenig erforscht, wie sich Gewächshäuser auf den Boden auswirkten und ob die Qualität des Kulturlandes darunter leide. Auf diesen Punkt wies zuletzt auch der Bundesrat hin.

Für Grossenbacher zielt der Vorstoss in eine völlig falsche Richtung: «Böden mit Fruchtfolgequalität sind extrem wichtig, wir müssen ihnen Sorge tragen. Stattdessen will das Parlament diese Böden nun sorglos für den Bau von Gewächshäusern freigeben.» Dieser Freipass sei «sehr bedenklich». Hinzu komme, dass viele Gewächshäuser inmitten von Kulturlandschaften errichtet würden. «Das widerspricht dem raumplanerischen Grundsatz, wonach Siedlungen nach innen entwickelt werden sollen», hält Grossenbacher fest.

Wissenswertes zum Gewächshausanbau in der Schweiz
Fläche
Gemäss Angaben von Agroscope werden in der Schweiz etwas mehr als 14’000 Hektar für den Gemüseanbau bewirtschaftet. Davon entfallen knapp 1000 Hektar auf den Anbau in Gewächshäusern. Diese Zahl deckt sich mit den Angaben des Bundesamts für Raumentwicklung, wonach auf etwas mehr als 1000 Hektar der Landwirtschaftsfläche dauerhafte Glas- und Folienkonstruktionen stehen.

Kulturen
In Gewächshäusern wachsen vor allem Feldsalat, Radieschen, Tomaten, Gurken, Auberginen und Kopfsalat. Die hierzulande angebauten Tomaten wachsen fast alle in Gewächshäusern.

Regionen
Vor allem in den Kantonen Genf, Waadt, Freiburg, Tessin und Zürich stehen viele Gewächshäuser. In der Westschweiz ist die Hors-sol-Technik weit verbreitet. Dabei wächst das Gemüse ohne Verwendung von Erde in einem Substrat, welchem Wasser und Nährstoffe via Schlauchsystem zugeführt werden.

Für den Gemüseproduzentenverband ist hingegen klar: «Gewächshäuser gehören in die Landwirtschaftszone. Sie benötigen für die Produktion im gewachsenen Boden die entsprechende Bodenqualität.» Schliesslich wachsen viele Pflanzen in Gewächshäusern direkt im Boden, andere in sogenannten Substratkulturen mittels Hors-sol-Technik. Ohnehin sei nicht die Produktionsmethode entscheidend, ob eine Fläche als Fruchtfolgefläche angerechnet werde oder nicht. Viel eher sei die Qualität des Bodens ausschlaggebend, sagt Waber.

Weniger Pestizide, Düngemittel und Wasser

Stellt sich also die Frage, welche Auswirkungen Gewächshäuser auf den Boden haben. Unter anderem dazu forscht Cédric Camps im Forschungszentrum von Agroscope in Conthey. Er kommt zum Schluss: «Leichte Plastiktunnel mit Bodenanbau beeinträchtigen die Böden nicht mehr oder weniger als im Freilandbau.» Und bei den modernen Gewächshäusern seien landwirtschaftlich nutzbare Böden im Normalfall ohnehin nicht gefährdet, da diese meist in Industriegebieten errichtet würden.

Camps sieht im Anbau von Gemüse in Gewächshäusern viele Vorteile: Einerseits seien die Kulturen weniger anfällig für Schädlinge, dadurch könne der Einsatz von Pestiziden «stark reduziert» werden. Auch der Wasser- und Düngemittelverbrauch im Gewächshaus ist deutlich geringer als im Freilandanbau. Zudem erlaube diese Produktionsmethode, länger regionales Gemüse auf den Markt zu bringen – mit kürzeren Transportwegen als Folge.

Dennoch stehen Gewächshäuser immer wieder in der Kritik – und zwar wegen des hohen Energieverbrauchs, der beim Heizen anfällt. «Hier gibt es Verbesserungspotenzial», sagt Camps. Das weiss auch der Verband der Gemüseproduzenten. Zwar sei nicht erhoben, wie viele der in Betrieb stehenden Gewächshäuser fossil beheizt werden. Die Branche hat sich allerdings zum Ziel gesetzt, die hiesigen Gewächshäuser bis 2030 zu 80 Prozent aus Quellen erneuerbarer Energie zu beheizen. Bis 2040 sollen dann gar keine fossilen Brennstoffe mehr eingesetzt werden.

Derweil hat die Migros bereits angekündigt, ab 2025 nur noch Früchte und Gemüse aus Gewächshäusern zu verkaufen, die mit erneuerbaren Energiequellen beheizt werden. Und auch Coop hält seine Lieferanten an, ihre Gewächshäuser künftig fossilfrei zu beheizen. (aargauerzeitung.ch)

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