Den einen sind die «Plastik-Landschaften» ein Dorn im Auge, die anderen sehen in ihnen einen Garanten für eine ertragreiche Lebensmittelproduktion: Gewächshäuser und Folientunnels sorgen immer wieder für kontroverse Diskussionen. Schweizweit bekannt wurden etwa die Aprikosentunnels im Seetal, deren Fortbestand wegen eingegangener Beschwerden zeitweise auf der Kippe stand, seit kurzem aber definitiv gesichert ist.
Nun soll eine Gesetzesänderung den Bau von Gewächshäusern im Landwirtschaftsgebiet vereinfachen. Der Ständerat ist in der Herbstsession dem Nationalrat gefolgt und hat eine Motion von Nationalrat Heinz Siegenthaler (Mitte/BE) angenommen. Gemäss dieser muss der Bundesrat das Raumplanungsgesetz so anpassen, dass künftig Gewächshäuser auf Fruchtfolgeflächen errichtet werden können, ohne dass – wie bis anhin – dieses für die Landwirtschaft besonders geeignete Ackerland andernorts kompensiert werden muss.
Dabei müssen drei Bedingungen erfüllt werden: Der natürliche Boden darf nicht versiegelt werden, er muss «regelmässig kultiviert», also bepflanzt werden – und es müssen zwingend Nahrungsmittel angebaut werden.
Der Verband der Schweizer Gemüseproduzenten begrüsst den Entscheid. Zwar seien die Hürden für den Bau von Gewächshäusern noch immer «sehr hoch», teilt der stellvertretende Direktor Markus Waber auf Anfrage mit. Doch mit dem Entscheid des Parlaments werde eine dieser Hürden «etwas tiefer». Das sei auch unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit wichtig, erklärt Waber: «Schweizer Tomaten oder Gurken wären ohne die gedeckte Produktion nicht in einer vergleichbaren Masse vorhanden.»
Bei der Stiftung Landschaftsschutz sorgt der Entscheid hingegen für Kopfschütteln. Die stellvertretende Geschäftsleiterin Franziska Grossenbacher bezeichnet ihn als «Schnellschuss». Es sei noch viel zu wenig erforscht, wie sich Gewächshäuser auf den Boden auswirkten und ob die Qualität des Kulturlandes darunter leide. Auf diesen Punkt wies zuletzt auch der Bundesrat hin.
Für Grossenbacher zielt der Vorstoss in eine völlig falsche Richtung: «Böden mit Fruchtfolgequalität sind extrem wichtig, wir müssen ihnen Sorge tragen. Stattdessen will das Parlament diese Böden nun sorglos für den Bau von Gewächshäusern freigeben.» Dieser Freipass sei «sehr bedenklich». Hinzu komme, dass viele Gewächshäuser inmitten von Kulturlandschaften errichtet würden. «Das widerspricht dem raumplanerischen Grundsatz, wonach Siedlungen nach innen entwickelt werden sollen», hält Grossenbacher fest.
Für den Gemüseproduzentenverband ist hingegen klar: «Gewächshäuser gehören in die Landwirtschaftszone. Sie benötigen für die Produktion im gewachsenen Boden die entsprechende Bodenqualität.» Schliesslich wachsen viele Pflanzen in Gewächshäusern direkt im Boden, andere in sogenannten Substratkulturen mittels Hors-sol-Technik. Ohnehin sei nicht die Produktionsmethode entscheidend, ob eine Fläche als Fruchtfolgefläche angerechnet werde oder nicht. Viel eher sei die Qualität des Bodens ausschlaggebend, sagt Waber.
Stellt sich also die Frage, welche Auswirkungen Gewächshäuser auf den Boden haben. Unter anderem dazu forscht Cédric Camps im Forschungszentrum von Agroscope in Conthey. Er kommt zum Schluss: «Leichte Plastiktunnel mit Bodenanbau beeinträchtigen die Böden nicht mehr oder weniger als im Freilandbau.» Und bei den modernen Gewächshäusern seien landwirtschaftlich nutzbare Böden im Normalfall ohnehin nicht gefährdet, da diese meist in Industriegebieten errichtet würden.
Camps sieht im Anbau von Gemüse in Gewächshäusern viele Vorteile: Einerseits seien die Kulturen weniger anfällig für Schädlinge, dadurch könne der Einsatz von Pestiziden «stark reduziert» werden. Auch der Wasser- und Düngemittelverbrauch im Gewächshaus ist deutlich geringer als im Freilandanbau. Zudem erlaube diese Produktionsmethode, länger regionales Gemüse auf den Markt zu bringen – mit kürzeren Transportwegen als Folge.
Dennoch stehen Gewächshäuser immer wieder in der Kritik – und zwar wegen des hohen Energieverbrauchs, der beim Heizen anfällt. «Hier gibt es Verbesserungspotenzial», sagt Camps. Das weiss auch der Verband der Gemüseproduzenten. Zwar sei nicht erhoben, wie viele der in Betrieb stehenden Gewächshäuser fossil beheizt werden. Die Branche hat sich allerdings zum Ziel gesetzt, die hiesigen Gewächshäuser bis 2030 zu 80 Prozent aus Quellen erneuerbarer Energie zu beheizen. Bis 2040 sollen dann gar keine fossilen Brennstoffe mehr eingesetzt werden.
Derweil hat die Migros bereits angekündigt, ab 2025 nur noch Früchte und Gemüse aus Gewächshäusern zu verkaufen, die mit erneuerbaren Energiequellen beheizt werden. Und auch Coop hält seine Lieferanten an, ihre Gewächshäuser künftig fossilfrei zu beheizen. (aargauerzeitung.ch)