Frau Pruin, fangen wir mit der Aktualität an: Nach einer öffentlichen Drohung und einem Polizeieinsatz ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen Brian Keller. Wird die Sache ein Nachspiel haben?
Ineke Pruin: Es wird sicher ein Nachspiel haben im Sinne davon, dass gegen ihn ermittelt wird.
Keller verteidigte sich, alles sei nur Werbung für einen Boxkampf gewesen. Es gibt aber Stimmen, die fordern eine Präventivhaft. Was denken Sie?
Es ist schwierig, sich ein verlässliches Gesamtbild zu machen, lediglich von Angaben in der Presse. Ohne den exakten Sachverhalt zu kennen, kann man das juristisch nicht beurteilen. Natürlich spielt die Intention solcher Aussagen eine Rolle, ob es Satire oder ernst gemeint war.
Ist es für freigelassene Straftäter sinnvoll, sich öffentlich in den Medien und auf sozialen Netzwerken so darzustellen?
Als Juristin finde ich, dass für alle dieselben Regeln gelten sollten. Jeder entlassene Straftäter soll sich grundsätzlich in den Medien und auf sozialen Netzwerken zeigen dürfen, so lange keine Grenzen verletzt oder Straftatbestände begangen werden. Ob es jetzt ein besonders kluger Zeitpunkt war, jemanden zu provozieren, um für einen vermeintlichen Boxkampf Werbung zu machen, ist eine andere Frage.
Erschwert eine starke Medienpräsenz die Wiedereingliederung für Straftäter?
Wenn ein Haftentlassener auf Schritt und Tritt verfolgt wird durch die Medien und ständig unter öffentlicher Beobachtung steht, ist das natürlich schwer für diese Person. Eine Wiedereingliederung gelingt nur dann, wenn wir Haftentlassene als normale Bürger betrachten.
Wie sollen sich Straftäter verhalten, deren Fälle in der Öffentlichkeit stark präsent sind?
Es ist wichtig, dass diese Menschen von der Gesellschaft die Chance erhalten, sich wieder integrieren zu können. Bei Brian Keller muss man verstehen, dass er besonders stark das Gefühl hatte, dass er diskriminiert und ungleich behandelt wurde. Wer sind wir, ihm zu sagen, wie er sich jetzt fühlen soll? Ich sehe hier eine starke Gefahr, dass er anders behandelt wird als andere Menschen.
Wie meinen Sie das?
Viele warten nur darauf, dass er etwas macht, was nicht richtig ist. Und sobald er so etwas macht, besteht die Gefahr, dass das stärker aufgebauscht wird als bei anderen Personen. Wenn er sich juristisch falsch verhalten hat, dann ist es Aufgabe der Justiz, dem nachzugehen, und nicht die Aufgabe der Medien, diese Fälle auszuschlachten.
Welcher Weg wäre dann der Richtige?
Richtig ist es, den Entlassenen bei Bedarf Unterstützung anzubieten und ihnen auch erstmal einen Vertrauensvorschuss zukommen zu lassen, ihnen also die Möglichkeit zu geben, sich zu bewähren.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für Haftentlassene?
Die gesetzliche Struktur sieht vor, dass Gefangene in verschiedenen Stufen immer stärker an die Freiheit gewöhnt werden. Die letzte Stufe ist dabei – je nach Entlassungsart – die Bewährungshilfe. Es gibt daneben auch Vereine oder Unterstützungsgruppen, die sich für Haftentlassene einsetzen. Dass sich die Zivilgesellschaft ehrenamtlich engagiert, ist ein wichtiger Grundpfeiler. Integration hängt nicht nur davon ab, ob sich ein Straftäter an das Recht hält, sondern auch davon, ob die Gesellschaft bereit ist, ihn wieder aufzunehmen. Das Schlimmste, was passieren könnte, ist, wenn sich Haftentlassene bemühen, aber trotzdem immer wieder von Menschen abgelehnt und vorverurteilt werden.
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Diese Gefahr besteht bei Herrn Keller offensichtlich nicht - da er sich eben schon gar nicht bemüht... 😉
Nach 2 Monaten sagt er, dass er seine Freiheit opfern würde, für den Kopf von dem anderem, sagen wir mal schwierigen Fall.
Nach der Talk-Sendung auf Tele-Züri, war ich positiv gestimmt, dass er es schaffen könnte.
Also sicher länger als 2 Monate…