Alle paar Minuten hustet ein Gspänli im Grossraumbüro. Daheim ist das Kind erkältet. Die Freundin sagt das Abendessen ab, weil sie flachliegt.
Willkommen, Erkältungssaison.
Gestern Mittwoch hat das Bundesamt für Gesundheit BAG ein neues Infoportal für übertragbare Krankheiten aufgeschaltet. Darauf zu finden: Daten zu Infektions- und Erkrankungsfällen, neben weiteren respiratorischen Viren sind die Influenza und Covid-19.
Die BAG-Zahlen bestätigen den subjektiven Eindruck: Die respiratorischen Infektionen nehmen zu. Dabei gilt, zu beachten: Die Covid-19-Herbstwelle steigt demnach aktuell an. Allerdings auf deutlich tieferem Niveau als in den Vorjahren.
Entwarnung gibt es bei der saisonalen Grippewelle. Diese hat noch nicht begonnen, wie aus dem Infoportal hervorgeht. Die Arztbesuche wegen grippeähnlicher Erkrankungen bleiben im Vergleich zu den zwei Vorwochen konstant. Es zeigt sich lediglich eine leichte Zunahme von positiven Influenza-Labormeldungen.
Und doch: Verglichen mit den Vor-Corona-Jahren gingen in den letzten Wochen mehr Patienten zum Arzt. Dies wegen grippeähnlicher Erkrankung, wie diese Grafik schön zeigt:
Konkret: Aktuell kommen auf 100'000 Einwohner 50,93 Erkrankte. In den Vor-Corona-Jahren waren es in der gleichen Kalenderwoche deutlich weniger. Die Ausnahme: Der erste Corona-Winter 2020/21. Dort kamen auf 100'000 Einwohner 115,73 Erkrankte.
«Die Anzahl der Konsultationen aufgrund grippeähnlicher Erkrankungen in dieser Saison ist mit der Entwicklung der letzten zwei Jahre vergleichbar», sagt BAG-Sprecher Simon Ming, sie liege aber weiterhin über dem vorpandemischen Erwartungswert.
Auch Rudolf Hauri, oberster Kantonsarzt, bestätigt:
Woran liegt das? Eine Rolle dabei spiele das Coronavirus. «Insgesamt ist das Infektionsgeschehen von August bis November in Bezug auf SARS-CoV-2 tatsächlich zunehmend», sagt Hauri. Aktuell zirkulierten gemäss BAG-Überwachung am häufigsten SARS-CoV-2 und Rhinoviren.
Dass die saisonale Grippewelle noch nicht begonnen hat, bestätigt auch Hauri. Der oberste Kantonsarzt sagt: «Das könnte sich jedoch bald ändern, weil der Anstieg der grippeähnlichen Erkrankungen mit der Entwicklung der letzten drei Saisons vergleichbar ist und über dem vorpandemischen Erwartungswert für diese Jahreszeit liegt.»
Die Immunität der Bevölkerung lässt laut Hauri zum Teil nach, das dürfte von Bedeutung sein dafür, dass verschiedene Atemwegs-Viren kursierten und sich vermehrten. Zudem halten wir uns weniger im Freien auf und in Innenräumen wird die Übertragung begünstigt.
«Das tatsächliche Ausmass ist jeweils schwer abzuschätzen und hängt von verschiedenen Faktoren ab», sagt Hauri. Zu diesen Faktoren würden zum Beispiel Art und Ausmass der Mutationen der Viren zählen. Oder auch, ob und wie stark die Immunität nachlasse und wie gut sich die Menschen mit nicht-pharmazeutischen Massnahmen wie Distanzhalten schützten.
Positiv zu vermerken ist laut Hauri: «Eine mutationsbedingte ausgeprägte Verschärfung der krankmachenden Eigenschaften von SARS-CoV-2 wird seit längerem und aktuell nicht festgestellt.» Das BAG formuliert es so: «Genaue Aussagen dazu, wie sich die Wintersaison entwickelt, kann man nicht machen», sagt Sprecher Ming.
«Man erreicht nur die Patienten und Patientinnen, die auch einen Arzt aufsuchen. Nur sie fliessen in die Meldungen ein», sagt BAG-Sprecher Ming. Dies sei ein systeminhärentes Problem aller Surveillance-Systeme. Das sei dieses Jahr nicht anders als in Vorjahren.
Heisst: Genaue Zahlen, wie viele Menschen tatsächlich gerade krank sind, gibt die Statistik nicht her.
Hauri winkt ab: «Grundsätzlich erwarten Epidemiologen die saisonale Zunahme von Krankheiten, die über die Atemwege übertragen werden.» Die aktuelle Entwicklung erfolge somit nicht überraschend.
Auch beim BAG heisst es, dass in den kälteren Monaten und dem Anfang der Wintersaison ein Anstieg von respiratorischen Viren zu erwarten sei.
Mit den Hygienemassnahmen, die wir alle in der Corona-Pandemie gelernt und angewendet haben: «Bleiben Sie zu Hause!», wie das Gesundheitsminister Alain Berset gebetsmühlenartig gepredigt hatte. Dazu dieser Ohrwurm:
Und: Husten und Niesen nur in die Armbeuge.
Zudem: Maske tragen in Innenräumen. Das schützt am besten, wie inzwischen hinlänglich erwiesen ist.