Henry* ist 70 Jahre alt. Und trifft seit 30 Jahren regelmässig jüngere Frauen. Sehr viel jüngere. Er ist ein Sugardaddy. Henry will anonym bleiben. watson gibt er dennoch einen Einblick in sein Leben – und will mit den Vorurteilen gegenüber Sugardaddys aufräumen.
Meine allererste Beziehung mit einer jüngeren Frau ist lange her. Das war vor ungefähr 40 Jahren. Ich liess mich darauf ein, weil die Beziehung mit meiner Frau mir nicht mehr alles gab, was ich brauchte. Sie wurde krank und mir fehlte es an Liebe und Zärtlichkeit.
Vor meiner Pensionierung habe ich als Headhunter gearbeitet und mein erstes Sugarbabe während der Arbeit kennengelernt. Ich half ihr einen neuen Job zu finden und unterstützte sie finanziell. Seither hatte ich einige Beziehungen – mal längere, mal kürzere.
Meine längste Beziehung ist schon zehn Jahre alt. Auch Rosa* lernte ich während der Arbeit kennen. Sie war eine Kundin von mir. Wir verstanden uns auf Anhieb und haben begonnen, uns häufiger zu treffen. Irgendwann war uns beiden klar, dass mehr zwischen uns war. Rosa war eine Massage-Therapeutin und wurde sehr jung Mutter. Als sie Probleme in ihrem Job bekam, half ich ihr einen neuen zu finden. Ich überzeugte sie zudem, ein Studium zu beginnen. Bis heute sehen wir uns regelmässig. Ich unterstütze sie finanziell bei ihrer Ausbildung.
Einige Frauen lerne ich auch online kennen. Mein Profil scheint viele Frauen anzuziehen. Gerade kürzlich nahm ich mit einer jungen Dame Kontakt auf. Wir haben uns ein paar Mal geschrieben und anschliessend getroffen. Die ersten Treffen laufen eigentlich nicht anders ab als ein ganz normales Date. Wir verabreden uns auf eine Tasse Kaffee oder ein Glas Wein. Und dann besprechen wir eigentlich ziemlich schnell, was wir beide von dieser Liaison erwarten. Ich kommuniziere möglichst offen, was ich will. Wenn wir uns finden, dann schauen wir weiter. Wenn nicht, dann war’s das.
Ich kann nichts mit 20-Jährigen anfangen. Ich will mit einer Frau, nicht mit einem Mädchen zusammen sein. Es ist mir wichtig, dass ich mich mit einer Frau treffe, die mitten im Leben steht und weiss was sie will. Viele junge Frauen sind Träumerinnen. Das ist völlig in Ordnung. Aber einfach nichts für mich. Ich bevorzuge Frauen zwischen 30 und 35.
Natürlich spielen Liebe und Sex eine wichtige Rolle. Manchmal fahre ich mit einer Dame übers Wochenende weg. Dann schlafen wir zusammen im gleichen Bett. Und wenn wir schon nebeneinander liegen, können wir uns auch verhalten wie zwei Erwachsene. Frauen sind wunderschön. Und ich glaube, ein 30-Jähriger schätzt den Körper einer gleichaltrigen Frau nicht gleich wie ich als 70-Jähriger.
Ich geniesse das Zusammensein sehr. Und natürlich entwickeln sich auch Gefühle. Es geht nicht nur um Sex. Es soll sich ja zu einer Langzeitbeziehung entwickeln. Wir schenken uns sehr viel Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit. Das wichtigste ist für mich, dass die Beziehung einfach und schön bleibt. Ich will möglichst keine Komplikationen oder Streit, sondern einfach eine gute Zeit zusammen verbringen.
Den Vorwurf, dass sich Sugarbabes prostituieren würden, hört man viel. Doch davon halte ich nichts. Es ist keine Prostitution. Es ist eine Beziehung über längere Zeit. Und es geht nicht nur um Geld. Wir treffen uns regelmässig, tauschen uns aus, reden über Gott und die Welt.
Natürlich gibt es auch Frauen, die nur auf das Geld aus sind. Einmal hat mich eine Dame kontaktiert und bat um Geld für die Operation ihrer Mutter. Diese leide an Krebs, sagte sie mir. Die Summe war aber horrend hoch und hätte die Kosten einer solchen OP um das Vielfache überstiegen. Ich habe sie damit konfrontiert, worauf sie ziemlich wütend wurde. Danach habe ich den Kontakt abgebrochen.
Dank meinem Beruf, in dem ich jahrelang mit Menschen zu tun hatte, kann ich relativ gut einschätzen, ob es jemand ernst meint oder nicht. Zudem ist auch die Zeit ein hilfreicher Faktor. Je länger eine Beziehung andauert, desto sicherer kann ich mir sein, dass es um viel mehr als nur um Geld geht.
Meine Freunde und Familie wissen nicht, dass ich mich mit jungen Frauen treffe. Ich bin verheiratet und lebe mit meiner Frau zusammen. Sie ist an Alzheimer erkrankt. Ich kümmere mich so viel wie möglich um sie und helfe ihr, wo ich kann. Liebe, Nähe und Zärtlichkeit muss ich mir aber an einem anderen Ort holen.
Meine Freunde wissen nichts davon, nicht weil ich mich dafür schäme, im Gegenteil: Es ist sehr einfach, das Ganze falsch zu verstehen. Man hat sehr schnell falsche Vorstellungen und Vorurteile. Nur schon der Name «Sugardaddy» hört sich blöd an.
Dennoch finde ich es wichtig, darüber zu sprechen. So kann ich die Vorurteile vielleicht auch etwas entkräften. Ich will einfach, dass die Menschen sehen, dass es auch sehr viele positive Aspekte in diesen Beziehungen gibt. Wenn es für beide stimmt, ist es eine Win-Win-Situation.
Ich bin jetzt 70. Solange es meine Gesundheit zulässt, werde ich mich weiter mit Frauen treffen. Sobald ich aber nicht mehr fit genug bin, werde ich die Beziehungen beenden. Einige Frauen werde ich sicherlich auch weiterhin finanziell unterstützen. Aber intime Beziehungen will ich dann nicht mehr. Ich möchte nicht, dass die Frauen zu Krankenschwestern werden und sich um mich kümmern müssen. Ich will auch nicht, dass sie mich im Spital besuchen kommen. Denn ich weiss, ich bin nicht die Liebe ihres Lebens. Sie brauchen jemand Jüngeres um glücklich zu werden und eine Familie zu gründen. Darum muss ich irgendwann loslassen, wenn die Zeit gekommen ist ...
*Name geändert