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Das Urteil kommt etwas überraschend: Das Baselbieter Strafgericht spricht den 60-jährigen Mann, der im Jahr 2000 hinter der St. Jakobshalle einen Dealer getötet hat, des Mordes schuldig und verurteilt ihn zu 13 Jahren Gefängnis. Damit geht das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, die in der Anklage eine Gefängnisstrafe von 12 Jahren gefordert hat.
Etwas überraschend deswegen, weil im Vorfeld unklar war, ob das Gericht ein Vierteljahrhundert nach dem fatalen Kokaindeal vorsätzliches Handeln zweifelsfrei nachweisen kann. Das Tötungsdelikt stellt der Angeklagte nicht in Abrede. Er behauptete aber, der Schuss habe sich aus seiner Waffe versehentlich gelöst, er habe «nur» die zwei Kilogramm Kokain stehlen wollen. Der Schweizer, der erst im Herbst 2023 dank einer neuen Fingerabdruck-Methode überführt werden konnte, räumte also fahrlässige Tötung ein – diese ist freilich verjährt. Die Fünferkammer stand vor einem schwierigen Urteil: Mord oder Freispruch, alles oder nichts.
Das Gericht schien von der Version des Angeklagten überhaupt nicht überzeugt: Dass sich der Schuss aus der Walther PPK unabsichtlich gelöst habe, könne nicht sein. Auch der beigezogene Waffen-Experte, der im Rahmen einer Versuchsanordnung die Funktionen der Selbstladepistole bis ins letzte Detail durchexerzierte, schloss eine Manipulation aus. Das Gericht kam zum Schluss: «Eine unabsichtliche Schussabgabe kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.»
Das Strafgericht geht davon aus, dass der Täter mit direktem Vorsatz gehandelt hat. «Wir haben einen Schuss, der in den Kopf des Opfers ging und der nicht unabsichtlich ausgelöst wurde», führte Gerichtspräsidentin Annette Meyer Lopez bei der Urteilseröffnung aus. Direkter Vorsatz setzt nicht zwingend voraus, dass der Täter die Tat lange im Voraus geplant habe.
Zwei wesentliche Merkmale für den Straftatbestand Mord hält das Gericht für gegeben: Habgier und Heimtücke. Der Mann habe unbedingt an das Kokain kommen wollen. «Wegen 130'000 Franken musste ein junger Mann sterben. Sie haben eine extreme Geringschätzung von menschlichem Leben an den Tag gelegt», sagte die Präsidentin an die Adresse des Angeklagten. Er sei auch heimtückisch vorgegangen, indem er etwa im Auto dem Dealer ein Couvert mit Papierschnipseln (anstelle des vereinbarten Geldbetrags) übergab und ihn so ablenkte.
Die Gerichtspräsidentin bescheinigte dem Täter erneut eine «hohe Intelligenz» und warf ihm vor, dass dieser seine Aussagen ständig dem jeweiligen Ermittlungsstand angepasst habe. Den Einwand des Verteidigers, sein Mandant habe nach 25 Jahren – wie andere – gewisse Dinge vergessen, liess Meyer Lopez nicht gelten: Der Angeklagte habe bei Einvernahmen 2023 zu gewissen Details aus der Tatnacht im Jahr 2000 klare Aussagen gemacht. Nun, zwei Jahre später, konnte er sich an gewisse Dinge plötzlich nicht mehr erinnern. «Das kann nicht sein», sagte sie.
Das Gericht legte die Einsatzstrafe auf 19 Jahre fest. Leicht strafmildernd wirkt das Geständnis, dass er in der Tatnacht im Auto des Getöteten sass und ein Schuss aus der Waffe abgegeben habe. Dies habe das Verfahren erleichtert, so Meyer Lopez. Macht noch 18,5 Jahre. «Im Übrigen erkennen wir aber keine echte Reue.» Von dieser Einsatzstrafe zog das Gericht wegen der langen Zeit zwischen Tat und Urteil 30 Prozent ab – und kam so noch auf 13 Jahre.
Daran angerechnet wird die Untersuchungshaft; der Mann sitzt bereits seit 640 Tagen im Strafjustizzentrum in Muttenz ein. Er wird zudem in Sicherheitshaft behalten, diese wird bis Ende Oktober 2025 verlängert. Der Täter trägt auch die Kosten des Verfahrens – alles in allem gegen 100’000 Franken.
Ob das ungewöhnliche Verbrechen je mit einem rechtsgültigen Urteil abgeschlossen wird, ist gleichwohl unklar. Angesichts der Ausgangslage ist davon auszugehen, dass der Angeklagte Berufung einlegen wird. Eine Aussage seines Verteidigers Yves Pellet war dazu am Freitag nicht zu haben. (aargauerzeitung.ch)
Was für ein Lebenslauf: Mit 35 mordet er, mit 60 wird er dafür verurteilt. Statt langsam seine Pensionierung planen zu dürfen wie andere in diesem Alter, weiss er nun nicht, ob er das Gefängnis überhaupt jemals lebendig verlassen wird.