Drei Tage vor der Premiere ist er blass um die Nase, die Augenringe sitzen tief. Der Oberlippenbart ist ähnlich mager wie sein Träger, die Trainerhosen haben Löcher, der Sweater hängt an ihm wie an einem Gestrüpp. Er gleicht einem «Smetterling», einem nicht ganz fertig geschlüpften Pechfalter. Sein Alter von 32 Jahren glaubt man ihm nicht, vielleicht wird er auch demnächst erst volljährig.
Das ist er also. Nicht auf dem Display, sondern in echt: der schmale Wurf, der im Casinotheater Winterthur am Donnerstag eine Bombe platzen lassen will, Supercedi alias Cedric Schild. Die Schweizer Social-Media-Persönlichkeit der Jugend. Als liebenswürdiger Polizeipraktikant Smetterling, mit S-Fehler, grossem Herzen und Talent zum grossem Chaos spielte er sich in der SRF-Serie «Tschugger» in die Herzen.
Dieser Smetterling alias Supercedi ist eine Identifikationsfigur für die Generation Z. Ungeduldig und fordernd soll sie sein, technologieaffin und beständig online. Online-Personality Schild wagt sich für sie aus der Deckung auf die Theaterbühne. Eine Kombination von Stand-up und Personality-Show soll es werden. Dass der Schritt ein «Ausbruch aus der Komfortzone» bedeutet, für ihn genauso wie für seine Follower, ist ihm bewusst.
Das Netz als Nabelschnur, mit dem diese Fans mit Supercedi sonst verbunden sind, weil er einer ist wie sie oder einer, der das wagt, was sie gerne wagen würden. Auf Instagram hat Supercedi 110'000 Follower, auf Tiktok 5200. Auf der Videoplattform «izzyprojects», ein Social-Media-Format der Ringier-Mediengruppe, dessen Aushänge-«Schild» er ist, folgen ihm und seinem Team 300'000 Menschen. In der Schweiz ist Supercedi ein Superstar.
Der junge Mann aus Uster, der sein Privatleben so bedeckt hält wie seine Frisur an einem «bad hair day», hat in den letzten fünf Jahren eine beeindruckende Instant-Karriere hingelegt. Um ihn ist ein Hype, den es in diesem skeptisch-bedächtigen Land eigentlich gar nicht geben dürfte. Seine Live-Präsenz im Theater wird den Hype anfeuern, die Tournee war innert kurzem ausverkauft. Eine Verlängerung im Herbst ist bereits in Planung.
Denn Schild hat es in sich, das sieht man in den «Izzy»-Videos, die mit Cedric als Frontman viral gehen. Supercedi recherchiert zum Beispiel erfolgreich Enkeltrick-Betrügern hinterher; tatsächlich konnte die Stadtpolizei Zürich dank der Unterstützung des Teams fünf Telefonkriminelle verhaften. Die Idee von «Izzy» ist easy und doch provokant: Das Team geht vor die Tür und fühlt dem Volk auf den faulen Zahn. Schild, ein Marketingtalent, sagt selbstbewusst: «Wir sind der ‹Kassensturz› der Strasse».
Ganz unwahr ist das nicht. In seinen Videos entlarvt seine Crew schon mal ein Pyramidensystem, das Menschen damit ködert, im Nu Multimillionär zu werden. Multimillionär-Lehrling Schild spielt dabei den Interessenten, das Team heuert gleichfalls an. Oder er bringt in einem Telefon-Stunt einen Angehörigen des Schweizer Militärs dazu, ihm als «Major Schild» geheime Akten zu schicken. Der Coup löste eine kleinere Staatsaffäre aus. Tief im Herzen und bewiesen mit einem Diplom, ist Zivilschützer Schild nicht nur Comedian, er ist ein ausgewiesener Journalist mit investigativem Biss.
Doch vor Erwartungen wird gewarnt. Sein erstes Bühnenprogramm heisst nicht zufällig «I de Videos bini lustiger». Die Aussage hat er einer Schweizer Influencerin geklaut, die mit ihrer Enttäuschung über den real existierenden Herr Schild nicht hinter dem Berg hielt. Zum Glück. Die Abturner-Ansage «I de Videos bini lustiger» wird dafür sorgen, dass Supercedi im Nachgang zu seinem Live-Debüt besagten Vorwurf nicht mehr hören muss. Und wenn er ihn hört, darf er antworten, er habe ja von sich selbst abgeraten.
Doch einer rät zu, vehement rät er zu, und es ist nicht irgendwer. Es ist Viktor Giacobbo. Man hat sich bei der Verleihung des Comedy Award an Schild kennengelernt, er ging auf den Jüngeren, der sein Enkel sein könnte, zu und meinte: «Mit deiner Fähigkeit, zu improvisieren, und mit deinem Talent für den Journalismus gehörst du vor ein Livepublikum».
Supercedi war supermotiviert und stellte eine derart sympathische erste Frage – «Hast du auch Lampenfieber?» –, dass es gematcht hat. Viktor Giacobbo führt zum ersten Mal die Regie beim Programm eines absoluten Bühnen-Newcomers. Inzwischen sind die beiden gute Freunde geworden, und Schild darf behaupten: «Ich arbeite mit den besten Menschen zusammen.» Nebst Giacobbo mit an Bord sind seine zwei «Izzy»-Co-Gründer Florian Scholl und Jonas Bayona.
Eineinhalb Jahre haben sie gearbeitet, Witze geschrieben und wieder verworfen. Am Donnerstag hat Supercedi ein Ziel: «Ich setze auf das Commitment, das junge Menschen, die vielleicht noch nie in einem Theater waren, sich die Zeit nehmen und an einem bestimmten Abend eine Hundsverlochete besuchen. Im besten Fall finden sie sie sogar geil. Das ist mein Goal, das ich platzieren will.»
Ich bin pro Militär, die Sache mit Major Schild war peinlich, aber sehr wichtig. Nur so können endlich Lehren gezogen werden.