Josy, du bist soeben zurück von der Paris Fashion Week. Wie wars?
Josy Le: Anstrengend. Ich habe die Show von Andrew GN gefilmt. Alleine. Da hat man schon ein bisschen was zu tun. Ich war jetzt zum zweiten Mal dort und für mich als Newcomer ist die Paris Fashion Week natürlich eine Riesensache.
Wie kommt es, dass ausgerechnet du, ein Ex-Bürogummi aus Opfikon ohne Kamera-Ausbildung, bei einem Fashion-Event landest, an den alle wollen, jeder Fotograf, jeder Filmer?
(Lacht) Ohne Beziehungen kommt man nicht rein. Ein Kollege von mir ist ein renommierter Modefotograf – und er nahm mich letztes Jahr mit. Ich erhielt eine Akkreditierung, bezahlte aber alles selbst, stellte mich vor und begann zu filmen. Die Leute da wussten nicht einmal, was ich genau mache. Zuhause schnitt ich dann einen Film zusammen und sendete ihn ohne Ambitionen ein. Zum Glück gefiel den Leuten meine Arbeit und ich erhielt eine Einladung für die nächste Show. Jetzt aber gegen Bezahlung.
Ist das der Weg? Zuerst mit Gratisarbeit auf sich aufmerksam machen, bis man gebucht wird?
Jein. Man muss definitiv auf sich aufmerksam machen – auf die Leute zugehen, aber gratis arbeiten muss man deswegen nicht. Auf meinen Reisen zum Beispiel frage ich immer wieder Hotels an, ob ich für sie etwas filmen soll. Den Anfragen lege ich ein paar meiner Arbeiten bei. Sehr oft lautet die Antwort dann «ja». Instagram sorgt für einen Werbefilmboom. Und so kann ich mir einen Teil meiner Reisen finanzieren.
Beginnen wir doch von vorne. In einem Vorgespräch hast du mir erzählt, dass alles mit einem Ferienfilm begann. Nun ist es aber so, dass viele Leute Ferienfilme drehen – und deswegen nicht gleich zu Filmemachern avancieren.
Es begann 2016 mit einer Reise durch den Westen der USA und Hawaii. Ich hatte vorher schon kurze 15-Sekunden-Filmchen gedreht. Doch bei dieser Reise gab es zum ersten Mal so etwas wie eine Planung für einen grösseren Film. Und ich hatte eine Drohne dabei. Am Ende schnitt ich den Film auf einem iPad und mit iMovie zusammen. Alles sehr amateurhaft.
Doch der Film kam an?
Ja. Ich zeigte ihn Freunden und postete ihn auf Instagram. Ich erhielt umgehend Anfragen für erste Shootings: Hochzeiten, Partys, Events – solche Sachen. Ich verlangte immer etwas Entlöhnung, aber nie viel. Das Geld, das ich damit verdiente, war mehr Taschengeld. Aber ich lernte viel und konnte mir eine Reputation erarbeiten. Mund-zu-Mund-Propaganda ist in dem Metier sehr wichtig. Ohne Vitamin B geht es nicht.
Aber vom Filmen hattest du zu Beginn keine Ahnung?
Nein. Das kam erst später. Ich habe auch heute keine formelle Ausbildung. Was ich weiss, habe ich von YouTube und anderen Online-Hilfen.
Damals warst du noch hauptberuflich Bürogummi im Backoffice.
Bis 2015 arbeitete ich als Key-Account-Manager für einen Maschinenbauteile-Zulieferer. Danach wechselte ich ins Familienunternehmen meiner heutigen Frau. Dort helfe ich im Sommer auch heute noch aus. Nicht aus finanziellen Gründen, aber zur Unterstützung.
Zum Däumchendrehen bleibt keine Zeit mehr. Aber ich habe mit der Filmerei mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich kann meine Kreativität jeden Tag ausleben und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschmelzen komplett.
Es ist eine Zufallskarriere – du hast sie nicht wirklich gesucht?
Nein. Das ist doch das Schöne im Leben. Manchmal ereignen sich Dinge unverhofft. Ich hatte einfach Freude am Filmen. Doch die Aufträge nahmen zu, wurden konkreter und professioneller. Die Professionalisierung kam schleichend und ebenso die Erkenntnis, dass die Filmerei tatsächlich mein Hauptberuf werden könnte. Bis Ende 2018 arbeitete ich noch 100 % im Familienbetrieb.
Und jetzt heisst es nicht mehr ins Büro nach Oerlikon, sondern ab in den Flieger ans Shooting.
Es ist schon etwas surreal. Letztes Wochenende war ich in Paris. Davor habe ich für Certina in Madrid gedreht und für einen Event im KDW in Berlin. Kürzlich war ich in Dubai und filmte mit Machine Gun Kelly. Es ist erfüllender als der Acht-Stunden-Tag im Büro. Auch wenn ein Dreh stressig ist und bedeutet, dass ich nachher wieder Stunden vor dem Schnittprogramm sitze. Nicht selten wird es zwei Uhr morgens, bis ich ins Bett gehe.
Das tönt ja fast alles wie ein modernes Märchen. Hast du bisher nichts Negatives erlebt?
Mir wurde einmal ein Objektiv gestohlen. In Oerlikon in einer Garage.
Und einmal flog ich mit der Drohne in einen Tempel.
In einen Tempel?
Das war in Myanmar. Ich versuchte einen Tempel zu umrunden, der gerade renoviert wurde, und rauschte mit der Drohne ins Gerüst. Dummerweise war die Anlage umzäunt. Ein Polizist sperrte die Baustelle dann auf. Natürlich nur gegen «Bezahlung». Dafür hatte ich die kaputte Drohne wieder.
Und wie geht es weiter?
Am Freitag drehe ich im Kaufleuten, am Samstag einen Werbespot und am Sonntag verfolge ich ein eigenes Projekt für die Milano Fashion Weeks.
Langweilig wird es nicht.
Wer Josy auf Instagram folgen will, findet ihn unter LeJozy. Viel Spass.