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Krisen-Spenden haben 2023 zugenommen – zuungunsten anderer Anliegen

Krisen-Spenden aus der Schweiz haben 2023 zugenommen – zuungunsten anderer Anliegen

25.12.2023, 09:3325.12.2023, 16:42
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Krisen wie der Krieg in der Ukraine und die Erdbeben in Syrien und der Türkei haben die Spendenbereitschaft in der Schweiz trotz steigendem Druck auf die Kaufkraft mobilisiert. Allerdings konzentrierten sich die Spenden auf diese Krisen – zuungunsten anderer Anliegen.

Ein Beispiel dafür zeigte die Stiftung Telethon auf, die sich der Unterstützung von Menschen mit seltenen genetischen Krankheiten widmet. Sie verzeichnete im Jahr 2022 einen Spendenrückgang um 30 Prozent und befürchtet, dass sich dieser Trend wegen der Krisen im 2023 weiter fortgesetzt hat, wie sie Anfang Dezember mitteilte.

«Die Medienberichterstattung kristallisiert sich um Katastrophen und Notfälle herum und es ist daher ganz natürlich, dass Spender dramatische Situationen unterstützen möchten», sagte Cristelle Burlot, Kommunikationsverantwortliche von Telethon Schweiz, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Laut Burlot gibt es einen «Wettbewerb» zwischen den verschiedenen zu verteidigenden Anliegen. Angesichts der Inflation, steigender Krankenkassenprämien und Mieten würden die Spendenwilligen genauer prüfen, wofür sie ihre Spenden tätigen.

Rekordspenden für die Ukraine

Mit der Mobilisierung für die Ukraine verzeichnete die Caritas im Jahr 2022 Rekordspenden. 44,8 Millionen Franken wurden 2022 gespendet. Im Jahr davor waren es 28,4 Millionen. Für 2023 wird mit Einnahmen von über 30 Millionen gerechnet. Bei Katastrophen in der Schweiz oder weltweit würden die Spenden deutlich ansteigen, sagte Caritas-Sprecher Fabrice Boulé zu Keystone-SDA.

Ähnliches berichtet die Glückskette: «Unsere Sammlungen sind punktuell und hängen von den aktuellen Ereignissen ab», sagte Sprecherin Corinne Bahiz auf Anfrage. Im Jahr 2022 brachte der Krieg in der Ukraine 134 Millionen Franken an Spenden ein, das zweitbeste Ergebnis seit der Gründung der Organisation. Im Jahr 2023 wurden für die Erdbeben in Syrien und der Türkei über 30 Millionen Franken gespendet.

Nach einem Spendenrekord mit über 80 Millionen Franken im Jahr 2022 rechnet auch das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) für das Jahr 2023 mit einem Rückgang der Spenden auf rund 45 Millionen Franken. Damit gleicht das Spendenniveau dem Jahr 2021, als rund 43,3 Millionen Franken gespendet wurden. Für das nächste Jahr hat die Organisation rund 40 Millionen budgetiert.

Der Ukraine-Konflikt hat auch beim Hilfswerk Helvetas zu einem Spendenrekord von 45,6 Millionen Franken geführt. Dies auch dank einer ausserordentlichen Erbschaft. Für 2023 rechnet Helvetas – trotz eines leichten Rückgangs der Spenden zugunsten der Ukraine – mit dem zweitbesten Ergebnis seiner Geschichte. Dies insbesondere, weil die Lage auf den Finanzmärkten der Stiftung geholfen hätten, hiess es auf Anfrage.

Spendenrückgang bei Entwicklungsarbeit

Die Aufmerksamkeit der Medien für die aktuellen Krisen habe zur Folge, «dass man der humanitären Nothilfe einen Vorteil verschafft, indem man die Zusammenarbeit fördert, was sich langfristig nachhaltig auswirkt», sagte Aude Marcovitch Iorgulescu, Medienverantwortliche bei Helvetas, zu Keystone-SDA. «Der Rückgang der Spenden zugunsten der Entwicklungszusammenarbeit beunruhigt uns aber sehr».

Auch Terre des hommes (TDH) berichtet auf Anfrage von den Auswirkungen der Weltwirtschaftslage auf die Spendenbereitschaft. Ausserdem beobachtet das Hilfswerk eine Veränderung in der Spender- und Unterstützerlandschaft. Nach einem starken Jahr 2021 sank bei TDH das Spendevolumen in den letzten zwei Jahren um rund sieben Prozent, wobei insbesondere die Zahl der regelmässigen Spenderinnen und Spender deutlich zurückging.

Die im humanitären Bereich tätigen NGOs seien mit wachsenden Bedürfnissen konfrontiert, betonte Anna Bertschy, Sprecherin von TDH. Weltweit gebe es bewaffnete Konflikte, Naturkatastrophen, Gewalt und Migration. Die Prioritäten würden dabei auf die Verteidigung oder den Wiederaufbau der Ukraine gelegt, sagte Bertschy. Die internationale Entwicklungszusammenarbeit im Rest der Welt werde vernachlässigt.

Die ökonomischen und politischen Unsicherheiten spiegeln sich auch in den Spenden für den Umweltschutz wider. Seit dem Frühling 2023 sind die Einnahmen der Umweltschutzorganisation WWF um rund vier Prozent zurückgegangen.

Und auch die Behindertenorganisation Pro Infirmis stellt fest, dass die Katastrophen im Jahr 2023 die Gelder auf Kosten der nationalen Projekte in Anspruch genommen haben. (sda)

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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bruno Meier (1)
25.12.2023 11:39registriert Juni 2018
Ich hatte früher an verschiedene Organisationen gespendet, heute sind es nur noch 2-3, dafür mit grösseren Beträgen.

Was mich stört, die Flut von "Bettelbriefen" und immer mit einem kleinen Präsent. Somit bin ich bereits "beschenkt" und es wird unterschwellig eine Erwartungshaltung mir gegenüber aufgebaut.

Wenn ich mir diesen Berg jedes Jahr ansehe, frage ich mich, wie viel geht in die Werbung und ins dafür benötigte Personal? Gibt es Organisationen, welche den vorgeschriebenen Teil zwar spenden, aber vor allem vom "Verwaltungsteil" leben, also es in erster Linie als Geschäft betreiben?
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Rivka
25.12.2023 10:18registriert April 2021
Vielen Dank an die Spender, die trotz angeknickter Wirtschaftlage, weiterhin für andere Länder gespendet haben❤️. Und was die Entwicklungshilfe angeht ich glaube vielen Leuten ist langsam aber sicher klar geworden, dass in gewissen Gebiete trotz jahrelanger Hilfe vom Westen, die Situation noch schlechter geworden ist. Noch schlimmer, dass die Hilfe anscheinend nicht an die richtige Adresse geht. Da fragt man sich dann natürlich schon wie lange noch spenden und dabei Warlords reich machen?
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