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Variante BJ.1: neue Corona-Variante gilt als «böse Kombination»

Diese neue Corona-Variante wird als «böse Kombination» bezeichnet

In Indien entdeckt, breitet sich die Variante BJ.1 nun auch in Europa und den USA aus, wenn auch noch in sehr geringem Ausmass. Mutationsforscher erklären, was das Problem mit dieser Variante sein könnte.
15.09.2022, 21:10
Bruno Knellwolf / ch media
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Die Corona-Situation ist im Moment zwar recht ruhig. Aber immer wieder erinnern Fachleute daran, dass eine neue gefährliche Variante diese Ruhe im Herbst und Winter stören könnte.

Jetzt warnt der Molekularbiologe Ulrich Elling in Wien vor der Variante BJ.1, die hauptsächlich in Indien auftritt, inzwischen aber auch in Europa, insbesondere in Österreich, und den USA aufgetaucht ist.

Der Mutationsforscher mit Wurzeln in Liechtenstein verweist auf Twitter dabei auf 14 Mutationen im Spike-Protein von Sars-CoV-2, die ihm Sorgen machen. Die vielen Mutationen treten dort gehäuft an den Stellen auf, die für die Antikörperbindung an die Zellen wichtig sind.

Mutationen an kritischen Stellen

Der Mutationsforscher Elling schreibt deshalb von einer besorgniserregenden Unterlinie der Omikron-Variante BA.2 und einer «bösen Kombination» von Mutationen an kritischen Stellen. Der Virenanalyst Richard Neher von der Universität Basel sagt:

«BJ.1 ist eine von mehreren Linien, die stark mutiert, aber selten sind. Ob oder gar welche dieser Linien am Ende erfolgreich sein werden, lässt sich nicht vorhersagen.»

Und zum Entstehen dieser Variante sagt der Mutationsforscher: «Viele Mutationen im Spike-Protein deuten auf Immunflucht hin.» Das würde bedeuten, dass sich der neue Subtyp BJ.1 dem mit Antikörper versehenen Immunsystem besser entziehen kann. Ob sich aber eine solche Variante dann auch wirklich stark ausbreite, sei deswegen nicht gesagt, erklärt Neher. Das hänge auch von anderen Faktoren ab, zum Beispiel von der intrinsischen Übertragbarkeit der Variante.

Noch gibt es nur sehr wenig nachgewiesene Fälle. Auch Mutationsforscher Elling kann nicht sagen, wie gefährlich diese Untervariante BJ.1 wirklich ist. Auch nicht, ob BJ.1 zu einer schnelleren Ansteckung oder weiteren Symptomen führen kann.

Partielle Immunflucht des Virus

Es gilt, zu beachten, dass Mutationen bei Sars-CoV-2 sehr häufig sind. Ausschlaggebend ist dafür der hohe Mutationsdruck. Weil immer mehr Menschen gegen Sars-CoV-2 immunisiert sind, muss sich das Virus stetig verändern, um zu überleben.

Richard Neher vom Biozentrum der Uni Basel:

«Die Evolution von Sars-CoV-2 ist nach wie vor ausgesprochen schnell und Varianten mit teilweiser Immunflucht werden wohl die nächste Welle dominieren. BJ.1 ist sicherlich eine Variante, die hier genau verfolgt werden muss. Aber nicht die einzige.»
Richard Neher, Biophysiker, Virenanalyst und Mutationsforscher am Biozentrum der Universität Basel.
Richard Neher, Biophysiker, Virenanalyst und Mutationsforscher am Biozentrum der Universität Basel.Bild: Biozentrum Unibas

Nur, weil es viele Mutationen gibt, müssen diese nicht automatisch auch gefährlich sein. Sorgen hat man sich letzte Woche auch wegen der Variante BA.2.75 gemacht. Diese scheint sich ausserhalb von Südasien aber kaum zu verbreiten. Warum das so ist, sei schwer zu sagen, erklärt Neher.

«Aber Indien hat durch die grosse Delta-Welle Anfang 2021 eventuell eine etwas andere ‹Antikörperlandschaft› als Europa. Bei uns wurde ja nur ein kleiner Teil der Bevölkerung mit Delta infiziert», sagt der Virenanalyst aus Basel.

Dies könnte gemäss Neher bedeuten, dass dort andere Varianten erfolgreich sind als bei uns. Das sei aber spekulativ. «Allerdings entwickelt sich BA.2.75 weiter und es gibt Sublinien, die sich eventuell auch ausserhalb von Südasien verbreiten.» Ob die neue Variante BJ.1 wirklich so gefährlich ist, wie einige Experten auf verschiedenen Kanälen sagen, wird sich also erst zeigen.

Zahlensalat: Viele Sars-CoV-2-Untervarianten, viele Namen

Bei den vielen Varianten, die laufend durch Mutationen entstehen, können deren Namen verwirren. Die Variante BJ.1 wurde zuerst in Indien entdeckt, als Unterlinie von BJ, die ursprünglich BA.2.10.1 hiess. Die nun aufkommende Variante BJ.1 ist somit die erste Sublinie von BJ, also genau genommen BA.2.10.1.1.

«Diese Umbenennung ist eine Standardprozedur, um immer länger werdende Zahlenkolonnen zu vermeiden», erklärt Richard Neher. Mitbeteiligt an der Namensgebung ist mit Cornelius Römer ein Mitarbeiter von Neher am Biozentrum der Uni Basel. Römer ist aktiv im «Cov-Lineages Consortium», das neue Varianten identifiziert.

Die Namensgebung ist automatisiert, sobald die Variante identifiziert ist, wird der Name anhand von Regeln definiert. Die Bezeichnung BJ.1 wird allerdings von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch nicht verwendet.

(aargauerzeitung.ch)

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27 Kommentare
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Upsidupsiwiederda
15.09.2022 21:57registriert März 2020
Böse Kombination klingt halt schon besser als ..schon wieder eine Mutation von der wir nicht wissen ob sie nun schlimmer ist oder nicht und ob sie sich verbreitet oder nicht.
Aber schön haben wir auch darüber gesprochen.
Gute Nacht allerseits .
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Hirni_iischaltä!
15.09.2022 22:55registriert September 2021
Schade, dass ein ganz natürlicher Vorgang immer wieder so unglücklich beschrieben wird: Es ist keine Frage von "sich verändern müssen". Die beobachteten, häufigen Veränderungen sind eine Konsequenz der Fehlerrate beim Kopieren des Virusgenoms (bei SARS-CoV-2 leider recht hoch). Erst in der Konfrontation neuer Varianten mit der realen Welt (d.h. Menschen, die schon Antikörper gegen bestimmte Varianten gebildet haben) zeigt sich, ob die neue Variante gute oder gar bessere Chancen auf Verbreitung hat oder nicht. Falls sie das hat, kann sich diese neue Variante ausbreiten. Reine Evolution.
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Sandlerkönig Eberhard
15.09.2022 21:33registriert Juli 2020
In den meisten europäischen Ländern werden die Menschen vermutlich andere Sorgen haben als eine Corona-Mutation.
Zum Beispiel wie sie Strom, Gas, Sprit oder Essen bezahlen sollen.
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