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«Die Ju-52 ist ein fliegendes Geschichtsbuch» – Erinnerungen eines Passagiers

«Ein Teil der Schweizer Luftfahrtsgeschichte, ein Teil der Schweiz» – Autor und Politiker Peter Brotschi erinnert sich an die «Tante Ju».  
«Ein Teil der Schweizer Luftfahrtsgeschichte, ein Teil der Schweiz» – Autor und Politiker Peter Brotschi erinnert sich an die «Tante Ju».  Bild: zvg/montage az

«Die Ju-52 ist ein fliegendes Geschichtsbuch» – Erinnerungen eines Aviatik-Experten

Der Grenchner Peter Brotschi ist Aviatik-Journalist, Buchautor und Politiker und flog mehrfach als Passagier in der «Tante Ju» mit, die gestern Samstag am Piz Segnas abgestürzt ist. Für die «Nordwestschweiz» erinnert er sich an dieses «fliegende Geschichtsbuch» zurück.
06.08.2018, 04:16
Peter Brotschi / Nordwestschweiz
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Das erste Erlebnis mit der Junkers Ju-52 war ein verpasster Mitflug. Früher war es üblich, dass die Aspiranten der Flieger und Flab Offiziersschule kurz vor der Brevetierung zum Leutnant mit der «Tante Ju» einen Flug machen durften.

Das Flugzeug war schon damals eine Legende: Neben unserem Ausbildungshangar in Dübendorf war die Halle 9, wo die Ju-52 noch heute eingestellt sind. Nicht selten standen ältere deutsche Herren an Maschendrahtzaun, schauten mit feuchten Augen auf die Flugzeuge und sagten uns Jungen, dass sie im Zweiten Weltkrieg mit der Ju-52 Tausende Stunden geflogen seien.

Nun, ich lag damals im Mai 1980, am Tag des langersehnten Fluges, mit einer starken Grippe im Krankenzimmer und sah meine Kameraden über die Kaserne hinweg starten …

Später, als sie ab 1983 als Zivilflugzeug flog, erhielt ich mehrere Gelegenheiten für einen Mitflug. Auch über unserer Gegend, als im August 2009 an einem Flugtag ab Olten zu Rundflügen gestartet wurde. Es war jedes Mal ein besonderes Gefühl, in den Wellblechrumpf der Tante Ju zu steigen.

Dieses Foto von Peter Brotschi zeigt den Passagierraum der «Tante Ju
Dieses Foto von Peter Brotschi zeigt den Passagierraum der «Tante JuBild: zvg

Wenn die drei BMW-Sternmotoren auf Startleistung hochdrehen, erhöht sich der Puls auch bei flugerfahrenen Menschen. Und stets eine Freude, mit welch sichtbaren Emotionen die Mitpassagiere den Flug im Oldtimergenossen.

Die Ju-52 ist für mich ein fliegendes Geschichtsbuch. Als Mensch, der eine Affinität für Geschichte und Geschichten hat, schloss ich während der Flüge manchmal die Augen, spürte die Vibrationen und hörte das sonore Brummen der Motoren.

Rettungseinsatz nach Flugzeugabsturz der «Tante Ju» in Flims

Die Bergungsarbeiten in Flims nach dem Absturz der JU52 HB-HOT der JU-AIR laufen. Hier landet ein Rettungshelikopter beim Stützpunkt der Feuerwehr Flims. Auch ein Armeehelikopter ist im Einsatz (rechts). Video: © az/Patrik Müller

Dann sah ich General Guisan, wie er die Ju-52 während des Krieges oft als Reisemittel benutzte. Oder die Bordmechaniker, wie sie während des Lawinenwinters 1951 den eingeschneiten Bergbauern Hilfsmaterial und Heuballen aus der Luke warfen. Oder die Fallschirmgrenadiere der ersten Stunde, wie sie mit ihren Rundkappenschirmen aus der «Tante Ju» ausstiegen.

Die Ju-52 ist nicht nur ein Teil der Luftfahrtgeschichte. Sie ist seit vier Generationen ein Teil der Schweiz. Der Unfall erschüttert mich tief. Den Opfern und ihren Angehörigen gehört mein tiefstes Beileid und Gebet. 

Die Geschichte der «Tante Ju»

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Die Geschichte der «Tante Ju»
Am Piz Segnas oberhalb von Flims in Graubünden ist am 4. August 2018 ein mehrplätziges Flugzeug abgestürzt. Beim Flugzeugtyp handelt es sich um eine Junkers Ju-52, ein Oldtimer, der in den 1930er in Deutschland entwickelt und bis Anfang der 1950er Jahre gebaut wurde. (Bild: ju-air.ch)
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