Auf dem Foto hält ein Mann mehrere dicke Bündel von Euro-Scheinen in der Hand, weitere liegen vor ihm im Auto. Das Bild wurde vor zwei Jahren auf einem albanischen Facebook-Konto gepostet. Der Kontoinhaber trägt den Namen eines der drei leitenden albanischen Mafiosi, die gemäss albanischen Staatsanwälten in Luzern ihr Unwesen trieben.
Am Wochenende nahm die albanische Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption und organisierte Kriminalität (SPAK) zwei der mutmasslichen Bandenchefs fest. Die Vorwürfe: Drogenhandel, Geldwäsche und Bildung einer kriminellen Organisation.
Der dritte und ranghöchste im Bunde war bereits im September 2024 von der Bundesanwaltschaft in der Schweiz festgenommen worden. Zusammen mit fünf weiteren Personen, die im Verdacht stehen, ein Luzerner Reisebüro als Drehscheibe für Drogengeldwäscherei und Drogenhandel benutzt zu haben. Die Bande soll Millionen über das auf Vertrauen basierende Hawala-Geldtransfersystem nach Albanien geschleust haben.
In Albanien ist die Bande ein grosses Thema, albanische Medien berichten ausführlich. Die drei Männer, die von der albanischen Staatsanwaltschaft beschuldigt werden, sind in Tirana mehr oder weniger bekannte Akteure:
In der Schweiz sitzt der Mann (47) in Haft, der laut der albanischen Sonderstaatsanwaltschaft der Anführer der kriminellen Organisation ist. Er war laut den Ermittlungen immer wieder in der Schweiz, besuchte das Reisebüro in Luzern.
Einen Teil des Drogengeldes habe er in Tirana in Bars und anderen Geschäften gewaschen, berichten albanische Medien. Er sei der Sohn eines bekannten kosovarischen Geschäftsmannes (75) in Tirana, der aufgrund einer früheren Tätigkeit gute Beziehungen zu den USA hat. Laut einer albanischen Publikation soll der Vater sogar der Boss der Organisation sein, die eine Art Familienunternehmen sei. Sicher ist: Der Vater gehört zumindest aktuell nicht zu den Beschuldigten im Verfahren. Aber diese Affäre könnte sich noch ausweiten.
Der Schweiz-Chef hielt sich für unantastbar. In einem Gespräch im Jahr 2023, das von Schweizer Ermittlern abgehört wurde, sagte er zu einem Bandenmitglied in Luzern: «Wir können nie von der Polizei verhaftet werden, weil wir hinterlassen keine Spuren. Alles sind unsere Leute. (...) Unseren Leuten können wir vertrauen. Verstehst du?»
Ebenfalls in Luzern war offensichtlich der zweite Verhaftete, bei dem es sich um den Cousin des Schweiz-Chefs handeln soll. Schon 2012 finden sich in sozialen Medien Erinnerungsfotos, die mutmasslich diesen Mann in Luzern zeigen, unter anderem vor der Kapellbrücke. Auf Facebook ist der Kapellbrücken-Tourist verbunden mit dem seit September 2024 inhaftierten Sohn des Luzerner Reisebüroinhabers.
Einem Beschwerdeentscheid des Bundesstrafgerichts in Bellinzona ist zu entnehmen, dass der Cousin unter anderem mit dem Ankauf und Export von Autos aus der Schweiz nach Albanien zu tun hatte – gemeinsam mit dem einflussreichen und international vernetzten Vater des Schweiz-Chefs.
Dieser Mann sitzt, wie der Cousin, seit ein paar Tagen in Albanien in Haft. Er ist laut albanischen Medien «der wichtigste Verbündete» dieser Familienmafia, soll bekannter Komplize des Schweiz--Chefs sein. Er sei vor Jahren bereits als Chef eines Kokainrings aufgeflogen, aber komischerweise straflos geblieben. Das sieht nach Protektion aus.
Der angebliche Kokain- und Geldschieber betreibt in Tirana eine Wechselstube und ein Reisebüro, er besitze auch mehrere Kühlhäuser. Auch eine Autovermietung findet man auf seinen Namen. Albanische Medien meinen, dass er es sei, der das Schwarzgeld aus der Schweiz nach Albanien transferiere. Das Geldgeschäft des Schiebers sei denn auch mit einem bekannten albanischen Geldtransaktionsunternehmen verbunden.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft griff im September 2024 zu. Sie führte mehrere Hausdurchsuchungen in Basel und Luzern durch und verhaftete sechs Personen, unter ihnen eine Frau.
Bei den Verhafteten handelte es sich neben dem Schweiz-Chef um drei Mitglieder der Familien, die das Reisebüro in Luzern, Basel und Pristina betrieben. Die Frau war Mitarbeiterin im Reisebüro und offenbar die Freundin des Inhabers. Der sechste Verhaftete war Geldkurier, dessen Rolle noch nicht völlig geklärt scheint. Er war zusammen mit dem Cousin und dem Vater des Schweiz-Chefs auch im Autohandel mit Albanien tätig.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft arbeitet in diesem Fall eng mit der albanischen Sonderstaatsanwaltschaft zusammen. Sie führt laut eigenen Angaben ein Strafverfahren «gegen mehrere natürliche Personen sowie gegen Unbekannt» wegen Verdachts auf Unterstützung oder Beteiligung an einer kriminellen Organisation, Geldwäscherei und Drogenhandel.
Es gilt die Unschuldsvermutung.
Der Eisberg unter der Spitze wird riesig sein.