Varizellen, auch Windpocken oder Wilde Blattern genannt, werden durch das Varizella-Zoster-Virus ausgelöst und sind weltweit verbreitet. Die Windpocken sind hoch ansteckend und werden vorwiegend über Tröpfchen von Mensch zu Mensch übertragen. Eine infizierte Person kann zehn bis zwölf Menschen anstecken. Windpocken führen zu leichtem Fieber und roten Flecken, die sich oft über den ganzen Körper verteilen und juckende Bläschen bilden.
«Windpocken sind häufig relativ harmlos, aber extrem lästig. Es gibt aber auch schwere Verläufe und Komplikationen», sagt Anita Niederer, Infektiologin am Ostschweizer Kinderspital. Gerade in diesem Jahr seien im Kinderspital überdurchschnittlich viele schwerwiegende Windpocken-Fälle behandelt worden. Meist sind das bakterielle Super-Infektionen, es können aber auch andere Komplikationen wie beispielsweise Gefässentzündungen vorkommen. Gemäss dem BAG sterben von 100'000 infizierten Kindern zwei an den Folgen von Windpocken.
Viel gefährlicher als bei Kindern. In der Schweiz erkranken jährlich etwa 3000 Erwachsene über 16 Jahre an Windpocken, durchschnittlich müssen etwa 140 deswegen hospitalisiert werden, weil sie an Hirn- oder Lungenentzündungen leiden. Von 100'000 erwachsenen Infizierten sterben 30 Menschen. Je älter jemand ist, desto häufiger sind schwerwiegende Komplikationen. Die Varizella-Zoster-Viren lagern sich nach einer Infektion in den Nervenzellen des Rückenmarks ein, wo sie das ganze Leben bleiben. Bei einem Drittel der an Windpocken erkrankten Menschen verursachen diese Viren im späteren Leben Gürtelrose, wenn das Immunsystem schwächelt.
Nein. «Die gibt es schon seit Jahrzehnten. Sie ist schon seit vielen Jahren im Schweizer Basis-Impfplan drin», sagt die Kinderärztin Anita Niederer. Bis jetzt galt die Impf-Empfehlung allerdings nur für Kinder, welche bis zum Alter von elf Jahren keine Windpocken hatten. Seit Januar 2023 empfiehlt die Eidgenössische Impfkommission und das BAG nun, alle Kinder zu impfen, um damit irgendwann eine Herdenimmunität gegen Varizellen zu erreichen. Diese wird nach einigen Jahren bis Jahrzehnten und einer 80- bis 90-prozentigen Immunität der Bevölkerung erreicht. Der Impfstoff gehört beispielsweise in den USA schon seit 1996 zu den Standard-Impfungen. In 45 Ländern wird die Varizellen-Impfung schon seit vielen Jahren empfohlen.
Die Impfung gegen Varizellen wird mit zwei Dosen als Basisimpfung für alle Säuglinge im Alter von 9 und 12 Monaten empfohlen. Die Impfung soll mit einem kombinierten MMRV-Impfstoff erfolgen, der gegen vier Krankheiten schützt: Masern, Mumps, Röteln und Varizellen. Ausserdem wird eine Nachholimpfung gegen Varizellen allen im Alter zwischen 13 Monaten und 39 Jahren empfohlen, die bislang noch nicht an Varizellen erkrankt sind und die noch nicht insgesamt zwei Impfdosen erhalten haben.
Zwar gebe es eine Zunahme des Risikos für kompliziert verlaufende Varizellen-Erkrankungen. Das sei aber nicht der Grund für die neue Empfehlung, sagt Christoph Berger, Chefarzt Infektiologie am Universitäts-Kinderspital Zürich und Präsident der Eidgenössischen Impfkommission. Für die Änderung des Impfplans haben andere Gründe gesprochen. Zum einen die Verfügbarkeit von MMRV-Impfstoffen mit dauerhaftem Schutz nach zwei Dosen. Diese Impfung wirkt zu 92% gegen Varizellen und zu 98% gegen schwere Verläufe. Neu empfohlen wird die Impfung auch, weil es keine Zunahme des Gürtelrose-Risikos bei Erwachsenen nach Einführung der Kinderimpfung gibt. Zudem besteht gemäss Berger so die Möglichkeit, die Krankheitslast komplizierter Windpocken bei vulnerablen Kindern und Erwachsenen, die nicht geimpft werden können, zu reduzieren. Weil diese weniger durch andere angesteckt werden.
Mit der Impfung wird zudem das Gürtelrose-Risiko deutlich gesenkt. Zudem werden auch die indirekten Kosten der Windpocken reduziert. «Wenn ein Kind eine Woche krank ist, haben Eltern heute oft Probleme mit der Betreuung. Das kann man mit einem kleinen Aufwand, mit einer sicheren, etablierten Impfung verhindern», sagt Niederer.
«Im Gegenteil. Das Durchmachen der Erkrankung hat zum ersten ein Komplikations-Risiko, die Impfung nicht. Zweitens ist das Herpes Zoster-Risiko, die Gürtelrose, ohne Impfung viel höher», sagt Niederer. Jeder Dritte, der Windpocken durchgemacht hat, trägt das Risiko, an Gürtelrose zu erkranken. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko.
Kurzfristig kann es mit der vierfachen Impfung zu Fieber kommen. Das sei aber insgesamt selten und kommt vor allem nach der ersten Dosis vor, sagt Niederer. Allfälliges Fieber nach der Impfung stellt auch im Alter von 9 Monaten kein zusätzliches Risiko dar. «Fieber ist eine Reaktion, die zeigt, dass das Immunsystem des Kindes den Impfstoff verarbeitet, was aber ungefährlich ist», sagt die Infektiologin vom Ostschweizer Kinderspital.
Wer in unseren Breitengraden aufgewachsen ist, hat Windpocken mit 98 Prozent Wahrscheinlichkeit durchgemacht. Wer infiziert war und sich trotzdem impft, geht kein Risiko ein. «Wenn jemand schon Antikörper gegen das Varizella-Zoster-Virus im Körper hat, wird das Impf-Virus neutralisiert und wieder ausgeschieden», sagt Niederer. «Die Impfung schadet nicht, aber nützt dann auch nichts. Alternativ kann man in einzelnen Spezialfällen die Antikörper messen», sagt Berger.
Ja. «Die Impfung ist die Primärprävention von Gürtelrose. Das stark abgeschwächte Impfvirus macht viel, viel weniger Gürtelrose als bei Personen, die Varizellen gehabt haben», sagt der Infektiologe Berger. Das Gürtelrose-Risiko entsteht mit der Infektion mit Varizellen. Kinder, die sich heute gegen Windpocken impfen lassen und deshalb ohne Varizellen bleiben, haben somit ein deutlich vermindertes Risiko für eine spätere Gürtelrose. Die müssen sich wahrscheinlich dann in 60 Jahren als Seniorin oder Senior auch nicht gegen Gürtelrose impfen.
Nein. Unser Immunsystem muss jede Minute mit unzähligen Fremdstoffen und Antigenen umgehen. Schon in den ersten Lebensstunden wird unser Darm mit Milliarden von Bakterien besiedelt, die alle potenziell gefährlich sind. Könnte das Immunsystem nicht gleichzeitig mit mehreren Hunderttausenden oder noch mehr Antigenen umgehen, würden wir nicht überleben. Ob nun Antigene von zehn oder elf Impfungen dazu kommen, spielt nach Anita Niederer überhaupt keine Rolle. «Das Problem ist die Wahrnehmung, weil das mit der Spritze gemacht wird. Aber von der Belastung des Immunsystems aus betrachtet, ist das nichts», sagt Niederer. Auch Berger sagt: «Es ist überhaupt kein Problem, sich gegen verschiedene Krankheiten impfen zu lassen, wenn es wie in den genannten Fällen eine gute Impfung ist.»
Denn wie im Artikel erwähnt, zieht hier die Schweiz leider mal wieder mit krasser Verspätung nach. Und die vorgebrachten Argumente erklären halt nicht, wieso mans nicht schon früher gemacht hat: Ist z.B. sicher nett, dass es jetzt ne Dosis weniger braucht, aber 3 Dosen sind bei zig anderen Impfungen auch üblich, war klar das die Impfung nicht Gürtelrose auslöst & Punkt 3 mit Kinderbetreuung...na ja.
Aber eben, positiv!
Jetzt wär noch ne Empfehlung für die Gürtelroseimpfung nett (ist ein anderer Wirkstoff) für uns ältere Durchgeseuchte.