Der Fall Windisch wühlt über die Kantonsgrenzen auf. Auch wenn dieser aufgrund der Umstände speziell ist: Zwischennutzungen gibt es aktuell vielerorts. Die Behörden suchen intensiv nach Wohnraum für Asylsuchende und Geflüchtete. Da kommen Gebäude gelegen, die beispielsweise wegen eines geplanten Umbaus vorübergehend leer stehen.
Bis ein Bauprojekt starten könne, gebe es nicht selten eine Zeitspanne von ein paar Monaten, sagt Jörg Kündig, Vizepräsident beim Schweizerischen Gemeindeverband und Präsident des Verbands der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich. «In einer solchen Phase kann es interessant sein für die Gemeinden, die Objekte befristet zu mieten.»
Zwischennutzungen bieten sich beispielsweise an, wenn ein Gebäude abgerissen oder saniert wird. Im besten Fall nützt diese beiden Seiten: Eigentümern und Mietern. Sie können aber auch ein Businessmodell sein - je nach Mietzins.
Doch weshalb setzen Eigentümer überhaupt auf Zwischennutzungen, wenn sie wissen, dass eine Liegenschaft abgerissen wird? Immobilienexperte Donato Scognamiglio sagt, professionelle Eigentümer würden die Mieterinnen und Mieter jeweils frühzeitig über einen Abriss informieren. Wenn diese dann nach und nach ausziehen, könne der Eigentümer die leer stehenden Wohnungen befristet vermieten, beispielsweise an jemanden, der kurzfristig eine Übergangslösung sucht. «Das ist für den Eigentümer interessant, da er für die Wohnung noch eine Miete generiert – wenn auch oft eine tiefere, da er dem Mieter entgegenkommen muss», sagt der Experte.
Befristete Mietverträge haben für Immobilienbesitzer, die ein Bauvorhaben planen, zudem einen Vorteil: Sie wissen sicher, wann die Mieterinnen ausziehen. Wenn ein Mietvertrag im Hinblick auf ein Bauvorhaben befristet ist, ist eine Erstreckung von Gesetzes wegen ausgeschlossen, wie der Hauseigentümerverband erklärt. Bei unbefristeten Mietverträgen können Mieter eine Kündigung anfechten - und so unter Umständen durch eine Erstreckung das Mietvertragsende herauszögern.
Wie überall gibt es auch in diesem Markt einige, welche aus der Situation Profit schlagen wollen. Experte Scognamiglio sagt, er kenne ein Objekt im Aargau, bei dem ein abbruchreifes Gebäude zu einem Preis ersteigert worden sei, der nur noch dem Landwert entspreche, und anschliessend als Asylunterkunft an die Gemeinde vermietet worden sei.
In solchen Fällen bestehe der Verdacht, dass die Eigentümer eine übermässige Rendite erhalten würden. «Wenn die Behörden mehr Miete zahlen als auf dem normalen Markt erzielt würde, muss man sich die Frage stellen, ob nicht ein übermässiger Betrag gefordert wird.» Beim von Scognamiglio erwähnten Fall handelt es sich um ein Haus in Hägglingen, über das die SRF-«Rundschau» vergangenen November berichtet hatte.
Auch wenn die Behörden derzeit um jede Unterkunft froh sind, findet Scognamiglio: «Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss trotzdem stimmen. Sonst steht der Verdacht im Raum, dass jemand die Notsituation ausnutzt.»
Wie viel die Behörden bei solchen Zwischennutzungen als Asylunterkünfte zahlen, ist laut Jörg Kündig, Vizepräsident beim Schweizerischen Gemeindeverband, unterschiedlich: «Die Miete ist immer Verhandlungssache.» Die Gemeinden seien bestrebt, gute Lösungen zu finden, auch finanziell.
Welchen Betrag der Kanton Aargau im Falle der umstrittenen Gebäude in Windisch bezahlt, ist nicht bekannt: Mietverträge seien grundsätzlich nicht öffentlich, teilt das Departement für Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau mit.
Doch nicht nur bei Zwischennutzung stellt sich die Frage des Profits. Am Freitag berichtete die Zeitung «Bund» über einen Fall in der Berner Gemeinde Wohlen: Diese vermietete eine Wohnung für 807 Franken an das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) des Kantons Bern, welche es weitervermietete an einen anerkannten Flüchtling – für 1964 Franken. Ein happiger Aufschlag.
Offenbar ist das eine Ausnahme: Die Organisation und der Kanton erklären übereinstimmend, die durchschnittliche Marge bei den insgesamt 160 Wohnungen des SRK Kanton Bern in der Region Bern-Mittelland liege bei 25 Prozent. Es strebe keine Gewinnerzielung an, betont das SRK Kanton Bern, sondern decke damit die Aufwände und Risiken. Der Kanton will nun aber eine Vorgabe zur maximalen Höhe der Aufschläge machen.
Wie Zwischennutzungen beiden Seiten dienen können, zeigt das Beispiel des Hotels Gurnigelbad im Gantrischgebiet. Die Firma Bernapark AG hatte das geschlossene Hotel 2021 gekauft und wollte es eigentlich sanieren sowie das Areal weiterentwickeln. «Dabei mussten wir jedoch feststellen, dass diese Entwicklung ohne Verbesserung der Erschliessung mit dem ÖV nicht möglich sein wird», erklärt Geschäftsführer Ivo Sonderegger.
Als der Kanton Bern und die Gemeinde Riggisberg anfragten, ob das Hotel während fünf Jahren als Asylunterkunft genutzt werden könnte, sagte Bernapark zu. Dadurch stehe das Gebäude nicht leer, man erhalte Einnahmen zur Deckung der Unterhalts- und Nebenkosten und leisten einen Beitrag für die Allgemeinheit, zählt Sonderegger die Vorteile auf. Und für den Kanton stehen dadurch innert kurzer Zeit und ohne teure Umrüstung bis zu 220 Plätze zur Verfügung – Plätze, die derzeit sehr gesucht sind.
(bzbasel.ch)