Schweiz
Mobilität

Koffer-Chaos am Flughafen – Swissport und Gewerkschaften streiten weiter

Angestellte des Flugzeugabfertigers Swissport protestieren am Samstag, 23. Juli 2022 am Flughafen Zuerich Kloten gegen die schlechten Arbeitsbedingungen bei der Bodenabfertigung. Das Bodenpersonal for ...
Ende Juli protestierten rund 200 Swissport-Angestellte am Flughafen Zürich mit einem Pfeifkonzert und Buh-Rufen gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Bild: keystone

Koffer-Chaos am Flughafen herrscht weiter – auch nach den Sommerferien

Am Flughafen Zürich stauen sich Koffer, obwohl Angestellte zusätzliche Nachtschichten schieben. Es fehlt an Personal. Doch die Gewerkschaften und Swissport werden sich nicht einig.
20.08.2022, 06:1821.08.2022, 07:35
Mehr «Schweiz»

Das wünscht sich niemand: Nach einer langen Reise am Flughafen Zürich anzukommen und dann vergeblich bei der Gepäckausgabe auf den Koffer zu warten.

Genau das passiert derzeit aber vielen Passagieren, die von den Sommerferien in die Schweiz zurückkehren. Weil ausländische Flughäfen die grossen Gepäckmengen nicht bewältigen können, bleiben viele Koffer am Abflugort liegen. Sie müssen nachgeschickt werden – und kommen oft erst viele Tage später in Zürich an.

Was für die Passagiere unerfreulich ist, bedeutet auch für die Angestellten der Firma Swissport in Zürich Stress und Mehraufwand. Sie sind verantwortlich für die Gepäckabfertigung und müssen die nachgesandten Koffer aus dem Ausland erfassen, sortieren und zwischenlagern. Per Kurierdienst werden die Gepäckstücke danach an ihre Empfänger ausgeliefert.

Dass es während Hochbetriebszeiten wie den Sommerferien zu solchen Störungen in der Gepäckabfertigungs-Kette kommt, ist kaum zu verhindern. Doch wer derzeit am Flughafen Zürich ist, staunt nicht schlecht, denn: In der ganzen Gepäckausgabe-Halle stehen zwischen den Rollbändern, entlang den Wänden, überall dort, wo noch Platz ist, Unmengen an Koffern. Es müssen Hunderte sein. Auf Wägen, übereinandergestapelt, mit dem Ankunftsdatum beschriftet. Diese reichen bis zu zehn Tage zurück.

Einer von mehreren Gängen am Flughafen Zürich, der mit nachgesandtem Gepäck vollgestellt ist.
Einer von mehreren Gängen am Flughafen Zürich, der mit nachgesandtem Gepäck vollgestellt ist.bild: watson

Nathalie Berchtold, Swissport-Sprecherin, bestätigt den Eindruck: «Es sind rund fünfmal mehr Gepäckstücke als vor der Pandemie, die derzeit nicht mit den Passagieren in Zürich ankommen.» Im Juli seien rund 5000 Gepäckstücke aus dem Ausland an den Flughafen Kloten nachgesandt worden.

«Viele Leute sind ohnehin schon am Limit mit ihrer Energie und nicht erpicht darauf, noch mehr zu arbeiten.»
Regula Pauli, Gewerkschaftssekretärin des Verkehrspersonals SEV

Bei Swissport erklärt man den grossen Kofferrückstau mit dem erhöhten Flugvolumen, einer Häufung an Verspätungen und Infrastrukturproblemen. Berchtold sagt: «Sicherlich haben auch Bodenverkehrsdienstleister wie Swissport ihren Anteil an den aktuellen Problemen. Doch viele Probleme liegen ausserhalb unseres Einflussbereichs.» Zum Beispiel Unregelmässigkeiten wie kurzfristige Flugannulationen, Umbuchungen, kurze Umsteigezeiten an Transitflughäfen oder Personalengpässe an ausländischen Flughäfen.

Das sieht Regula Pauli, Gewerkschaftssekretärin des Verkehrspersonals SEV, etwas anders. Auch in Zürich fehlt es an Personal. «Der Flughafen Kloten ist zwar nicht Treiber des Koffer-Chaos. Aber Swissport ist aufgrund von Personalmangel nicht in der Lage, das Problem in nützlicher Frist zu lösen und die Gepäckstücke nachzuschicken.»

Um die grosse Gepäckmenge verarbeiten zu können, müssten die Swissport-Angestellten Nachtschicht schieben. «Doch viele Leute sind ohnehin schon am Limit mit ihrer Energie und nicht erpicht darauf, noch mehr zu arbeiten», sagt Pauli.

«Die Branche als Ganzes muss sich den aktuellen Herausforderungen stellen und Lösungen finden.»
Nathalie Berchtold, Swissport-Sprecherin

Seit Wochen brodelt es bei den Swissport-Angestellten in Zürich. Das Bodenpersonal am Flughafen klagt über schlechte Arbeitsbedingungen. Während der heissen Phase der Pandemie habe sich die Situation noch mehr verschärft, heisst es. Ende Juni kündeten die Gewerkschaften den Gesamtarbeitsvertrag (GAV) mit Swissport auf, weil sich die Firma weigerte, vom Krisen-GAV während der Pandemie zum regulären GAV zurückzukehren. Ende Juli protestierten rund 200 Angestellte am Flughafen Zürich mit einem Pfeifkonzert und Buh-Rufen gegen schlechte Arbeitsbedingungen.

In der Luftfahrt seien viele verschiedene Dienstleister als Partner in einem komplexen Ökosystem miteinander verbunden, erklärt Swissport-Sprecherin Berchtold. «Die Branche als Ganzes muss sich den aktuellen Herausforderungen stellen und Lösungen finden.» Dennoch wurde erkannt, dass noch mehr Personal benötigt wird. Nachdem bereits über 500 Mitarbeitende im 2022 angestellt wurden, sollen zusätzliche 150 Mitarbeitende bis Ende 2022 bei Swissport am Flughafen Zürich aufgebaut werden.

Für die Gewerkschafterin Pauli ein optimistisches Unterfangen. Sie bezweifelt, dass es realistisch ist, so viele Leute zu finden, die dann auch tatsächlich bleiben. Denn viele würden unter den jetzigen Arbeitsbedingungen schnell ausbrennen und das Unternehmen wieder verlassen. Sie findet: «Swissport muss mit einem neuen GAV auf 2023 darauf hinarbeiten, dass dem jetzigen Personal Sorge getragen wird. Damit sie nicht künden und motiviert arbeiten. Es ergibt wenig Sinn, unter denselben schlechten Bedingungen neue Leute anzustellen.»

Wie es mit dem GAV weitergeht, wird derzeit zwischen Gewerkschaften und Swissport ausgehandelt. Am Freitagnachmittag fand ein erstes Treffen statt. Mit enttäuschendem Ausgang, wie Pauli sagt. «Swissport hat uns ein Angebot gemacht, bei welchem wir selbst in drei Jahren nicht zum alten GAV 19 zurückkehren würden.» Das habe man zurückgewiesen und ein letztes Entgegenkommen unterbreitet. Die nächste Verhandlungsrunde findet Mitte September statt.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
22 Dinge (und Leute), die dir am Flughafen begegnen könnten
1 / 24
22 Dinge (und Leute), die dir am Flughafen begegnen könnten
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Hund flieht vor Flughafenpersonal – es gibt nur einen Gewinner
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
42 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
N. Y. P.
20.08.2022 06:57registriert August 2018
Würde hier jemand für 4000.- Brutto (nicht Netto) pro Tag 7 - 10 Tonnen Gepäck herumlüpfen?

Wohl eher nicht.
917
Melden
Zum Kommentar
avatar
C aus B
20.08.2022 06:57registriert November 2019
Dass Koffer verspätet ankommen hat oft nichts mit dem Flughafen Zürich zu tun, aber mit der Abfertigung des Ursprungsflughafen. Hatte auch Probleme bei der Ankunft, aber die Swissport mitarbeiter waren super freundlich, hilfsbereit und der Koffer wurde bald nachgeliefert. Ich hoffe, das Problem mit den Arbeitsbedingungen kann gelöst werden.
427
Melden
Zum Kommentar
avatar
MasterJ
20.08.2022 09:28registriert Mai 2021
Schickt die Manager mal dort eine Woche lang Arbeiten. Die werden 100% nicht mal einen halben Tag durchhalten. Es sollte Gesetzt sein das jeder der Manager in der Schweiz sein will mindestens 1 Woche in jeder Abteilung Arbeiten muss um die Arbeiten selber zu erleben. Und bei Entscheidungen sollen sie in die Abteilungen Arbeiten für eine Woche bei gleichem Gehalt wie der Durchschnittsarbeiter der betreffenden Abteilung.
223
Melden
Zum Kommentar
42
Parlament ist gegen Beitritt der Schweiz zu Uno-Migrationspakt

Die Schweiz soll dem 2018 verabschiedeten Uno-Migrationspakt nicht beitreten. Dafür hat sich nach dem Ständerat auch der Nationalrat ausgesprochen. Mit 124 zu 66 Stimmen genehmigte die grosse Kammer am Donnerstag einen entsprechenden Bundesbeschluss.

Zur Story