Windturbinen sollen nicht mehr in Wäldern gebaut werden dürfen. Und über Windkraft-Projekte soll die Bevölkerung der betroffenen Region abstimmen müssen. Das verlangen zwei Volksinitiativen. Die Bestimmungen sollen rückwirkend angewendet werden.
Hinter den Initiativen steht die Vereinigung Freie Landschaft Schweiz. Sie sollen am (morgigen) Dienstag offiziell lanciert werden. Die Initiative «gegen die Zerstörung unserer Wälder durch Windturbinen (Waldschutz-Initiative)» verlangt, dass Windkraft-Anlagen nur noch ausserhalb von Wäldern stehen dürfen.
In Wäldern und auf Waldweiden, deren Bestockung dichter als 30 Prozent ist, sollen keine Turbinen ab 30 Metern Gesamthöhe erlaubt sein. Von einer Waldweide sei die Rede, wenn über 80 Bäume auf der Fläche eines Fussballfeldes stünden, sagte Elias Vogt, Präsident von Freie Landschaft Schweiz, am Montag in Bern vor den Medien.
Ein Bauverbot für ab 30 Meter hohe Turbinen soll zudem in Gebieten mit weniger als 150 Meter Distanz von Wäldern oder Waldweiden gelten. Wälder seien Inseln in der von Menschenhand veränderten Umwelt, sagte die Freiburger FDP-Grossrätin Antoinette de Weck, Vizepräsidentin von Freie Landschaft Schweiz.
Ebenso seien Wälder Erholungsgebiete und wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Die Ausbeute der Windturbinen in Wäldern sei tief, sagte Martin Maletinsky, Präsident von Freie Landschaft Zürich. Die Folgen eines Bauverbots im Wald und nahe von Wäldern für die Stromproduktion seien daher gering.
Die zweite Initiative «für den Schutz der direkten Demokratie bei Windparks (Gemeindeschutz-Initiative» verlangt, dass die Standortgemeinde in einer Abstimmung dem Bau von Windturbinen ab 30 Metern Gesamthöhe zustimmen muss. Abstimmungen muss es auch in von der Anlage besonders betroffenen Nachbargemeinden geben.
Gemäss dem Initiativtext müssen die Projektunterlagen Auskunft geben über einzelne Standorte, die Dimensionen der Anlage, die Erschliessung und auch wesentliche Auswirkungen der Anlagen. Charlotte Blank, Gemeinderätin von Hemishofen SH, schilderte den Medienvertretern den jahrelangen Kampf ihres Dorfes gegen vier Windturbinen in einem Waldgebiet in der Nähe des Ortes.
«Es entspricht nicht unserem Demokratieverständnis, dass unser Souverän kein Mitspracherecht hat bei dem einschneidenden Projekt, aber sämtliche Folgen davon zu tragen hat», sagte Blank. Bau und Betrieb der Turbinen erforderten erhebliche Eingriffe in die Natur.
Im Auge haben die Initiantinnen und Initianten den mit einem Referendum bekämpften Energie-Mantelerlass und den Beschleunigungserlass, den das Parlament zurzeit berät. Der Bund greife mit diesen Gesetzesanpassungen in die kantonale Hoheit ein, sagte Vogt, und die Erlasse hebelten den Waldschutz aus.
Mit dem Beschleunigungserlass will der Bundesrat die Verfahren für die Planung und den Bau grosser Anlagen für erneuerbare Energien straffen. Der Standortkanton allein soll Bewilligungen aussprechen, auch jene, die heute die Gemeinde erteilt. Die Gemeinden sollen früh ins Verfahren einbezogen werden.
Beide Initiativen sehen eine Rückwirkung vor: Anlagen, die nach dem 1. Mai 2024 gebaut worden sind und dem verlangten Verfassungsartikel zum Waldschutz widersprechen, müssen in den anderthalb Jahren nach der Annahme der Initiative zurückgebaut werden. Dasselbe soll für Bodenveränderungen gelten.
Die Gemeindeschutz-Initiative verlangt, dass Anlagen, deren Mast am 1. Mai 2024 noch nicht steht, die nachträgliche Zustimmung der Gemeinden benötigen. Wird diese nicht erteilt, muss die Anlage wieder entfernt werden.
Diese Übergangsbestimmungen seien jenen der 1987 an der Urne angenommenen Rothenthurm-Initiative vergleichbar, sagte Vogt. Diese Initiative forderte strengen Schutz der Moore, rückwirkend auf den 1. Juni 1983. Auch bei den zwei neuen Initiativen sollen nun die Ersteller für Rückbauten und Wiederherstellungen aufkommen müssen.
Den zwei Initiativkomitees gehören zusammen 35 Personen an, darunter Gemeindevertreter, Mitglieder von Kantonsparlamenten sowie Rechtsanwälte und Vertreter von Wissenschaft und Denkmalschutz. Umweltschutzorganisationen hätten wegen knapper Ressourcen bisher weder Zu- noch Absagen erteilt, sagte Vogt. Mehrere grosse Parteien seien vertreten. Bei der Gemeindeschutz-Initiative ist Nationalrat Yvan Pahud (SVP/VD) mit an Bord. (saw/sda)