Man kennt ihn als empathischen Moderator, der seine Gäste zum Reden bringt, als gäbe es nichts Leichteres: Kurt Aeschbacher ist eine Ikone der helvetischen Unterhaltungsindustrie. 2018 musste der langjährige SRF-Mann seine gleichnamige Talkshow aufgeben, nicht ganz freiwillig. Als Gesprächsleiter von Podien und als Referent ist er noch immer gefragt.
Jetzt, an diesem Montagnachmittag, marschiert der bald 76-jährige Berner mit schwarz-weiss kariertem Jackett, schwarzen Hosen und weissen Turnschuhen zum Medientermin. Ein überparteiliches Komitee um den Zuger Finanzunternehmer Alfred Gantner (Partners Group) lanciert eine Volksinitiative gegen die «EU-Passivmitgliedschaft». Vereint in der Organisation Kompass Europa engagieren sich namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur für das Volksbegehren und damit gegen die dynamische Übernahme von EU-Recht.
Kurt Aeschbacher ist eines der Aushängeschilder. Im Initiativkomitee sitzen auch Skilegende Bernhard Russi, Wirtschaftsstudent und Schwinger Noe van Messel, der Nidwaldner FDP-Ständerat Hans Wicki oder Auslandschweizerin (Berlin) und Softwareunternehmerin Myriam Locher.
Was ist die Ausgangslage? Im Frühjahr 2021 beerdigte der Bundesrat das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU. Er will Verbesserungen aushandeln bezüglich staatlicher Beihilfen, Lohnschutz, Personenfreizügigkeit. Aussenminister Ignazio Cassis hofft, bis Ende Jahr die Verhandlungen mit Brüssel abschliessen und den bilateralen Weg konsolidieren zu können. Anders als beim gescheiterten Rahmenabkommen sollen die institutionellen Fragen nicht in einem Aufwisch, sondern für jedes Binnenmarktabkommen einzeln geregelt werden.
Was bleibt, ist aber die dynamische Übernahme von EU-Recht. Und, dass bei einer Streitbeilegung die Interpretation des Europäischen Gerichtshofs bindend ist. Zwar könnte das Volk über Gesetzesänderungen abstimmen. Aber je nach Ausgang drohen Strafmassnahmen durch die EU. Es ist dieser Mechanismus, der die Initianten stört. Denn damit werde die direkte Demokratie ausgehöhlt. «Wer unter Androhung von Strafmassnahmen einen Entscheid fällen muss, kann keinen freien Entscheid treffen», heisst es in der Medienmitteilung.
Die Initianten wollen deshalb sicherstellen, dass alle völkerrechtlichen Verträge, die zu wichtigen Gesetzesänderungen führen, dem obligatorischen Referendum unterstellt werden. Ob der Bundesrat dies mit seiner Weiterentwicklung der bilateralen Verträge tun wird, hat er noch nicht entschieden.
Kommt die Initiative nicht etwas spät, wenn der Bundesrat und Brüssel auf die Zielgerade einbiegen? Finanzunternehmer Urs Wietlisbach verneint: «Wir wollen nicht, dass der Bundesrat ums Volk herumwurstelt.» Es geht auch darum, politischen Druck aufzubauen: dass der Bundesrat das Verhandlungsergebnis dem Ständemehr unterstellt.
Die Initianten verstehen sich nicht als «Seitenwagen der SVP» (Kurt Aeschbacher). Sie stellen auch nicht die Personenfreizügigkeit infrage, wie sie betonen. Sie sagen aber, sie fühlten sich von grossen Wirtschaftsverbänden wie Economiesuisse nicht vertreten. Und sie warnen: Die dynamische Rechtsübernahme befeuere die Bürokratie und generiere schleichend eine Gesetzesflut, mit der die Schweiz nach unten nivelliert werde. Die viel zitierte Gefahr der Erosion der Bilateralen, etwa bezüglich der technischen Handelshemmnisse, wird in den Augen von Alfred Gantner überbewertet. Die Medtech-Brache entwickle sich bestens. Ausserdem würden die Märkte in Asien und den USA immer wichtiger.
An der Pressekonferenz stellt ein Journalist die Frage, ob die vielen reichen Mitglieder des Initiativkomitees das Volk von ihrer Position überzeugen könnten. Auftritt Kurt Aeschbacher: «Wenn Sie wissen, was für einen Lohn die SRG zahlt, gehöre ich zweifellos nicht zu den Reichen dieses Landes.» Er spricht von einem breit abgestützten Komitee aus engagierten Menschen, die nicht primär einer politischen Partei verpflichtet seien, sondern Vertrauen zum gesunden Menschenverstand des Volkes hätten.
Aeschbacher befürchtet mit der dynamischen Rechtsübernahme eine EU-Passivmitgliedschaft der Schweiz. Er kokettierte: «Sie werden sich vielleicht wundern, weshalb sich ein leichtfüssiger Unterhaltungsfuzzi für eine Änderung der Bundesverfassung einsetzt». Er tue es, weil er in der direkten Demokratie die Basis für freiheitliches Dasein und wirtschaftlichen Erfolg sehe. Aeschbacher forderte andere Kulturschaffende auf, sich den Initianten anzuschliessen. Ob der Appell vom Bundesmedienzentrum bis zu Chris von Rohr hallte? Noch während der Pressekonferenz wurde bekannt, dass die Rocklegende für das Volksbegehren kämpfen wird. (aargauerzeitung.ch)
Die wollen alles immer ohne Partner entscheiden. Ein Vertrag, nein, damit wird man geknechtet.
Würde mich interessieren, in welchem Business das so geht, Alfred Gantner.