Missbrauchsvorwürfe gegen Mitglieder der katholischen Kirche häufen sich. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass neue Skandalfälle an die Öffentlichkeit dringen.
Erst vor wenigen Tagen trat der chilenische Kardinal Ricardo Ezzati zurück. Er steht im Verdacht, den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester vertuscht zu haben. Und im US-Bundesstaat Illinois sind fast 400 katholische Priester und Laien öffentlich mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert worden.
Aber auch in der Schweiz kommt es zu Übergriffen. Laut der «SonntagsZeitung» haben sich mehr als 300 Opfer seit 2010 gemeldet. Doch was macht die katholische Kirche hierzulande eigentlich mit den Beschuldigten?
Dazu wurden erstmals Details bekannt gegeben. Zahlen zeigen: Im Jahr 2017 wurden so viele Fälle wie noch nie an die staatliche Justiz weitergeleitet. Von 65 gemeldeten Vorfällen waren 15 Prozent, oder knapp jeder siebte Fall, gravierend genug, dass die Justiz ins Spiel kam.
Acht Fälle meldete die Kirche selbst, in zwei nahmen die Strafverfolger von Amtes wegen Ermittlungen auf. Die Angaben aus einer internen Liste der Bischofskonferenz zeigen auch, dass Opfer heute eher bereit sind, Massnahmen gegen Täter zuzulassen. Als sich im Jahr 2010 erstmals Betroffene an die Kirche wandten, wünschten bei 116 Meldungen 56 Opfer, dass es bei einer Aussprache bleibt, die Täter also nicht behelligt werden. Im Jahr 2017 verlangten das bei 65 Meldungen nur noch sieben Betroffene.
Die Kirchen hat sich zudem jenen Fällen angenommen, die nicht von der Justiz untersucht wurden. Viele der Täter wurden intern sanktioniert.
Gegen vier Priester wurden Ortsverbote ausgesprochen. Sie dürfen sich dem Gebiet, an dem es zum Übergriff kam, nicht mehr nähern. Zudem wurden zwei Kleriker verwarnt, drei suspendiert und drei weiteren gekündigt. Ebenso wurden einige von ihnen zu Pilgerfahrten verpflichtet, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Zurzeit wird intern diskutiert, ob die Richter des kanonischen Rechts statt Wallfahrten neu Geldstrafen verfügen sollten.
Weiter hat die Kirche zehn Täter in eine Psychotherapie geschickt – dies ist unter Experten allerdings Umstritten. Auch Sexualtherapeut Joachim Reich hat seine Zweifel: «Von Zwangstherapien halte ich wenig. Es ist eher ein Feigenblatt der Kirche, die damit die Verantwortung weitergeben kann.»
Reich findet, dass sich die Schwierigkeiten der Sexualität für Kleriker nicht einfach so wegtherapieren lassen. Diese Massname wiederspiegle eher die Hilflosigkeit der Kirche. Nur ganz wenige «zölibatär Hochbegabte» könnten ohne weiteres das Gebot der Asexualität befolgen.
Anders sieht das laut der «SonntagsZeitung» Monika Egli-Alge. Die Leiterin der Schweizer Forio-Klinik therapiert Pädophile und vertritt die Meinung, dass eine Psychotherapie in diesem Zusammenhang nicht auf Freiwilligkeit basieren, sondern verordnet werden sollte.
In einem Punkt sind sich die beiden Experten aber einig. Sie widersprechen der Behauptung der Kirche, dass das Zölibat keinen Einfluss auf Missbrauchsfälle habe. Die Unterdrückung der Sexualität würde an einem gewissen Zeitpunkt «bei diesen Menschen aus ihnen herausbrechen». (vom mit Material von sda/dpa/afp)