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Schweizer Bischofskonferenz will Strafgericht für Kirche einrichten

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Schweizer Bischofskonferenz will Strafgericht für Kirche einrichten

23.09.2023, 08:0123.09.2023, 08:43
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Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) will nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle ein kirchliches Straf- und Disziplinargericht für die römisch-katholische Kirche in der Schweiz einrichten. Das Gericht soll sich bei Verstössen gegen das Kirchengesetz mit Sanktionen befassen, wie die SBK am Samstag mitteilte.

Vorrang hätten weiterhin die zivilen schweizerischen Strafgesetze und die Strafverfolgungsbehörden würden bei allen Fällen von Missbrauch oder anderen Straftaten, die im kirchlichen Umfeld begangen werden oder begangen worden seien, zwingend eingeschaltet. Das kirchliche Gericht soll sich jedoch zusätzlich dazu mit Sanktionen befassen, die verhängt werden müssen, wenn ein Verstoss gegen ein Kirchengesetz vorliege, hiess es weiter.

Um die Einrichtung eines solchen nationalen Gerichts zu konkretisieren, würden die Schweizer Bischöfe laut der Mitteilung in den kommenden Wochen das Gespräch mit den Verantwortlichen des Vatikans suchen.

Sofortmassnahmen bis Ende 2024 umsetzen

Weiter beschlossen die drei Auftraggeberinnen der Studie über die Missbrauchsfälle – die SBK, die römisch-katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und die römisch-katholischen Ordensgemeinschaften der Schweiz (KOVOS) – zusätzliche Sofortmassnahmen. Die nationale Studie über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche soll durch die zwei Historikerinnen der Universität Zürich, welche die Pilotstudie durchgeführt haben, von 2024 bis 2026 weitergeführt werden.

Weiter soll eine nationale Dienststelle zur Sammlung von Opfermeldungen eingerichtet werden, wie die SBK weiter mitteilte. Des Weiteren hätten alle Mitglieder der SBK eine persönliche Verpflichtung unterzeichnet, dass alle kirchlichen Archive unter ihrer Verantwortung weiterhin zugänglich sind und keine Dokumente vernichtet werden.

Die SBK beschloss zudem, ein gründliches psychologisches Abklärungsverfahren für Seminaristen und Noviziatskandidaten sowie für die Ausbildung von anderen Seelsorgerinnen und Seelsorgern einzuführen. Das gebe es bereits in vielen Regionen, doch werde dieses Abklärungsverfahren nun schweizweit standardisiert und professionalisiert und sei überall obligatorisch. Weiter sollen die Personalakten aller pastoralen Mitarbeitenden professionalisiert werden. Die Sofortmassnahmen sollen bis spätestens Ende 2024 umgesetzt werden.

Bericht dokumentiert Missbrauch

Die Forschenden der Universität Zürich zählten in ihrer am 12. September veröffentlichten Pilotstudie mindestens 1002 Fälle von sexuellem Missbrauch durch katholische Kleriker und Ordensangehörige seit 1950. Nach Ansicht der Forschenden handelt es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs, da die meisten Fälle nicht gemeldet und die Dokumente vernichtet wurden.

Die Missbräuche wurden laut dem Studienbericht von 510 Personen an 921 Opfern verübt. Knapp 56 Prozent der Opfer waren männlich. Die Täter waren bis auf wenige Ausnahmen Männer. In 74 Prozent der Fälle waren die Opfer minderjährig.

Der Bericht dokumentiert Missbrauchstaten von problematischen Grenzüberschreitungen bis hin zu schwersten, systematischen Vergewaltigungen und Schändungen. Zahlreiche Fälle seien von der katholischen Kirche verschwiegen, vertuscht oder bagatellisiert worden, sagte eine Studienautorin.

(yam/sda)

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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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KAST
23.09.2023 09:17registriert März 2023
Wichtig wäre, dass die Staatsanwaltschaften der 26 Kantone jetzt endlich aktiv werden. Die haben über Jahrzehnte geschlafen. Kindsmisshandlung ist ein Offizialdelikt, dem bei begründetem Verdacht nachgegangen werden muss. Diesen begründeten Verdacht gibt es schon lange, aber nichts ist passiert.
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maruhu
23.09.2023 08:34registriert Januar 2021
Aber hallo, es braucht kein Kirchliches Gericht, wir haben eine funktionierende Justiz (meistens). Euer vertuschen, weg sehen usw. muss vorbei sein ! Kirche und Staat sollte/muss endlich vollständig getrennt werden, jetzt haben wir ein Wischi-Waschi System. Hoffe es werden sehr viele Menschen aus diesem Club austreten.
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Tim28
23.09.2023 09:01registriert September 2020
Ja, ja. Super Idee.
Die Kirche macht eigene Gesetzte, die Kirche kontrolliert sich selber, untersucht dann Verfehlungen und am Schluss entscheidet die Kirche wie mit Tätern umgegangen wird.
Das klingt nicht nach Unabhängigkeit , erstaunt aber nicht.
Eine Kirchenunabhängige Instans muss diesen Skandal untersuchen und Zugang zu den geheimen Archiven erhalten.
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