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Covid-Gesetz-«Arena» entgleist wegen Faktencheck – Verwarnung für Rietiker

In der «Arena» treffen erstmals Josef Ender (Bündnis Urkantone) und Bundesrat Berset aufeinander.
In der «Arena» treffen erstmals Josef Ender (Bündnis Urkantone) und Bundesrat Berset aufeinander. Bild: srf
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Covid-Gesetz-«Arena» entgleist wegen Faktencheck – da spricht Brotz Verwarnung aus

Während Österreich Impfpflicht und Lockdown verfügt, läuft in der Schweiz der Showdown um das Covid-Gesetz. In der Abstimmungs-«Arena» äussert sich Bundesrat Berset zu möglichen Verschärfungen. Für den Aufreger des Abends sorgt Stephan Rietiker mit einer unrühmlichen Äusserung.
20.11.2021, 01:0521.11.2021, 12:30
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Kaum jemand hätte noch vor wenigen Tagen gedacht, dass sich die Corona-Lage bis zur Covid-Gesetz-Abstimmung am 28. November derart verschärfen würde. In der Schweiz zeigen die Corona-Fallzahlen steil nach oben. Nachbarland Österreich geht derweil bei noch viel höheren Zahlen trotz 2G-Regeln erneut in einen Lockdown und verhängt ab Februar sogar eine Impfpflicht. Bayern macht die Bars, Discos und Weihnachtsmärkte dicht.

Währenddessen «beobachtet» bei uns der Bundesrat einmal mehr die Lage, ohne neue Massnahmen zu ergreifen. Die Eskalation in Österreich ist zumindest ein Warnschuss, was bei uns noch drohen könnte.

Berset: «Impfen bleibt freiwillig»

Video: watson

Kommt bald auch in der Schweiz Impfpflicht? In der «SRF-Arena» äussert sich erstmals Gesundheitsminister Alain Berset zu den jüngsten Verschärfungen der Nachbarländer. Die Schweiz sei nicht Österreich: «Bei uns ist der Impfentscheid freiwillig. Und er wird freiwillig bleiben», betont der Bundesrat.

Österreich habe von Anfang an mit den Ausgangssperren eine viel härtere Corona-Strategie verfolgt. Das Ziel des Bundesrates sei hingegen, weniger streng vorzugehen und das Leben der Bürgerinnen und Bürger so wenig wie möglich einzuschränken. Vor rund einem Jahr habe man die Restaurants schliessen müssen. Jetzt könnten die Beizen auch wegen des Zertifikats weiter offen bleiben. «Unser grosses Ziel ist es, mit den mildesten Massnahmen aus der Pandemie zu kommen. Ein Teil davon ist das Zertifikat. Wir wollen Schliessungen unbedingt verhindern», so Berset weiter.

Ob man es befürwortet oder nicht: Das Zertifikat ist der Kern des revidierten Covid-Gesetzes, über das wir am 28. November abstimmen. Es ermöglicht allen geimpften, getesteten oder genesenen Personen, in Restaurants, Kinos oder ins Theater gehen zu können. Ohne «Green Pass» sind Reisen in Europa kaum möglich.

SVP-Bircher: «Zertifikat ist keine Lösung»

Video: watson

Trotz der Erleichterungen hält SVP-Nationalrätin Martina Bircher nichts vom Zertifikat. Für sie ist die Corona-Strategie des Bundes eine Sackgasse. «Mit einem QR-Code kann man keine Pandemie bekämpfen», sagt die Aargauerin. Das Zertifikat sei die falsche Strategie. Diese beweise der Blick nach Österreich, wo die Leute seit sechs Monaten nur mit dem Green Pass ein Restaurant betreten könnten. «Schauen sie, die haben jetzt Lockdown. Ich verstehe die Welt nicht mehr, wenn das Zertifikat die Lösung sein sollte. Bald kommt in Deutschland der Lockdown. Und im Dezember in der Schweiz», so Bircher, die selbst geimpft ist.

Rietiker kassiert Verwarnung von Brotz

Video: watson

Für den unrühmlichen Aufreger des Abends sorgt Stephan Rietiker, Präsident des Nein-Komitees «Gesund und frei». Als der erstmals eingesetzte SRF-Faktenchecker Thomas Häusler die Verfügbarkeit von Corona-Medikamenten anzweifelt («die wollen jetzt alle Länder haben»), grätscht Rietiker unanständig rein. «Der Herr ist kein Mediziner und weiss nicht, wovon er spricht. Das ist ein unqualifiziertes Statement», sagt er zum Leiter Team Wissenschaft Radio SRF. Moderator Sandro Brotz weist Rietiker umgehend in die Schranken: «Ich erteile Ihnen hiermit eine Verwarnung, für dass Sie Häusler als unqualifiziert bezeichnet haben.» Auch das ist zumindest in der jüngeren «Arena»-Geschichte eine Premiere.

«Ich erteile Ihnen hiermit eine Verwarnung, für dass Sie den Faktenchecker als unqualifiziert bezeichnet haben.»
Brotz an Rietiker

Mit der Impfung alleine komme man niemals durch die Pandemie. Man müsse neue Corona-Therapien konsequent fördern und rascher zulassen, so Rietiker weiter.

Doch er hat die Rechnung ohne FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen gemacht. «Genau darum müssen sie für das Covid-Gesetz stimmen. Denn es sieht Förderprogramme für neue Arzneimittel vor». Auch Berset betont, dass man mit allen Medikamentenherstellern in Kontakt sei.

GLP-Nationalrat Martin Bäumle sagt, dass die Impfung, Medikamente wie das Zertifikat eine «Käsereihe» an Lösungen darstellte, um aus der Krise zu kommen. «Und welches Land kann schon darüber abstimmen», sagt der Zürcher weiter. Und leitet zu einer weiteren elementaren Frage zum Covid-Gesetz weiter.

Verschärfung oder weniger Macht?

Gegen das Gesetz hat unter anderem das «Aktionsbündnis Urkantone» das Referendum ergriffen. Deren Aushängeschild, Josef Ender, spricht in der «Arena» – wie bereits im watson-Portrait – über eine drohende «Gesundheitsdiktatur», über «chinesische Verhältnisse beim Contact-Tracing» und über die «unschweizerische Zweiklassengesellschaft» der Ungeimpften.

Und steht erstmals direkt mit Alain Berset im «Arena»-Ring. Sonst knallhart in der Sache, gelingt ihm seine «Arena»-Premiere nicht vollauf. Er leistet sich etliche Versprecher – der IT-Unternehmer wirkt mit seinen vorgefertigten Wortmeldungen zu gehemmt, zu steif.

«Mit dem neuen Covid-Gesetz haben wir dem Bundesrat viel Macht weggenommen.»
Priska Wismer-Felder

Ender gegen Mitte-Wismer

Video: watson

«Der Bundesrat kann Massnahmen im Alleingang beschliessen»: Ender spricht weiter von der «Bedrohung der Grundrechte», die das «verschärfte» Covid-Gesetz bringe. Ganz anders sieht es die Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder. «Das Gegenteil ist der Fall. Mit dem neuen Covid-Gesetz haben wir dem Bundesrat viel Macht weggenommen», so die Luzernerin. In der Tat sieht das Gesetz vor, dass der Bundesrat die Kantone in die Krisenpolitik noch stärker einbinden muss als vorher und die Auswirkungen auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben so gering als möglich halten müsse.

Ender will Abstimmungsresultat akzeptieren

Nicht das Gesetz, sondern die Pandemie sei unschweizerisch, sagt Gesundheitsminister Berset dazu. Er sei froh, dass das Parlament die Möglichkeiten des Bundesrates eingeschränkt habe. «So oder so sind wir das einzige Land der Welt, wo man darüber abstimmt. Mehr demokratische Legitimation ist schwierig machbar», sagt er mit Blick auf die Diktatur-Vorwürfe von Ender & Co. Corona-Skeptiker haben zuletzt in bester Trump-Manier Manipulationsvorwürfe bei der Covid-Abstimmung gestreut. Zumindest davon distanziert sich Ender klar. Er werde das Resultat akzeptieren. «Ich habe grosses Vertrauen in die Abstimmung als Institution.»

FDP-Nationalrat Wasserfallen.
FDP-Nationalrat Wasserfallen.Bild: srf

Zu guter Letzt fragt sich, welche Lösung die Gegner des Covid-Gesetzes für die Bekämpfung der Pandemie sehen. Für SVP-Bircher müssten die Risikogruppen endlich konsequent geschützt werden. So seien 97 Prozent der Todesfälle über 60 Jahre alt. «Wegen des Zertifikats kommen Geimpfte ohne Test ins Altersheim, obschon sie mit Corona infiziert sein können. Das ist wirklich der falsche Weg.»

«Ich habe die Impfskeptiker langsam auf der Latte. Zieht doch mal die Aluhüte ab, dann geht es auch besser.»
Christian Wasserfallen

Am Schluss packte FDP-Wasserfallen den Holzhammer aus: Er warf Martina Bircher vor, aus Kalkül das Zertifikat schlecht zu machen, um Impfgegner als Wählerinnen nicht zu vergraulen. «Ich habe die Impfskeptiker langsam auf der Latte. Zieht doch mal die Aluhüte ab, dann geht es auch besser.»

>> Coronavirus: Alle News im Liveticker

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417 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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domin272
20.11.2021 01:51registriert Juli 2016
Bircher findet also die Risikogruppen müssten besser geschützt werden? Dieses Statement hört man von Rechten und Massnahmengegnern seit Beginn allen Übels. Und oh Wunder, wenn man dann einfach alle Alten und Kranken wegsperrt und Altersheime zumacht und damit der mehr als egoistischen Forderung nachkommt, die Risikogruppen selbst haften zu lassen, sind es genau sie, die sich darüber echauffieren, dass diese armen Menschen keinen Sinn mehr im Leben sähen und nur noch sterben wollten, weil man sie so einschränke.
Wenn dieser stumpfsinnige Populismus nicht so traurig wäre, wäre es zum Lachen...
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Posersalami
20.11.2021 01:19registriert September 2016
Unerträglich die Gegner. Keine Vorschläge, keine Frage beantwortet, dafür viel Geschwurbelt..

Hab nach 20min ausgeschaltet.
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vpsq
20.11.2021 01:14registriert Mai 2016
Von der Bircher gibt es Ohrenschmerzen vom Feinsten… was für eine Qual…
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Eine Stunde und 20 Minuten länger – so war der Stau am Gründonnerstag

Zum Beginn der Osterfeiertage ist es am Donnerstag vor dem Gotthard-Nordportal zu neun Kilometern Stau gekommen. Der Zeitverlust betrug am Nachmittag eine Stunde und 20 Minuten. Auf der Südseite des Gotthards blieb es nach den Schneefällen vom Mittwoch ruhig, Stau gab es im Tessin nur beim Grenzübergang zu Italien in Chiasso.

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