Aline Trede hatte am Freitagabend keine einfache Aufgabe. In der «Arena» musste sie erklären, warum die Grünen nicht wollen, dass Schweizer Munition an die Ukraine weitergegeben wird.
Die Frage um die Wiederausfuhr ist ein heisses Eisen für die Grünen. Laut Umfragen spricht sich ein grosser Teil der Wählerinnenbasis für eine Weitergabe aus – anders sehen dies jedoch die Parlamentarier der Grünen.
Trede hätte angesichts der erwartbaren Verrenkungen also am besten eine Flasche Perskindol eingepackt, bevor sie sich ins Studio 8 am Leutschenbach aufmachte. Wie auch immer sich die Grünen-Fraktionspräsidentin vorbereitet hatte, schlecht war es nicht. Am Ende kriegte sie den Spagat ganz ordentlich hin – obschon zu Beginn der Übung wenig danach aussah.
Die Allianzen in der Ukraine-«Arena» waren ziemlich ungewöhnlich – oder um es im Politjargon auszudrücken: «unheilig». Wie die Grünen ist auch die SVP gegen eine Wiederausfuhr. Die SP und die FDP peilen hingegen eine Änderung des Kriegsmaterialgesetzes an, mit der Wiederausfuhren unter Umständen möglich werden.
So kam es, dass die beiden Vertreter der bürgerlichen Parteien die Klingen kreuzten. «Die Ukrainer können sich nur verteidigen, wenn sie die entsprechenden Mittel bekommen», sagte FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. «Sie verteidigen nicht nur ihr Land, sondern unsere gemeinsame Wertebasis.»
Heute stünde die Schweiz in Europa isoliert da, weil sie die Wiederausfuhrgesuche «schnöde» ablehne. Sie verstehe da die SVP nicht, welche plötzlich gegen eine Wiederausfuhr sei, meinte Markwalder und sah ihren Nachbarn vorwurfsvoll an.
Roland Rino Büchel, der die grösste Partei der Schweiz vertrat, blieb wie während des ganzen Abends ruhig und erklärte sachlich seinen Standpunkt. Ein angenehmer Kontrast zu seinem Parteikollegen Thomas Aeschi, der auf Twitter bereits wieder für Radau sorgte wegen der Gästeauswahl.
Büchel machte dem Zuschauer klar, dass es um relativ wenig Schweizer Munition geht, die in der Ukraine landen soll. «Beim ersten Gesuch ging es um 12'400 Schuss. Wenn man auf einem Gepard-Panzer eine knappe Viertelstunde schiesst, ist das alles verschossen.» Der St.Galler Nationalrat fragte: «Wollen wir für das unsere Neutralität verschiessen?» Und lieferte sogleich die Antwort: «Nein, das will ich nicht.»
Anders sieht dies Roger Nordmann, der für eine Wiederausfuhr an die Ukraine ist. «Man muss aus der Neutralität keine Legende machen», sagte der SP-Fraktionschef. «Die Neutralitätspolitik ist ein Werkzeug, keine Verpflichtung.» Im aktuellen Fall könne man sich nicht hinter der Neutralität verstecken, so Nordmann. «Wir müssen die Art und Weise, wie wir die Neutralität handhaben, überdenken. Wir sind mitten in Europa und können uns nicht unsolidarisch verhalten.»
Zudem müsse sich die Schweiz stark bei der humanitären Hilfe und der Minenräumung engagieren, meinte der SP-Mann, der auch dafür ist, dass man die russischen Oligarchen enteignet.
Doch zurück zu Trede. In den ersten 60 Minuten der Sendung beklagte sie sich mehrfach darüber, dass nur über die Waffenweitergabe diskutiert werde. Denn die Schweiz habe ganz andere Hebel, die viel wirkungsvoller seien, argumentierte die Grüne. Das wirkte etwas nach Whataboutismus, um ein Trendwort aus den Kommentarspalten zu bemühen. So als ob sie möglichst schnell von den Waffen ablenken wollte, da sie wusste, dass sie dort kaum Punkte sammeln kann.
Sinnbildlich für den schweren Stand der Grünen-Politikerin war ein Schlagabtausch mit Christa Markwalder. Trede versuchte zu erklären, weshalb man die Neutralität mit einem «Schnellschuss» nicht aufs Spiel setzen solle. Denn eine neutrale Schweiz könne bei Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen.
«Das Problem ist: Worüber wollen wir überhaupt verhandeln?», konterte Markwalder und löste bei Trede ein zustimmendes Kopfnicken aus. Eine Verhandlung sei ein Kompromiss und es liege an der Ukraine, zu sagen, wann sie bereit dazu sei. Nicht an der Schweiz. «Wenn die Ukrainer bereit sind, für ihre Freiheit zu kämpfen, dann müssen wir uns überlegen, wie wir sie am besten unterstützen können», sagte Markwalder. Daher sei sie dafür, dass die Schweiz die bereits verkauften Waffen nicht blockiere.
Zehn Minuten vor Schluss wurde Trede endlich erlöst. Es ging nun nicht mehr um die Waffen und die Grüne konnte aufzeigen, wie denn ihre Partei der Ukraine helfen will. «Glencore mit Sitz in Zug hat 17 Milliarden Gewinn gemacht. Der Gewinn ist so hoch wegen des Krieges und den hohen Energiepreisen», erklärte Trede. Deshalb setze sie sich für eine «Kriegsgewinnsteuer» ein, die dafür sorge, dass dieses Geld in die Ukraine fliesse.
Die Grüne will vor allem den Finanzplatz Schweiz und den Rohstoffmarkt unter die Lupe nehmen. So seien gerade einmal 7,5 Milliarden Franken russisches Vermögen eingefroren worden, bemängelte die Grüne. In der Schweiz würden aber 200 Milliarden Franken russischer Gelder liegen. Und weiter: «Die Schweiz hat mitgeholfen, die russische Armee aufzurüsten. 75 Prozent des russischen Kohlehandels geht über unser Land. Dort hätten wir einen riesigen Hebel und darüber müssen wir eigentlich reden.»
So wurde zum Ende der Sendung ziemlich klar, dass die Schweiz mit Waffenlieferungen den Krieg kaum entscheidend beeinflussen wird – «in einer Viertelstunde ist alles verschossen.» Bei der Wiederausfuhr geht es vor allem um Symbolik. Geht es jedoch um die russischen Geschäfte und das Vermögen der Oligarchen, spielt die Schweiz eine entscheidende Rolle. Auf diesem Gebiet könnte sie Putin durchaus weh tun.
Trede hatte also durchaus recht, wenn sie meinte, man sollte besser über diese Themen sprechen.
Sie helfen Emissionen zu vermeiden - wir auch.
Glaubwürdig ist anders.