Die SRF-«Arena» drehte sich am Freitagabend um ein überraschendes Thema: Es ging nicht um den Krieg, nicht um aktuelle Themen der Parlamentssession und auch nicht über irgendein Aufregerthema, welches irgendeine Partei oder ein Twitter-Account hochschaukeln konnte.
Die Entscheidung hatte aber dennoch ihre Daseinsberechtigung: Im September 2022 kommt es zur Abstimmung über die Massentierhaltungsinitiative. Zudem lehnte der Ständerat just diese Woche das Import-Verbot von Quälpelzen ab. Und ausserdem ist es quasi Sommer: Es ist die Jahreszeit des «Tsch, tsch». Landauf, landab dreht sich die Freizeit ums Grillieren, wofür entsprechend beinahe täglich irgendwo für Cervelats, marinierte Fleischzubereitungen und Einweggrills geworben wird.
Wo steht die Politik dazu? Zu dieser Frage wurden am Freitag folgende Gäste ins Leutschenbacher Studio 8 eingeladen:
Moderator Sandro Brotz begann die Sendung mit einer Publikumsinteraktion: Wer isst ab und zu ein Stück Fleisch? Die Antworten zeigten auf, dass der Fleischkonsum durch und durch ein Gesellschaftsthema ist, zu dem alle eine Meinung haben. Die eingeladenen Gäste durften sich auch plakativ äussern: Die Grüne Nationalrätin Meret Schneider sagte fast schon präventiv versöhnlich: «Wir sind der Ansicht, dass viele Bauern einen tollen Job machen und ihre Tiere wirklich gut halten und deshalb auch hinter der Initiative gegen Massentierhaltung stehen. Aber solche Zustände möchten wir einfach nicht mehr länger dulden.»
Ihr Kontrahent von der SVP, Mike Egger, machte zu Beginn schon klar, was er von der Debatte denkt: «Wir haben wirklich keine Massentierhaltung in der Schweiz!» Er beschuldigte seine Gegenseite, einen jahrelangen «Spiessrutenlauf» gegen die Landwirtschaft und die Fleischwirtschaft zu betreiben.
Die Redaktion der Sendung teilte die «Arena» in zwei Teile auf. Das erste Kapitel drehte sich um die Initiative, über die im September abgestimmt wird. Danach öffnete Brotz das Thema, in dem auch Werbeverbote und andere Massnahmen diskutiert wurden.
Obschon es keine Abstimmungs-«Arena» war (die wird dann im Herbst folgen), ging es im ersten Teil vor allem um die Initiative. Die Mitte-Nationalrätin und Bäuerin Priska Wismer-Felder sagte etwa: «Ich bin der gleichen Meinung wie Mike Egger, wir haben schon heute sehr gute Regelungen.» Sie hätte 25 Milchkühe und 30 Mutterschweine, für die sie gut sorge. «Wir stehen nicht im Fokus der Initiative, wären aber trotzdem betroffen.»
Greenpeace-Aktivistin Alexandra Gavilano betonte, worum es ihr bei der Initiative geht. Sie erwähnte Masthühner. Und Legehennen-Betriebe, wo 12'000 bis 27'000 Tiere beherbergt werden. «Da kann man nicht mehr sagen, dass die Tiere würdevoll leben.»
Diese anfänglichen Voten erfolgten einigermassen gesittet. Der SVP-Nachwuchspolitiker Mike Egger erhöhte die Dynamik, in dem er nach der ersten Viertelstunde auf persönliche Angriffe setzte. So versuchte er die Greenpeace-Aktivistin als politische Extremistin darzustellen, in dem er ihr eine Mitgliedschaft bei der radikalen Umweltschutzbewegung «Extinction Rebellion» unterstellte. Gavilano liess sich nicht darauf ein, bestätigte aber, dass sie früher dort dabei war: «Ich stehe dazu.»
Diese oberflächliche Debatte vertiefte Brotz, als er die Diskussion für die zweite Reihe öffnete. Daniel Würgler vom Eierproduktionsverband Gallosuisse lobte die Arbeitsweise der heutigen Tierzucht und forderte alle Zuschauenden auf, diesen Industriebereich zu besuchen und sich selbst ein Bild zu machen. Er warnte aber vor der Initiative, da diese viele Fortschritte zurückbauen würde. Brotz unterbrach diese Werbung in eigener Sache und erwähnte eine Studie über Brustbeinfrakturen bei der Pouletzucht. Würgler versprach Besserung.
Würglers Konterpart war Marcel Liner, Agrarpolitik-Verantwortlicher bei Pro Natura. Er stellte sich hinter die Initiative, da sie auch generelle ökologische Fragen anpacke: «Wir haben eine ganz starke Stickstoffbelastung und Ammoniakbelastung in der Schweiz. Beim Stickstoff ist der Dünger der Grund. Das Kraftfutter beinhaltet auch Stickstoff. Das Futter wird dann von den Tieren gefressen, daraus entstehen Gülle bzw. die Gülle-Seen, die wir haben.»
Die Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder entgegnete dazu: «Eine nachhaltige Ernährungsumstellung kann nur klappen, wenn Produktion, Handel und Konsum zusammenspielen. Die Initiative spielt aber auf den Produzent – das tut mir weh, weil wir in Konkurrenz zu billigeren Produkten stehen.» Auch von ihr gab es eine Warnung: Wenn die Initiative angenommen wird, gebe es mehr Importe aus Ländern mit schwächerem Tierschutz.
Alexandra Gavilano nahm diesen Punkt auf, indem sie die generellen Marktmechanismen ansprach. Sie höre oft von Produzenten den Satz: «Ich kann ja nichts ändern, denn ich liefere zu hundert Prozent den Absatzmarkt». Die Initiative löse vielleicht nicht alle Probleme in diesem Bereich, man müsse es aber thematisieren.
Eine gewisse Absurdität gab es beim Eins-zu-eins zwischen Brotz und Meret Schneider. Er stellte ihr die Frage, was sie unter Massentierhaltung verstehe. Brotz hoffte durch gezieltes Nachhaken darauf, dass die grüne Nationalrätin etwas zur Zahl 4000 sagt: So viele Legehennen dürften bei Annahme der Initiative noch gehalten werden. Es fielen Fragen wie «Was ist Ihre Sicht?» bzw. «Was ist die Sicht des Huhns?», worauf Schneider die Hühner zuerst als «sehr intelligent» bezeichnete und später die 4000-Legehennen-Grenze als «gute Orientierungsgrösse» relativierte.
Was bei Meret Schneider generell auffiel: Obwohl sie als radikale Tierschutzaktivistin schweizweit bekannt ist und mit weitgehenden Forderungen medial in Erscheinung trat, gab sie in der «Arena» die Pragmatikerin. Die schweizweit bekannteste Veganerin lieferte etwa Sätze wie «Back to Sonntagsbraten», die bei älteren Zuschauerinnen und Zuschauern gut ankommen könnten.
Diese Floskeln wurden im zweiten Teil durch tagespolitischere Themen ersetzt: Wie teuer werden Fleischprodukte, wenn der Tierschutz noch mehr ausgebaut wird? Alexandra Gavilano ärgerte sich über solche «Ja, aber …»-Ansichten: Man müsse doch jetzt einfach erkennen, dass die Welt in der Klimakrise sei und Tierarten aussterben würden. Da müsste man handeln, so ihre Forderung.
Gavilano hatte auch ihren grossen Auftritt bei der Werbeverbots-Frage. Sie wurde von Egger attackiert, weil eine Studie zur Bildsprache der Fleischwerbung akademisch feingeschliffene Sätze enthielt. Der gelernte Fleischfachmann versuchte dies lächerlich darzustellen, worauf die Greenpeace-Aktivistin mit Beispielen konterte: Die Werbung würde auch ein bestimmtes patriarchalisches Bild darstellen, was kritisiert werden müsste.
Die Debatte versachlichte sich gegen Ende wieder, nachdem ein Einspieler die Überlegungen hinter der staatlich subventionierte Fleischwerbung erklärte. Egger und Schneider waren sich da einig: Eine solche Absatzförderung, die den Verkauf von einheimischen Fleisch fördern würde, sei sinnvoll. Schneider forderte aber gleichlange Spiesse auch für nicht-fleischliche Produkte: Auch Tofu aus Schweizer Regionen oder andere pflanzlichen Lebensmittel bräuchten eine «Charmeoffensive».
Wer dagegen hat nun schlicht keine Argumente mehr.
Max. 25 Jahre haben die Bauern Zeit um dem Tierleid ein Ende zu setzen.
Ein klares JA zur Initiative!
Ein Nein heisst, dass man Tierquälerei akzeptiert und so kalt darf man nicht sein.
Es geht nicht um den Fleischkonsum, es geht um die inakzeptable Haltung der Tiere.
Geh abstimmen und schau nicht weg!