Ein unscharfes Handyvideo ist der ganze Stolz von CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi. Es zeigt den Tessiner Ständerat und Unternehmer, wie er dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Eishockey-Schal um den Hals hängt. Die Szene ereignete sich im Februar am Rande der Olympischen Spielen in Sotschi.
Die zur Schau gestellte Nähe zu Putin kommt in der CVP schlecht an. Lombardis Sympathie zu Moskau, so scheint es, ist unerschütterlich. Diesen Sommer hält er sich laut mehreren Quellen wieder in Russland auf – «um Russisch zu lernen», wie es heisst. Weder die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim noch die russische Unterstützung des blutigen Aufstandes in der Ostukraine und auch nicht der Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine mit 298 Toten konnten etwas an seiner Russland-freundlichen Haltung ändern. Die Besetzung der Krim bezeichnete er als «verständlich» («Schweiz am Sonntag») und selbst nach dem Abschuss von Flug MH17 ergriff er Partei für Moskau: «Die Einseitigkeit, mit der auf Russland gezielt wird, ist nicht zielführend», sagte er am Montag in einem Interview mit Blick.ch.
Viele CVP-Parlamentarier finden diese Statements unter den aktuellen Umständen unangebracht. «Als Fraktionspräsident steht er im Schaufenster. Er sollte jetzt in die Defensive gehen. Das malaysische Flugzeug ist nicht einfach vom Himmel gefallen», kritisiert ein Ratskollege. Ein Deutschschweizer Fraktionsmitglied findet: «Auf der persönlichen Ebene darf man ja mit den Russen befreundet bleiben. Politisch sollte man sich in dieser Situation als Fraktionschef zurückhalten.»
Die Baselbieter CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter sagt, sie sei bis vor kurzem auf einer Linie mit Lombardi gewesen. Sollte sich nun herausstellen, dass Russland direkt oder indirekt am Abschuss von Flug MH17 beteiligt war, sei für sie die Grenze des neutralen und freundschaftlichen Dialoges erreicht. Möglicherweise müsse man den Russen im Rahmen des 200-Jahr-Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen Bern und Moskau «den Mahnfinger zeigen».
Lombardi dürfte das kaum gefallen. Kein anderer Politiker in Bern engagiert sich stärker für die Feierlichkeiten. Ende Sommersession organisierte er eigens ein Schachturnier zwischen Parlamentariern beider Länder.
So schnell wird der Tessiner nicht mit Russland brechen. Denn auch geschäftlich pflegt er Beziehungen in den Osten. Bekannt ist, dass er sich 2008 mit einer Aktiengesellschaft bemühte, reiche Russen ins Tessin zu holen. In seiner Funktion als Präsident des Hockey-Clubs Ambri-Piotta soll Lombardi seit geraumer Zeit auf der Suche nach zahlungskräftigen russischen Investoren sein.
Fraglich ist, ob ihm seine Nähe zum Kreml bei der Realisierung seiner politischen Ambitionen am Ende nicht einen Strich durch die Rechnung macht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass er sich für die Nachfolge von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard interessiert. Der Genfer SP-Nationalrat und Aussenpolitiker Carlo Sommaruga warnt bereits jetzt: «Ich verstehe nicht, wie jemand, der Bundesrat werden möchte, die Interessen eines Drittstaates so emotional vertritt und verteidigt. Ich würde mehr Zurückhaltung erwarten.»