«Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen», sang einst Audrey Hepburn im Filmklassiker «My Fair Lady». Das reicht SBB-Chef Vincent Ducrot allerdings nicht. Die südeuropäische Flora ist schliesslich weit weg von seinen Bahnhöfen in Basel, Bümpliz oder Buchs. Und Ducrot will mehr Grün.
In der Jura-Hauptstadt Delémont haben die SBB 2021 deshalb ein Pilotprojekt lanciert, um den Bahnhof zu begrünen. Vor kurzem wurden die Arbeiten abgeschlossen. Er soll dem Bundesbetrieb als Vorbild für Nachhaltigkeit dienen.
Laut SBB wurden zahlreiche einheimische Bäume, Sträucher und Blumen gepflanzt; auf dem Bahnhofplatz, auf dem Dach und in verschiedenen, auf dem Areal verteilten Beeten. Der CO₂-Gehalt und die Lufttemperatur in der Umgebung sollen damit reduziert werden. Zudem erhalten Insekten, Schmetterlinge, Bienen, Käfer und Kleinlebewesen einen neuen Lebensraum. Und für die Reisenden gibt es Sitzbänke mit schattenspendenden Laubdächern.
Zudem werden asphaltierte Flächen ganz oder zumindest teilweise entsiegelt und begrünt, wie zum Beispiel beim Bahnhofsparkplatz. Dies hilft unter anderem, dass Regenwasser nicht mehr in die Kanalisation fliesst, sondern im Boden versickert und so und den Grundwasserspiegel aufrechterhält.
Die Massnahmen in Delémont seien umgesetzt worden, um ihre Wirksamkeit zu testen, sagt SBB-Sprecherin Sabrina Schellenberg auf Anfrage. «Möglicherweise können sie dann als Vorbild für Bahnhöfe anderswo in der Schweiz dienen.» Eine erste Zwischenbilanz der Berner Fachhochschule hat laut den SBB zudem bestätigt, dass die neu umgestalteten Flächen und Elemente einen ökologischen Mehrwert rund um den Bahnhof Delémont bringen.
Mit seinen rund 7000 täglich Reisenden eigne sich der Bahnhof Delémont für das Testen von Umweltmassnahmen, sagt Schellenberg. «Seine Grösse und sein Betrieb sind mit vielen anderen SBB-Bahnhöfen vergleichbar.» Nun werde geprüft, welche Bestandteile auch an anderen Standorten ausgerollt werden könnten. «Wir sind derzeit daran, ein schweizweites Begrünungskonzept zu erarbeiten.» Alle Massnahmen, die in Delémont umgesetzt wurden, würden evaluiert und dann gegebenenfalls an weiteren Bahnhöfen, wo es Sinn ergibt, nach und nach implementiert.
Wie warm respektive heiss es zuweilen auf den Perrons, den Bahnhofsplätzen und in den Hallen werden kann, wissen die SBB nicht: «Wir machen keine Temperaturmessungen an den Bahnhöfen», sagt Schellenberg.
Mit der grünen Offensive und mit dem Ziel, die Folgen der Klimaerwärmung etwas zu abzufedern, sind die SBB in der Mobilitätsbranche nicht allein. So kündigte die Immobilienchefin des Flughafens Zürich, Lydia Naef, Anfang Jahr gegenüber CH Media ebenfalls Massnahmen an: Der Flughafen solle grüner daherkommen. Das sei derzeit ein wichtiges Thema. «Denn die grossen Beton- und Asphaltflächen verursachen nun mal viel Hitze im Sommer.»
Vor zwei Jahren übergab das Stadtzürcher Parlament zudem ein Postulat an die Stadtregierung, welches forderte, dass die Dächer und Wände von bestehenden und neuen Tram- und Bushaltestellen begrünt werden sollen.
Etwas schneller als die Politik waren die Zürcher Verkehrsbetriebe. Sie lancierten vor drei Jahren an zwei Haltestellen Pilotprojekte. Insgesamt wurden 18 Tröge, je 9 pro Haltestellendach, mit passendem Substrat befüllt und bepflanzt. Ziel des Pilotprojektes war es, verschiedene Substrate und Substrataufbausysteme zu testen und herauszufinden, welche sich langfristig am besten bewähren. Zudem wurden mittels Sensoren die Temperaturen unter dem Dach und die Wirkung der Bepflanzung auf das Umgebungsklima analysiert.
Zu den Erkenntnissen dieser Tests äussern sich die VBZ nicht – mit Verweis auf das erwähnte Postulat aus dem Parlament. Die Beantwortung dieses Vorstosses erfolge voraussichtlich erst im ersten Halbjahr 2025.
Derweil wird in Luzern demnächst eine Haltestelle erstmals begrünt, um das Stadtklima zu verbessern. Die Stadt greift dabei auf Erkenntnisse eines zweijährigen Feldversuchs zurück, der von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften begleitet wurde. Dabei wurden auf einem Dach verschiedene Substrat- und Samenmischungen getestet.
In den nächsten Jahren werden in Luzern verschiedene Haltestellen umgebaut, um den gesetzlich vorgeschriebenen barrierefreien Zugang zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang wird jeweils auch geprüft, ob eine Begrünung möglich ist. Platzgründe, zu wenig Sonneneinstrahlung oder ein komplizierter Zugang für die Pflege können dagegensprechen.
Vorerst müssen die ÖV-Pendlerinnen und -Pendler aber weiterhin schwitzen an Tagen wie in dieser Woche, an denen das Quecksilber gleich mehrfach die 30-Grad-Grenze geknackt hat. Und an vielen SBB-Bahnhöfen mit viel mehr Grau als Grün dürften die Temperaturen noch etwas höher sein. (aargauerzeitung.ch)