Vor zwei Jahren war beim Zürcher Start-up Kooky die Welt noch in Ordnung: Finanzierung über 6 Millionen Franken gesichert. Schweizweite Partnerschaft mit den SBB an 30 Bahnhöfen beschlossen. Kooperationen mit dem Kioskkonzern Valora, der Confiserie Sprüngli und der hippen Kaffeekette Vicafé eingegangen. Die Zeichen standen auf Wachstum, und auch im Ausland wurde expandiert.
Die Geschäftsidee des erst 2021 gegründeten Jungunternehmens überzeugte in der Nachhaltigkeitsdebatte viele Firmen: Kunden downloaden die Kooky-App und kaufen ihren Take-away-Kaffee in einem Mehrwegbecher, auf dem ein QR-Code aufgedruckt ist. Im Preis enthalten ist eine Depotgebühr von einem Franken. Ist der Kaffee getrunken, scannen die Kunden den Becher und werfen ihn in eine Kooky-Box, die sich mit einem Sensor öffnen lässt. Vom Depot werden 90 Rappen aufs Handyguthaben rückerstattet - 10 Rappen gehen an Kooky.
Mit diesem System verspricht Kooky einen Beitrag im Kampf gegen zu viel Abfall zu leisten. Schliesslich werden hierzulande täglich Zehntausende von Kaffees im Einwegbecher aus Karton und mit Deckeln aus Plastik gekauft.
Doch nun zeigt sich: Die grossen Kooky-Pläne sind nur noch kalter Kaffee. Die rund 100 Rückgabestationen an den SBB-Bahnhöfen wurden bereits im März wieder abgebaut, von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt und ohne entsprechende Kommunikation. Die geplante «langfristige Partnerschaft» ist passé. SBB-Sprecher Martin Meier bestätigt dies auf Anfrage. Für die Bahn habe die Zusammenarbeit keine Kosten zur Folge gehabt.
Diese Stationen wurden von Kooky täglich geleert, um die Becher einzusammeln und sie an einem zentralen Ort zu waschen und sie an die Kaffee-Verkaufspartner zurückzubringen. Ein logistischer Grossaufwand, der sich wohl nie rechnete.
Denn Anfang Jahr hat Kooky mehrere seiner Partner über eine «strategische Neuausrichtung» informiert, welche dem Ende zahlreicher Kooperationen gleichkam. Man werde sich auf den Standort Bern und das sogenannte B2B-Geschäft fokussieren, also auf private Büro- oder Schulgebäude, die nicht öffentlich zugänglich sind. Die Rede ist von geschlossenen Systemen.
Auch Valora-Sprecher Fabian Baer bestätigt das Ende der Zusammenarbeit per Ende Februar. Der Kioskkonzern, der auch die Formate Caffè Spettacolo, Avec oder Press & Books betreibt, hatte vor weniger als zwei Jahren noch verkündet, das Kooky-System bis diesen Sommer an knapp 200 Valora-Verkaufsstellen anzubieten.
Das Zurückkrebsen von Kooky dürfte nicht alle teilnehmenden Firmen überrascht haben: «Mit dieser Neuausrichtung ist Kooky unserem Entscheid zuvorgekommen, denn wir hätten das System früher oder später aufgegeben», sagt ein ehemaliger Partner. «Die Becher wurden von unserer Kundschaft nie stark genutzt.» Die Idee sei zwar in Sachen Nachhaltigkeit löblich, aber das System sei für die Konsumentinnen und Konsumenten zu wenig praktisch gewesen mit dem notwendigen Download-App und der Registrierung. «Die Hürde war zu hoch.»
Kommt hinzu, dass die Kooky-Becher sensorisch nicht überzeugten. «Der Plastikgeruch war relativ stark, was dem Kaffeegenuss sicherlich nicht dienlich war», so der Ex-Partner. Zu Beginn der Kooperation sei diese relativ günstig gewesen, doch irgendwann habe Kooky finanziell höhere Ansprüche gegenüber den Partnern ausgesprochen für die Nutzungsgebühr der Becher.
Fragt sich, wie es mit Kooky weitergeht. Denn der Mitgründer und Geschäftsführer, Torge Barkholtz, ist bereits abgesprungen. Im November 2022 hatte CH Media Barkholtz noch gefragt, wie profitabel oder defizitär Kooky sei. Seine Antwort damals: «Wir sind auf gutem Weg.»
Auf der Social-Media-Plattform Linkedin gab er kürzlich bekannt, dass er «eine neue Reise» antrete und auf die Investorenseite wechsle. Inwiefern sein Abgang mit der finanziellen Entwicklung und der Neuausrichtung bei seinem Unternehmen zu tun hat und ob er auf Druck der Investoren gehen musste, will der in der Vergangenheit auskunftsfreudige Barkholtz auf Nachfrage von CH Media nicht sagen. Er betont bloss, er sei bei Kooky überhaupt nicht mehr involviert, also auch nicht im Hintergrund.
Der 47-Jährige war schon vor seinem Kooky-Abenteuer kein Unbekannter in der hiesigen Start-up-Szene: Der gebürtige Flensburger war während zweieineinhalb Jahren Schweiz-Chef der E-Trottinett-Verleihfirma Circ, die 2020 verkauft wurde und rund 60 Angestellte entlassen musste.
Handelsregistereinträge zeigen, dass bei Kooky zuletzt das Aktienkapital erhöht wurde. Wie steht es finanziell um die Firma? Existieren die Partnerschaften im Ausland wie in München oder Wien noch? Wo wird das System in der Schweiz fortgeführt? Für eine Beantwortung dieser und weiterer Punkte war das Start-up trotz mehrfacher Anfragen nicht erreichbar.
Aufgrund von Angaben auf der Website scheinen aber auch die Auslandsabenteuer vorerst Geschichte zu sein. Als Referenzen werden auf der Website ein Pilotprojekt in Saudi-Arabien vom Februar 2023, das Open Air Frauenfeld vom Juli 2023 sowie die Zürcher Hochschule der Künste, die Universität St.Gallen und insbesondere die Innenstadt von Bern angegeben. Die Stadt hatte das System von Kooky im Herbst 2022 lanciert, da die Entsorgung von Siedlungsabfällen im öffentlichen Raum Bern pro Jahr rund 11 Millionen Franken kostet. (aargauerzeitung.ch)
Nein, ich will keine Holzgabel und Kartonröhrli. Das alles ist einfach Nebenschauplatz, wenn es z.B. immer noch einfach so toleriert wird, dass man 200 km pro Tag mit einem 2.5 Tonnen SUV alleine pendeln darf.
Die Nachfrage für solche Angebote wird erst geschaffen, wenn man auch die grossen Probleme anpackt und "der Kleine" auch ernsthaft einen Sinn der eigenen Einschränkung dahinter sieht. Aktuell ist das einfach nicht der Fall.
Aber hey, Startup gegründet, Investorengeld abgegriffen, ausgestiegen. Läuft für den Gründer