Walter von Andrian ist mit den ambitionierten Plänen von Bund und SBB gar nicht einverstanden. Diese haben am Montag ihre Ideen für einen 28 Kilometer langen Tunnel zwischen Aarau und Zürich vorgestellt. «In der Schweiz gäbe es dringendere Projekte, die jetzt auch einmal berücksichtigt werden sollten», kritisierte der Chefredaktor der Zeitschrift «Eisenbahn-Revue» gegenüber der «Tageschau». Als Beispiel nannte er nebst dem Tiefbahnhof in Luzern den Knoten Basel.
Auf Anfrage der BZ führt von Andrian aus: «Ich finde es verfrüht, wenn von einem Super-Tunnel für 5,5 Milliarden geträumt wird und gleichzeitig andernorts Projekte nicht realisiert werden können, weil das Geld fehlt.» Für die Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) seien Projekte im Rahmen von mehr als 40 Milliarden Franken eingereicht worden, es stünden aber nur wenige Milliarden zur Verfügung. «Es darf nicht sein, dass immer nur an die Verbindung Bern–Zürich gedacht wird. Der Rückstau an Projekten in anderen Städten muss endlich angegangen werden.»
Der Zeitplan des zürcherisch-aargauischen Megaprojekts deutet tatsächlich auf eine direkte Konkurrenzsituation zu dem als «Herzstück» bekannten Basler S-Bahn-Tunnel unter dem Rhein (siehe Kasten), denn beide Projekte sollen im Rahmen von Fabi 2030 realisiert werden. Das bereitet auch dem Baselbieter SP-Ständerat und Verkehrspolitiker Claude Janiak Sorgen: «Für die SBB gibt es offensichtlich nur die Ost-West-Achse. Dabei gibt es sicher dringlichere Projekte als diesen Tunnel, gerade das Herzstück in Basel. Dessen Planung muss nun unbedingt weiter vorangetrieben werden. Dafür müssen die Kantone Druck in Bern machen.»
Für den Basler SP-Nationalrat Beat Jans kommen die Tunnelpläne «völlig überraschend». Er befürchtet, dass der national sowie regional wichtige dritte Juradurchstich aufs Abstellgleis geschoben werden könnte. «Dazu kommt, dass mit der Gotthardtunnel-Eröffnung im Sommer der Druck auf die Nord-Süd-Achse weiter ansteigt und die Region Basel zum eigentlichen Nadelöhr wird.
Wir laufen hier auf einen Riesen-Stau zu, und trotzdem werden immer wieder andere Projekte vorgezogen», sagt Jans. Und sein Partei- und Ratskollege aus dem Baselbiet, Eric Nussbaumer, fügt an: «Die grosse Herausforderung liegt in den Agglomerationen. Vor allem diese müssen hochattraktiv sein. Sonst ist das Pendeln nach Zürich irgendwann attraktiver als leben und arbeiten vor Ort.» CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter macht sich um das Herzstück noch keine Sorgen. Die Baselbieterin sagt, dass der Verteilkampf unter den Regionen ohnehin ständig tobe. «Ich hoffe einzig, dass die Region Basel aus der Vergangenheit gelernt hat und für ihre Anliegen weiter Druck macht.»
Von diesem politischen Sich-für-die-eigenen-Anliegen-Einsetzen rät «Eisenbahn-Revue»-Chefredaktor von Andrian dringend ab. «Es wäre vorteilhaft, wenn sich die Politiker anderer Kantone zusammenschlössen und nicht immer nur für die eigenen Projekte schauen, sondern füreinander einstehen, um ein Gegengewicht zur Verbindung Bern–Zürich zu schaffen.»
«Der geplante Ausbau in Basel – Stichwort Herzstück – ist meiner Einschätzung nach nicht ideal, weil er einzig den Nahverkehr fördert. Was es bräuchte, ist eine vernünftige Lösung, die sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr Verbesserungen bringt», so von Andrian. Wenn eine Verbindung unter dem Rhein geschaffen werde, dann sollte diese unbedingt auch für den Fernverkehr nutzbar sein, damit Züge aus Deutschland in Basel nicht mehr wenden müssen, bevor sie nach Zürich, Luzern oder Bern weiterfahren. Solche Überlegungen seien in der Planung jedoch zu wenig berücksichtigt worden: «Es ist ein allgemeines Problem, nicht nur in Basel, dass Nah- und Fernverkehr zu wenig als Ganzes gesehen werden.»