Zwischen November und Februar soll ein ferngesteuerter Zug für die SBB einfache Rangiermanöver fahren. Dazu suchen die Bundesbahnen auf der Beschaffungsplattform des Bundes «ein Triebfahrzeug mit spezifischer Funktionalität». Sie möchten einen Zug mieten, der fernsteuerbar und mit «optionaler Wahrnehmungssensorik» ausgestattet ist. Zum Paket gehört eine «Bedieneinheit mit mindestens einem Videobild zur Fernüberwachung».
«Bei den Tests sind Versuche mit ferngesteuerten Rangierbewegungen geplant», heisst es auf Anfrage, also Manöver mit Zügen ohne Passagiere. Ein Schienenfahrzeug wird dazu mit zusätzlicher Technik zur Fernsteuerung ausgerüstet. Dadurch kann der Lokführer das Fahrzeug ausserhalb des Führerstands an einem Fahrpult mit Bildschirm steuern.
Die SBB wollen so «prüfen, ob im Störungsfall Fahrzeuge von einer zentralen Stelle aus bewegt werden könnten». Es gehe um Grundlagenarbeiten und darum, die europäischen Normen für die Automatisierung in der Praxis zu überprüfen. Entsprechend werden allgemeine Tests durchgeführt, ohne Fokus auf Personen- oder Güterverkehr. Was technisch tönt, soll im besten Fall Verspätungen für Reisende reduzieren.
«Eine Störung hat oft auch Auswirkungen auf die Einsätze des Personals. Wenn ein Lokführer wegen einer Störung nicht zur richtigen Zeit am geplanten Ort sein kann, kann er seinen vorgesehenen Einsatz nicht ausführen», erklärt SBB-Sprecher Reto Schärli. Das heisst: Kann ein Lokführer wegen einer Störung beispielsweise einen leeren Zug nicht rechtzeitig wegstellen, kann dies andere Züge behindern. «Das kann unter Umständen Verspätungen für Reisende bedeuten. Könnte ein Fahrzeug im Störungsfall unabhängig vom Personaleinsatz rangiert werden, könnten die Auswirkungen der Störung begrenzt werden.»
Die sogenannte ATO-Technologie (Automatic Train Operation) beschäftigt die Bahnen seit Jahren. Es laufen verschiedene Pilotprojekte, wobei die landläufige Vorstellung, es handle sich dabei um selbstfahrende Züge, in die Irre führt.
«Das Hauptziel der Automatisierung ist bei den meisten Bahnen in der Schweiz in erster Linie, den Bahnbetrieb effizienter zu gestalten», heisst es beim Bundesamt für Verkehr (BAV). Im Vordergrund stehe, die Lokführer und Lokführerinnen mit Assistenzsystemen zu unterstützen. So stärke die Automatisierung einen stabilen Bahnbetrieb in einem hochausgelasteten Netz. «Potenzial haben Assistenzsysteme und ATO überdies beim Energiesparen oder beim Abstellen von leeren Zügen.»
Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Die Details diskutiert die Branche derzeit in einem regelmässig stattfindenden runden Tisch. Noch komplexer gestaltet sich der Einsatz selbstfahrender Züge. Hier muss das System in der Lage sein, eine frei zugängliche Umgebung zu überwachen. «Bei Gefahren durch ein Hindernis auf dem Gleis oder Reisende am Gleisrand soll der Zug warnen oder bremsen können, aber möglichst ohne Fehlalarme und ohne unnötige Notbremsungen», so das BAV.
Nachdem der Bund allerdings beim Projekt «Smartrail 4.0» vor drei Jahren auf die Bremse getreten ist, müssen die Bahnbetreiber solche Pläne etwas zurückschrauben. Der Bund erklärte kürzlich, er wünsche sich mehr Absprache und Koordination. Das heisst umgekehrt: Bisher kam es zu Doppelspurigkeiten und allzu utopischen Visionen der Bahn der Zukunft.
Im Unterschied zu den SBB erprobt die Südostbahn den sogenannten Automatisierungsgrad GoA2. Konkret heisst das: Ein Autopilot beschleunigt und bremst den Zug. Der Lokführer, der weiterhin im Führerstand sitzt, gibt den Startbefehl, überprüft die Türsteuerung und ist zuständig für die Erkennung von Hindernissen. Er bleibt weiterhin präsent und verantwortlich.
Bis die Zeit reif dafür ist, dürften noch Jahre vergehen. Was auf neue Fahrassistenzsysteme zutrifft, gilt erst recht für selbstfahrende Züge. Diese hätten nach wie vor keine Priorität, betont SBB-Sprecher Reto Schärli.