Schweiz
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SBB verärgern mit neuem Fahrplan die Westschweizer

Die Pandemie hat im zweiten Quartal zu einem grossen Nachfrager
Züge von St.Gallen nach Genf-Flughafen werden in den kommenden zehn Jahren nicht mehr durchfahren. Reisende werden in Renens umsteigen müssen.Bild: sda

Keine Direktzüge und längere Fahrzeiten – die Westschweiz will den neuen Fahrplan nicht

Die SBB wollen in der Westschweiz für 2025 den Fahrplan anpassen und Züge nicht mehr von St.Gallen bis Genf durchfahren lassen. In der Westschweiz findet man das gar nicht gut. Eine Übersicht in drei Punkten.
11.05.2023, 06:0011.05.2023, 14:10
Elena Lynch
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Die Bevölkerung in der Westschweiz fühlt sich benachteiligt – und geht auf die Barrikaden. Grund für den Unmut ist der am Freitag präsentierte Fahrplan, der ab Dezember 2024 in der Romandie in Kraft tritt und «mindestens» für zehn Jahre gelten soll.

Weil die direkte Verbindung zwischen dem Jurabogen und Genf gestrichen wird, wehren sich die Westschweizer Städte Genf, Neuenburg, Yverdon und La Chaux-de-Fonds gegen den neuen Fahrplan. Sie wollen den SBB einen Brief mit ihren Forderungen zukommen lassen, wie sie am Sonntag in «Le Matin Dimanche» sagten. Für sie ist die Sache «inakzeptabel».

Was sich ändern wird, was dazu führte und warum die Städte in der Westschweiz dagegen sind – eine Übersicht in drei Punkten.

Was wird sich ändern?

Noch fährt der IC5 einmal pro Stunde von Rorschach nach Genf-Flughafen. Ab Dezember 2024 wird der Zug zwar jede halbe Stunde fahren, aber – und hier liegt der Hund begraben – in Lausanne enden. Wer dann von Biel nach Genf fahren will, wird für diese Strecke neu acht Minuten länger brauchen und in Renens umsteigen müssen. Nur zu Stosszeiten sollen die Züge direkt von St.Gallen nach Genf fahren, aber auch dann brauchen sie länger als jetzt.

Die längeren Fahrzeiten sollen laut den SBB den Fahrplan stabilisieren und die Verzögerungen auffangen, die durch Baustellen entstehen. Es handelt sich um den grössten Fahrplanwechsel in der Westschweiz seit 20 Jahren – und dieser «wird Änderungen der Mobilitätsgewohnheiten mit sich bringen».

Das kommt in der Westschweiz gar nicht gut an. Die Zeitung «Le Temps» fragt auf der Titelseite, ob die SBB die Romands loswerden wollen.

Wie kam es dazu?

Der Fahrplan in der Romandie wurde seit 20 Jahren kaum mehr angepasst. Weil die Zahl der Reisenden in dieser Zeit zugenommen hat, kommt es zu längeren Ein- und Ausstiegszeiten und zu mehr Verspätungen. Laut den SBB ist die Pünktlichkeit in der Westschweiz nicht zufriedenstellend. Sie liegt vier Prozentpunkte tiefer als in anderen Regionen.

Aber es wurde auch gespart. Jean-François Steiert ist Freiburger Staatsrat und präsidiert die Westschweizer Verkehrskonferenz. Er war bei den Verhandlungen mit den SBB dabei und sagt zu watson Romandie: «Aus Spargründen hat die frühere SBB-Führung Weichen entfernt, mehr in der Romandie als in der Deutschschweiz. Diese Weichen, die den Gleiswechsel ermöglichen und Wartung erfordern, sind wichtige Vorrichtungen, um die Stabilität des Fahrplans bei Pannen oder Baustellen zu gewährleisten.» Und diese Entlastungsstrecken fehlen jetzt.

Ausserdem ist die Infrastruktur in der Westschweiz vergleichsweise veraltet. Steiert sagt: «Das Durchschnittsalter der Westschweizer Schienen liegt 25 Prozent über dem Schweizer Durchschnitt. In der Romandie gibt es 40 Prozent mehr Verspätungen als in der Deutschschweiz.»

Bis 2030 investieren Bund, Gemeinden, Kantone und SBB in der Westschweiz 5 Milliarden Franken in die Erneuerung und den Ausbau von Bahnhöfen und Strecken. Laut den SBB wird nirgendwo so viel ins Bahnsystem investiert. Was sie nicht sagen: Die Baustellen werden die strapazierten Strecken weiter belasten und zu längeren Fahrzeiten führen.

Laut den SBB handelt es sich dabei explizit um eine «Übergangslösung», die jedoch zehn Jahre anhalten soll, sich aber auch – wenn möglich – weiterentwickeln soll.

Warum ärgern sich die Städte?

Mauro Moruzzi ist Neuenburger Stadtrat und sagt zu watson Romandie: «Ich lehne diesen neuen Fahrplan ab und weigere mich, ihn als vollendete Tatsachen hinzunehmen.» Er fürchtet, dass Reisende – trotz Klimakrise – wieder aufs Auto umsteigen. Das Zugfahren werde ohnehin teurer, entsprechend sei es ungünstig, wenn es jetzt auch «noch mühsamer» werde.

Die Hauptforderung der Städte Genf, Neuenburg, Yverdon und La Chaux-de-Fonds ist, dass die SBB zumindest die zehnjährige Dauer des Fahrplans revidieren. Daher haben sich deren Verkehrsminister am Montag in Bern mit Bundesrat Albert Rösti getroffen.

Ihre erste Forderung: Es bleibt ein Baustellenfahrplan und sobald es eine Verbesserung gibt, muss das Angebot direkt angepasst werden. Die zweite Forderung ist, dass die Kosten der Bahnbaustellen nicht auf die Kantone abgewälzt werden. Serge Dal Busco ist Genfer Staatsrat und sagt zur Zeitung «Le Temps»: «Diese Botschaft ist bei Albert Rösti gut angekommen, aber er konnte keine Garantien geben.» Sie würden sich weiter gegen eine Verschlechterung des Angebots wehren, die mit zusätzlichen Kosten einhergeht.

Das fordert auch Jean-François Steiert: «Der Bund soll gewisse Kosten übernehmen, die durch die Bauarbeiten entstehen, wie zum Beispiel den Einsatz von Ersatzbussen. Ausserdem erwarten wir von den SBB, dass sie den Fahrplan schrittweise anpassen, um den Reisenden die Fahrt mit dem Fortschritt der Bauarbeiten zu erleichtern.»

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166 Kommentare
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Yuri Ismaylov
11.05.2023 06:50registriert Juli 2021
Direktzüge Genf - St. Gallen wird es weiterhin geben: IC1. Dieser fährt einfach statt via Biel via Bern - Freiburg - Lausanne nach Genf. Hätte man vielleicht noch erwähnen können.
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mstuedel
11.05.2023 07:20registriert Februar 2019
Als Bieler kann ich den Baustellenfrust der Westschweizer gut verstehen. So sind wir z.B. beim Pendeln nach Bern für Jahre aufs "Abstellgleis" 49/50 verbannt, mit 300m zusätzlichem Fussweg, und wenn es besonders gut kommt, steht dort ein Zug mit Bär und SCB Logo...
Im Ernst: dass der Direktzug nach Genf für Pendler z.B. aus dem Raum Neuchâtel oder Yverdon wegfällt, ist ärgerlich. Denn Genf hat einen noch grösseren Wohnungsmangel als Zürich, und es gibt viele Arbeiter, welche von sehr weit weg dorthin pendeln. Einige werden nun wieder das Auto nehmen oder ins nahe Frankreich umziehen.
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Tsherish De Love aka Flachzange
11.05.2023 06:59registriert September 2020
In Renens, dem lausanner Spreitenbach, umsteigen?

Wir träumen von guten internationalen Verbindungen, während es die SBB nicht mal schafft in der Westschweiz direkte Verbindungen zu schaffen.
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