An einem Bahnhof häufen sich die Reklamationen. Zahlreiche Kundinnen und Kunden melden, dass sie an einem Automaten ein Billett gelöst, aber kein Retourgeld erhalten hätten. Offenbar funktioniert die Herausgabe von Banknoten nicht.
Der Sicherheitsdienst der SBB schaut sich die Bilder der Überwachungskameras an und stellt elf verdächtige Szenen fest. Sie ereignen sich immer in der Dunkelheit und laufen nach dem gleichen Muster ab.
Ein Mann nähert sich dem Billettautomaten, schaut sich nach allen Seiten um und deckt die Überwachungskamera über ihm ab. Oder er versucht es. Einmal übermalt er die Linse mit einem blauen Stift. Das Bild wird bläulich verschwommen, die Bewegungen bleiben aber erkennbar. Ein anderes Mal fällt die Abdeckung herunter und der Mann bringt sie nochmals an.
Auf den Videoaufnahmen ist trotzdem genug zu sehen. Der Mann stopft etwas in den Schlitz, aus dem die Banknoten herauskommen sollten. Stunden später taucht er wieder auf und entfernt die Blockierung.
Der Trickdiebstahl hat einen Namen: Cash Trapping. Die Banknoten, die der Automat herausgeben soll, stecken fest. Wird die Blockade aufgehoben, kommt das Geld heraus. Ähnliche Fälle bei Bancomaten wurden vor zehn Jahren publik. Die Banken haben danach die Sicherheit erhöht. An SBB-Geräten ist der Trick aber offenbar immer noch möglich.
Speziell in diesem Fall ist: Der Mann trägt in einigen Videoaufnahmen eine Uniform der SBB. Das Bahnunternehmen schaltet seinen internen Ermittlungsdienst ein. Resultat: Es handelt sich um einen 44-jährigen Mitarbeiter des Reinigungsteams. Er arbeitet für die SBB, seit er 19 ist. In diesen 25 Jahren ist nie etwas Negatives über ihn dokumentiert worden.
Nach drei Monaten schliessen die SBB die internen Ermittlungen ab und konfrontieren ihren Mann damit. Er streitet alles ab und behauptet, er habe nur die Geräte gereinigt. Doch damit kommt er nicht durch. Die SBB entlassen ihn fristlos.
Der Trickdieb ist Mitglied der Gewerkschaft des Verkehrspersonals und lässt die fristlose Kündigung von dieser anfechten. Die Gewerkschaft kritisiert, dass die SBB zuerst abwarteten, dann aber nicht ordentlich, sondern fristlos kündigten. Doch das Bundesverwaltungsgericht attestiert den SBB saubere Arbeit bei der Aufarbeitung des Falls. Die Gewerkschaft zieht den Fall nicht weiter, wie sie auf Anfrage angibt.
Kürzlich beurteilte das Bundesverwaltungsgericht ein Fehlverhalten eines anderen SBB-Mitarbeiters. Dieser manipulierte die Bremsenkontrollen von Zügen und trug fiktive Werte ins Prüfsystem ein. Dadurch wurden defekte Bremsen nicht entdeckt. Auch dieser Mann wehrte sich mit Hilfe der Gewerkschaft gegen die Kündigung vor Gericht - ebenfalls ohne Erfolg.
Die SBB sagen zum aktuellen Fall: «Für uns wie auch für unsere Kundinnen und Kunden ist ‹Cash Trapping› sehr ärgerlich.» Wie viele Fälle es gibt, halten die SBB geheim. Sie empfehlen Betroffenen, die Nummer der Helpline zu wählen, die auf jedem Automaten angegeben sei. Dann werde versucht, das Geld zurückzuerstatten.
Im Fall des SBB-Trickdiebs kommt es zu einem Happy End: Die Betroffenen haben ihr Geld gemäss SBB zurückerhalten.
Urteil: A-1843/2021 (bzbasel.ch)
Das bedeutet nicht, dass die Gewerkschaft das Verhalten der Beschuldigten unterstützt, sondern bloss, dass sie sicherstellt, dass ihre Mitglieder auf jeden Fall ein faires Verfahren bekommen.