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SBB-Mitarbeiter manipulierte Billettautomaten und klaute das Retourgeld

SBB-Mitarbeiter manipulierte Billettautomaten und klaute das Retourgeld mit einem Trick

Der Mann arbeitete 25 Jahre für die SBB und fiel nie negativ auf. Bilder von Überwachungskameras zeigen nun eine andere Seite von ihm.
08.01.2022, 13:52
Andreas Maurer / ch media
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Tatort Billettautomat.
Tatort Billettautomat.Bild: Keystone

An einem Bahnhof häufen sich die Reklamationen. Zahlreiche Kundinnen und Kunden melden, dass sie an einem Automaten ein Billett gelöst, aber kein Retourgeld erhalten hätten. Offenbar funktioniert die Herausgabe von Banknoten nicht.

Der Sicherheitsdienst der SBB schaut sich die Bilder der Überwachungskameras an und stellt elf verdächtige Szenen fest. Sie ereignen sich immer in der Dunkelheit und laufen nach dem gleichen Muster ab.

Ein Mann nähert sich dem Billettautomaten, schaut sich nach allen Seiten um und deckt die Überwachungskamera über ihm ab. Oder er versucht es. Einmal übermalt er die Linse mit einem blauen Stift. Das Bild wird bläulich verschwommen, die Bewegungen bleiben aber erkennbar. Ein anderes Mal fällt die Abdeckung herunter und der Mann bringt sie nochmals an.

Auf den Videoaufnahmen ist trotzdem genug zu sehen. Der Mann stopft etwas in den Schlitz, aus dem die Banknoten herauskommen sollten. Stunden später taucht er wieder auf und entfernt die Blockierung.

Phänomen Cash Trapping: Der Trick mit der Notenausgabe

Der Trickdiebstahl hat einen Namen: Cash Trapping. Die Banknoten, die der Automat ­herausgeben soll, stecken fest. Wird die Blockade aufgehoben, kommt das Geld heraus. Ähnliche Fälle bei Bancomaten wurden vor zehn Jahren publik. Die Banken haben danach die Sicherheit erhöht. An SBB-Geräten ist der Trick aber offenbar immer noch möglich.

Das Innenleben eines Billettautomaten.
Das Innenleben eines Billettautomaten.Bild: Mareycke Frehner

Speziell in diesem Fall ist: Der Mann trägt in einigen Videoaufnahmen eine Uniform der SBB. Das Bahnunternehmen schaltet seinen internen Ermittlungsdienst ein. Resultat: Es handelt sich um einen 44-jährigen Mitarbeiter des Reinigungsteams. Er arbeitet für die SBB, seit er 19 ist. In diesen 25 Jahren ist nie etwas Negatives über ihn dokumentiert worden.

Der Trickdieb streitet vor Gericht alles ab

Nach drei Monaten schliessen die SBB die internen Ermittlungen ab und konfrontieren ihren Mann damit. Er streitet alles ab und behauptet, er habe nur die Geräte gereinigt. Doch damit kommt er nicht durch. Die SBB entlassen ihn fristlos.

Der Trickdieb ist Mitglied der Gewerkschaft des Verkehrspersonals und lässt die fristlose Kündigung von dieser anfechten. Die Gewerkschaft kritisiert, dass die SBB zuerst abwarteten, dann aber nicht ordentlich, sondern fristlos kündigten. Doch das Bundesverwaltungsgericht attestiert den SBB saubere Arbeit bei der Aufarbeitung des Falls. Die Gewerkschaft zieht den Fall nicht weiter, wie sie auf Anfrage angibt.

Kürzlich beurteilte das Bundesverwaltungsgericht ein Fehlverhalten eines anderen SBB-Mitarbeiters. Dieser manipulierte die Bremsenkontrollen von Zügen und trug fiktive Werte ins Prüfsystem ein. Dadurch wurden defekte Bremsen nicht entdeckt. Auch dieser Mann wehrte sich mit Hilfe der Gewerkschaft gegen die Kündigung vor Gericht - ebenfalls ohne Erfolg.

SBB versuchen, Geld zurückzuerstatten

Die SBB sagen zum aktuellen Fall: «Für uns wie auch für unsere Kundinnen und Kunden ist ‹Cash Trapping› sehr ärgerlich.» Wie viele Fälle es gibt, halten die SBB geheim. Sie empfehlen Betroffenen, die Nummer der Helpline zu wählen, die auf jedem Automaten angegeben sei. Dann werde versucht, das Geld zurückzuerstatten.

Im Fall des SBB-Trickdiebs kommt es zu einem Happy End: Die Betroffenen haben ihr Geld gemäss SBB zurückerhalten.

Urteil: A-1843/2021 (bzbasel.ch)

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19 Kommentare
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Andi Weibel
08.01.2022 14:42registriert März 2018
Damit es zu keinen Missverständnissen kommt: Die Gewerkschaftsmitglieder erwerben durch ihre Mitgliedschaft eine Rechtsschutzversicherung. Deshalb stellt ihnen die Gewerkschaft in solchen Fällen einen Anwalt zur Verfügung.

Das bedeutet nicht, dass die Gewerkschaft das Verhalten der Beschuldigten unterstützt, sondern bloss, dass sie sicherstellt, dass ihre Mitglieder auf jeden Fall ein faires Verfahren bekommen.
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Sebi Schacher
08.01.2022 18:48registriert Oktober 2019
Diebstahl, strafrechtlich relevant, von daher ist fristlose kündigung gerechtfertigt.
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El Vals del Obrero
08.01.2022 16:43registriert Mai 2016
Schade, dass er sein Technik- und Improvisationstalent nicht positiv genutzt hat.
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