Um 8.30 Uhr hätte die Verhandlung der Solothurner Beschwerdekammer beginnen sollen, in der über die Verwahrung des Brandstifters entschieden wird, der 2011 in der St.Ursen-Kathedrale Feuer gelegt hatte. Es kam nicht so weit: Günther L.*, dessen Gefährdungspotential den Behörden bestens bekannt ist, schlug im Gerichtsgebäude einen Gerichtsschreiber zusammen und verletzte diesen erheblich. Dann biss er Oberrichter Frank-Urs Müller, der die Verhandlung als Referent hätte führen sollen, so kraftvoll in den Unterarm, dass dieser zur Abklärung der Verletzung ebenfalls zum Arzt musste.
«Der Gerichtsschreiber wollte dem Mann ein Dokument des Zivilgerichts überreichen, als dieser ausrastete», beschreibt Obergerichtspräsidentin Franziska Weber die Attacke. «Der Angreifer hat gezielt ins Gesicht geschlagen und den Gerichtsschreiber so ernsthaft verletzt, dass dieser zur Pflege ins Spital musste.»
Günther L. lebt in der Region Solothurn. Seit seine Wohnung zwangsgeräumt wurde, gibt er als Wohnsitz «im Felde» an, ist passionierter Schütze, trägt gerne die Uniform der Schweizer Armee. Er solidarisierte sich mit dem Brandstifter der St.Ursen-Kathedrale und dessen Anliegen, auf Missstände aufmerksam machen zu wollen. Günther L. kämpft nach eigenen Angeben seit langem gegen «mafiöse» Zustände in der Solothurner Regierung und ganz besonders in der Solothurner Justiz, von der er sich ungerecht behandelt fühlt. Entsprechend ist er unter Beobachtung der Behörden.
Im Vorfeld der Verhandlung hatte Günther L. bei den beteiligten Oberrichtern mittels einer Petition die «umgehende und bedingungslose Freilassung» von Andres Z. gefordert. Diese Briefe enthielten unterschwellige Drohungen. Obergerichtspräsidentin Franziska Weber bestätigte, dass das Gefahrenpotenzial, das von Günther L. ausgeht, besprochen worden sei. Trotz Polizeipräsenz im Gerichtsgebäude kam es zum Gewaltausbruch. Der Gerichtsschreiber war sich offensichtlich der Gefahr nicht bewusst, in die er sich begab, als er Günther L. ein amtliches Dokument des Zivilgerichts überreichen wollte.
*Name von der Redaktion geändert (aargauerzeitung.ch)