Die Wahl ist zwar erst Anfang April in Basel, doch die Ausgangslage ist geklärt. SP-Präsident Christian Levrat wird nach zwölf Jahren durch ein Duo ersetzt werden. Es kommt zu einer Kampfwahl zwischen Mattea Meyer (ZH) und Cédric Wermuth (AG) sowie Priska Seiler Graf (ZH) und Mathias Reynard (VS).
Meyer und Wermuth gaben ihre Kandidatur bereits vor Monatsfrist bekannt. Sie starten aus der Poleposition und haben eine professionelle Kampagne aufgezogen. «Linker Aufbruch» heisst ihr Slogan, sie wollen den Bewegungscharakter der Partei stärken und mit einer Reichensteuer punkten. Es ist ihre Antwort auf die historische Wahlniederlage vom letzten Herbst. Die ehemaligen Jusos und beste Freunde haben ihre Kandidatur von langer Hand geplant.
Die Herausforderer Seiler Graf und Reynard machten ihre Ambitionen in der «NZZ am Sonntag» und im «Le Matin Dimanche» publik. Die Entstehungsgeschichte ihrer Kandidatur ist so ganz anders als bei Meyer/Wermuth. Die beiden lavierten und sprachen sich mit den Nationalräten Franziska Roth (SO) und Angelo Barrile (ZH) ab, die sich ebenfalls für das Amt an der Parteispitze interessiert hatten. Das Quartett analysierte, welche Kombination für die Partei am besten ist. Wenn schon ein Co-Präsidium, dann müsse auch die Romandie vertreten sein, sagt Seiler Graf. Und Reynard betont, dass ihr Tandem die Breite der Partei am besten abbilde.
Während Meyer und Wermuth als politische Zwillinge gelten, die bereits zusammen die Juso führten, die beide in jungen Jahren in den Nationalrat gewählt wurden und kleine Kinder haben, betonten Seiler und Reynard das Ergänzende.
Seiler kommt aus der Zürcher Agglo, Reynard aus einem Walliser Dorf. Sie ist 52-Jährig und hat drei teils erwachsene Kinder, er ist 32-Jährig und kinderlos. Reynard präsidiert die Unterwalliser Sektion der Gewerkschaft Unia, sie ist seit bald zehn Jahren Stadträtin im bürgerlich geprägten Kloten. Er möchte die Welt verändern, sie steht für pragmatische Lösungen. Seiler Graf beschäftigt sich im Bundeshaus vor allem mit Verkehrs- und Sicherheitsfragen, Reynard mit Gleichstellungspolitik und Gewerkschaftsthemen. Beide sind sie ausgebildete Lehrer und gelten als sozialkompetent.
Doch was ist ihr Programm? «Wir haben Ideen und werden sie auch noch zu Papier bringen, doch wir sind noch nicht so weit wie Meyer/Wermuth», sagt Seiler Graf. Klar ist nur: «Wir stehen nicht einfach für einen linken Aufbruch II, unsere Kandidatur steht für etwas anderes.» Seiler Graf und Reynard betonen, dass die SP eine verständlichere Sprache sprechen und wieder näher zu den Leuten müsse. Deshalb wollen sie auch mehr Urabstimmungen durchführen.
Inhaltlich sind die vier Kandidaten nicht weit voneinander entfernt. Unterschiede gibt es in der Art zu kommunizieren, zu politisieren und natürlich in den Persönlichkeiten. Das Duo Seiler Graf/Reynard polarisiert weniger als Meyer/Wermuth. Seiler Graf, die derzeit die Zürcher Kantonalpartei in einem Co-Präsidium führt, sagte in der «NZZ am Sonntag», die Rolle als «Mutter» der Partei würde ihr gefallen. Tatsächlich wird sie von Politikern als integrativ beschrieben.
Die Zürcher SP-Nationalrätin Min Li Marti erinnert daran, dass Seiler-Graf sehr belastende Situationen für die SP Zürich sehr gut gemeistert hat. Etwa die Nomination des parteiintern umstrittenen Regierungsrates Mario Fehr oder die Parteiübertritte von Chantal Galladé und Daniel Frei zur GLP: «Ihr Krisenmanagement war sehr gut, sie hat die Partei zusammengehalten.»
Seiler Graf und Reynard gelten als hervorragende Sachpolitiker. Umstritten ist, wie stark sie programmatisch sind – und als Welterklärer taugen. Seiler Graf kennt diese Kritik und sagt: «Ich kann das. Ich kann Positionspapiere schreiben.» Mit einem Augenzwinkern schiebt sie nach: «Ich kann sogar Platon im Original lesen.» Doch dann kommt das Aber: «Ich komme aus der Praxis, schaue was die Leute beschäftige und suche dann nach Lösungen. Ich lese nicht eine Theorie und biege dann die Realität zurecht.» Natürlich habe sie auch Marx gelesen. «Doch ich zweifle daran, dass die Rezepte aus dem 19. Jahrhundert die richtigen sind für das 21. Jahrhundert.»
Wermuth hat vor zwei Jahren ein Buch zu Marx herausgegeben und in diesem Zusammenhang dargelegt, was er von ihm gelernt hat. «Man muss die Kräfteverhältnisse ändern. Das hat etwas mit sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, zivilem Ungehorsam zu tun», sagte Wermuth damals im Radio SRF. Gesellschaften würden nicht verändert, indem man im stillen Kämmerlein grossartige Idee entwerfe und dann Resolutionen schreibe und Vorstösse einreiche. Solche Töne kann man sich von Seiler Graf schwer vorstellen.
Meyer/Wermuth gelten als Favoriten. Die entscheidende Frage dürfte sein, wie die Delegierten die Wahlniederlage vom Herbst analysieren. Waren die Verluste an die Grünen alleine dem Klima geschuldet und in vier Jahren ist alles wieder gut? Oder muss sich die SP grundlegender erneuern, weil sich die Volksparteien im Niedergang befinden? Wollen die Delegierten mehr Sicherheit oder Aufbruch? «Das Rennen ist offen», sagt Min Li Marti.
Dazu muss sich eine/r glaubhaft um die Sorgen der Mehrheit kümmern. Linke Theorien und akademische Diskussionen helfen nicht weiter.
Etwas mehr Lebenserfahrung mit etwas Schweiss und dreckigen Fingern ist gefragt.
Die SP-Mitglieder haben aber durchaus die Tendenz sich vor lautem blinden Idealismus selbst ins Knie zu schiessen und radikalen Unsinn zu propagieren um sich dann zu wundern, dass man die ehemalige Basis völlig verloren hat...
Daher, die Wahl wird spannend und zeigen, ob man eine sozialdemokratische Sachpolitik betreiben will oder eher sozialistische Ideen ohne Realität propagieren will.