Was sich schon länger abzeichnet, ist inzwischen deutlich: Der SP dürfte es schwerfallen, all ihre Sitze im Ständerat zu verteidigen. Die Ausgangslage ist schwierig, weil drei der acht Bisherigen ihren Rücktritt angekündigt haben. Die Langzeit-Ständeräte Paul Rechsteiner (SG), Hans Stöckli (BE) und Roberto Zanetti (SO) hören auf.
Die anstehenden Bundesratswahlen könnten die Ausgangslage noch verschärfen, falls einer der zwei SP-Ständerätinnen den Sprung in den Bundesrat gelingt. Die SP müsste dann auch den Sitz von Eva Herzog oder Elisabeth Baume-Schneider neu verteidigen. Zudem kandidiert Ständerätin Marina Carobbio für den Tessiner Regierungsrat.
Kurzum: Fünf ihrer acht Sitze muss die SP womöglich ohne den Bisherigen-Bonus verteidigen. Ein grosser Nachteil.
Das ist für die Partei umso bitterer, als ihre Delegation bereits arg geschrumpft ist. 2015 stellte die SP noch zwölf Ständerätinnen und Ständeräte – ein Rekord. Seither verlor die Partei vier Sitze an Grüne und Bürgerliche. Und nächstes Jahr könnte es ein so schlechtes Resultat setzen wie seit 1999 nicht mehr. Es wäre quasi ein Abstieg in die zweite Liga des Stöcklis.
Offizielles Ziel der SP ist es, mindestens ihre acht Sitze zu halten. «Das wird herausfordernd», räumt SP-Sprecher Nicolas Haesler ein. «Wir werden dafür kämpfen müssen.» Es sei wichtig, dass die SP auch in der kleinen Kammer gut vertreten sei, betont er: «Sonst ist der Ständerat in vielen wichtigen Themen ein Bremsklotz – etwa beim Klimaschutz, bei der Gleichstellung oder der Kaufkraft.»
Der erste Härtetest steht im Kanton St.Gallen an. SP-Schwergewicht Paul Rechsteiner tritt auf Ende der Wintersession zurück; Mitte März wird seine Nachfolgerin gewählt. Nationalrätin Barbara Gysi soll den Sitz verteidigen – eine schwierige Aufgabe im bürgerlich geprägten Kanton, zumal die FDP mit der über die Partei hinaus geschätzten Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher antritt. Die SVP schickt mit Esther Friedli ebenfalls eine bekannte Politikerin ins Rennen, die Grünen treten mit Franziska Ryser an. Entscheidend könnte sein, ob sich die Bürgerlichen im zweiten Wahlgang auf eine Kandidatin einigen können.
Ungemütlich ist die Ausgangslage für die SP auch in Solothurn: Mit FDP-Regierungsrat Remo Ankli greift dort ein starker Konkurrent nach dem SP-Sitz, den Nationalrätin Franziska Roth verteidigen will.
Noch schwieriger präsentiert sich die Ausgangslage im Tessin. Marina Carobbio hatte den Sprung in den Ständerat 2019 ganz knapp geschafft, auf Kosten der CVP. Doch nun dürfte sie in den Regierungsrat gewählt werden – und der SP-Ständeratssitz wieder verloren gehen. Ein Kandidat, der ihn retten könnte, ist bisher nicht in Sicht. SP-Mitglieder sagen hinter vorgehaltener Hand, dieser Sitz sei weg.
Die Aussichten sind aber keineswegs überall düster. Im Kanton Bern hat die SP gute Chancen, mit Nationalrätin Flavia Wasserfallen den Sitz zu verteidigen. Ihr könnte allenfalls der Grüne Bernhard Pulver gefährlich werden.
Als sicherer Wert gelten die bisherigen Ständeräte wie der Zürcher Daniel Jositsch. Auch neue Sitzgewinne sind möglich: In der Waadt hat Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard sehr gute Karten. Und in Neuenburg hat die SP Chancen, den Sitz von den Grünen zurückerobern.
Trotzdem: Drei Sitze wackeln teils heftig. Verliert die Partei alle drei und gewinnt einzig in der Waadt dazu, würde die SP-Delegation auf sechs schrumpfen. Das wäre schmerzhaft: Statt auf Augenhöhe mit FDP und Mitte wie im Jahr 2015 wäre sie nur noch halb so stark.
Die schwierige Ausgangslage hat nicht nur mit den Rücktritten der langjährigen Ständeräte zu tun, sondern auch mit den Bürgerlichen. Der Politologe Georg Lutz sagt: «Die Linke konnte längere Zeit von der Uneinigkeit und der Konkurrenzsituation der bürgerlichen Parteien bei Ständeratswahlen profitieren.»
Gemeinsam eroberten SP und Grüne 2019 14 Sitze, so viele wie nie zuvor – allerdings profitierten davon die Grünen, nicht die SP. Inzwischen funktioniere die Abstimmung unter den bürgerlichen Parteien eher wieder besser, was eine Herausforderung für die Linke sei, sagt Lutz.
Für die SP ist eine starke Vertretung im Ständerat doppelt wichtig: Einerseits im politischen Tagesgeschäft, andererseits längerfristig für die Sicherung ihrer beiden Bundesratssitze. Denn die Stärke im Stöckli ist ein gern genanntes Argument, wenn es um die Zusammensetzung der Landesregierung geht.