Die schlechte Nachricht kam am Mittwoch: Ständerätin Eva Herzog sagte via X (vormals Twitter) als Bundesratskandidatin für die Nachfolge von Alain Berset ab. Sie wolle sich auf das Ständeratspräsidium konzentrieren.
Damit ruhen die Hoffnungen der SP-Frauen vor allem auf der Berner Regierungsrätin Evi Allemann. «Eine Kandidatur reizt sie», sagt Anna Tanner, Co-Präsidentin der SP des Kantons Bern. «Sie wird sich nach den Berner Herbstferien Mitte Oktober äussern.» Wer mit Allemann selbst über eine Kandidatur spricht, dem fällt das Leuchten in ihren Augen auf. Allemann hat offensichtlich Interesse. Ihren Entscheid verkündet sie um den 16. Oktober herum.
Im Rennen ist aber auch Mattea Meyer (ZH), die Co-Präsidentin der SP. Auf eine Bundesratskandidatur angesprochen, lässt sie alles offen: «Bis am 22. Oktober zählen für mich nur die Wahlen. Wir wollen sie gewinnen und die Schweiz sozialer machen. Mit allen anderen Fragen beschäftige ich mich danach.» Das ist definitiv keine Absage.
Allemann (45) und Meyer (35) wären Bundesrätinnen einer neuen Generation mit je zwei Kindern. Genau diese Generation sähe die SP gerne in der Regierung. Diese hat – ohne Berset – ein Durchschnittsalter von 60 Jahren.
«Ernsthaft» überlegt sich auch Nationalrätin Tamara Funiciello (33, BE) eine Kandidatur:
Als Co-Präsidentin der SP-Frauen hat Funiciello ein zentrales Anliegen: eine starke Frauenkandidatur. «Die Frauen sind strukturell diskriminiert, das sieht man bereits an der Anzahl Bundesrätinnen im Vergleich zu den Bundesräten», betont sie. Seit 1848 seien nur 10 Frauen in den Bundesrat gewählt worden, aber 111 Männer. Selbst nach Einführung des Frauenstimmrechts 1971 seien die Chancen der Männer «fast dreifach so gross» gewesen: «Es wurden seither 10 Frauen, aber 29 Männer gewählt.»
Vor diesem Hintergrund dürfe der zweite SP-Bundesratssitz sehr wohl auch einer Frau zukommen, sagt Funiciello, betont aber: «Wohlverstanden darf, muss aber nicht.» Für sie wäre die Wahl einer Frau umso wichtiger, als das neue SP-Bundesratsmitglied mit grosser Wahrscheinlichkeit das Innendepartement (EDI) übernimmt.
Die vergangenen AHV-Revisionen hätten gezeigt, wie zentral es für Frauen sei, dass eine Frau das EDI führe, sagt Funiciello. «Ruth Dreifuss hat als erste Innenministerin dort Grosses erreicht für Frauen und Familien: gleich hohe AHV-Renten durch Betreuungsgutschriften für die Pflege von Eltern und die Erziehung von Kindern. Ein Meilenstein für die Gleichstellung.»
Schlechter beurteilt sie die Leistung von Berset: «Bei der AHV 2021 unter ihm war die Bilanz für die Frauen katastrophal: Das Rentenalter wurde erhöht, die Kompensationsgelder sind ungenügend, und sie wurden nicht mal der Teuerung unterstellt.»
Auch Funiciello ist es nicht entgangen, dass es mit den Frauenkandidaturen in der SP harzt. «Ich dachte, dass sich in der Session etwas bewegen würde», sagt sie. «Viele Frauen machen sich Gedanken. Doch die Zeit ist offenbar noch nicht reif für Entscheide.»
Das dürfte damit zu tun haben, dass die Wahl eher als Männerwahl gilt, selbst in der SP. Funiciello wählt dafür kämpferische Worte: «Wir treten gegen 174 Jahre Männermehrheit an – eine Herausforderung.»
Eine ganze Reihe von Politikerinnen verzichtet auf eine Kandidatur. Gemäss ihrem Umfeld will etwa die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr definitiv nicht kandidieren. Auch die junge St.Galler Regierungsrätin Laura Bucher sagt ab. «Es ehrt und freut mich, dass mein Name genannt wird», betont sie. Sie wolle aber einige grössere Vorhaben in St.Gallen realisieren. «Deshalb ist für mich eine Kandidatur für den Bundesrat im Moment kein Thema.» Auch die Waadtländer Regierungsrätin Rebecca Ruiz sagt: «Ich ziehe derzeit keine Kandidatur für den Bundesrat in Betracht.»
Eine Absage erteilen ebenfalls die Nationalrätinnen Min Li Marti (ZH) und Ursula Schneider Schüttel (FR). «Ich kandidiere nicht», sagt Min Li Marti, Partnerin von Grünen-Präsident Balthasar Glättli. Zwar würde sie ein Exekutivamt reizen. «Aber eher im Regierungs- oder Stadtrat. Für mich persönlich wäre die Exponiertheit zu gross und damit auch der Druck auf Familie und Angehörige.»
Schneider Schüttel, Präsidentin der Finanzdelegation, betont: «Wäre ich zehn Jahre jünger, würde ich sofort kandidieren. Das ist ein superspannender Job.» Mit 61 Jahren plane sie aber anders. Sie wolle noch eine Legislatur als Nationalrätin absolvieren, «und dann etwas von der Welt sehen und reisen».