Wer in Bern derzeit vom Rosengarten auf die Altstadt blickt, traut seinen Augen nicht. Auf der historischen Nydeggbrücke und beim Bärenpark ragen gigantische Kunstbauten in die Höhe. Der Bärengraben, die grösste Touristenattraktion Berns, ist mit Sponsorenbauten zugestellt und eingezäunt.
Dieses Wochenende machen die Denkmalschützer besser einen Bogen um die Berner Altstadt. Wie der Bärengraben sind die Hauptgassen komplett mit Ständen zugestellt. Sogar ein Touristen-«Zügli» kurvt herum. Urlauber suchen auf den abgesperrten Strassen verzweifelt den Weg zum Rosengarten. Der Tross der Formel E nimmt die Bundesstadt in Beschlag wie kaum ein Ereignis je zuvor. Und das gleich über mehrere Tage.
Die Boliden rasen am Samstag auf einer spektakulären Berg-und-Tal-Strecke vom Bärengraben durch das Obstberg-Quartier.
Dieses können die Anwohner mittlerweile nur noch über spezielle Übergänge erreichen. «Wir fühlen uns eingesperrt», sagt Heini Gysel, Präsident der Nachbarschaftsgruppe Obstberg, zu watson. Die Stimmung sei in den letzten Tagen gekippt. Selbst anfängliche Befürworter des Rennens seien mittlerweile erzürnt über die Organisation. Auch die Verkehrsbetriebe Bernmobil sind sauer. Umleitungskonzepte für die Busse funktionieren wegen mangelhaften Angaben der Veranstalter nicht. «Wir sind verstimmt», sagt ein Bernmobil-Sprecher zum Bund.
«Dieser Gigantismus gehört nicht in eine Stadt wie Bern. Es ist, im Verhältnis zum Nutzen des Rennens, ein grotesker Blödsinn», sagt auch Walter Däpp, der ebenfalls im Obstberg-Quartier wohnt. Däpp ist mit seiner Meinung nicht alleine.
«Der Formel E den Stecker ziehen»: Am Donnerstagabend protestierten 1000 Personen an einer Velo-Demo gegen das Rennen. Anwohner sprachen dort gar von einem «Gulag», in dem sie wegen des Formel-E-Zirkus leben müssten. Es kam bei der Demo sogar zu Vandalenakten an den Werbebanden.
Den Menschen stösst insbesondere sauer auf, dass die Stadtregierung den Anlass durchboxte, ohne die Bevölkerung miteinzubeziehen. Dies in einer Stadt, wo Anwohner sonst wegen jeder Aussenbestuhlung eines Restaurants Einsprache erheben können. Damit nicht genug: Um den Anwohner-Badge zu erhalten, müssen die Bewohner des Obstbergquartiers die Organisatoren von jeder Haftung befreien, sollen auf ihr Recht am eigenen Bild verzichten und dürfen nicht filmen.
Das soll sich nicht wiederholen. «Ich gehe davon aus, dass der Anlass ein einmaliger Klamauk bleibt. Gegen eine zweite Austragung würden wir auf die Barrikaden gehen», so Däpp weiter.
Nun räumt auch die Stadtregierung Fehler ein: «Wenn Pannen passieren, insbesondere in der Informationspolitik des Veranstalters, ist das unerfreulich. Es sind Fehler passiert, es gab erhebliche Probleme, und zum Teil hatten wir andere Vereinbarungen getroffen», sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause zum «Bund». Man versuche mit Hochdruck, zu korrigieren.
So oder so dürften die Boliden so schnell nicht wieder durch die Bundesstadt rasen. 2020 soll der Formel-E-Zirkus wieder in Zürich Halt machen. 2021 sollen die Rennautos durch Genf kurven.
Für die Anwohner des Berner Obstbergsquartiers hat die Sperre zumindest eine positive Seite. «Es hat absolut keinen Verkehr im Quartier. So ruhig war es hier noch nie», sagt Gysel.
A rollercoaster street circuit in the Swiss city of Bern! Is this the craziest track layout we've ever raced? #SwissEPrix #ABBFormulaE pic.twitter.com/yqrTKqUDSs
— ABB Formula E (@FIAFormulaE) June 18, 2019
Das Formel-E-Rennen sorgt auch auf sozialen Medien für hitzige Diskussionen. «Dort wird der E-Grand-Prix verteidigt: Würden die Jammeri in Bern so viel Energie in den wirtschaflichen Fortschritt investieren, wäre Bern komplett schuldenfrei», schreibt ein User.
Aktuell wird bezüglich der #FormelE in Bern viel gejammert.
— Ballenbern (@ballenbern) June 21, 2019
Würden die #Jammeri in Bern so viel Energie in wirtschaftlichen Fortschritt investieren wie in das #Gränne, wäre die Stadt Bern komplett schuldenfrei.
Die #FormelE pflügt für wenige Tage die schläfrige Ordnung der Bärner Beamtenseelen um, und es wird viel gejammert (was gar nichts bringt) und wie üblich demonstriert. Man möchte lieber so leben, wie in einem Dorf der vorindustriellen Zeit. #FilagPennerhttps://t.co/8FYiSquhNv
— Lahor Jakrlin (@LahorJakrlin) June 21, 2019
- Flugshows sind nicht gut
- Street Parade ist nicht gut
- Gondeli fahren über den Zürisee ist nicht gut.
- Füdliblut wandern ist nicht gut.
Was darf man heute noch was Spass macht?
Sind doch alles dipl. Bünzlis ohne Spass im Leben.