«Wo ist Frau Badran?», hört man den SRF-Moderator Sandro Brotz fragen. Alle Gäste sind bereits im Studio 8 versammelt, stehen hinter ihren Stehpültchen parat, auch das Publikum hat sich längst auf den Plätzen eingefunden. Nur eine fehlt: SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, nebst der ehemaligen BDP-Bundesrätin und heutigen Präsidentin von Pro Senectute, Eveline Widmer-Schlumpf, die wichtigste «Arena»-Teilnehmerin an jenem Freitagabend.
Denn es geht um die Reform der AHV, über die am 25. September an der Urne abgestimmt wird. Seit zwei Jahrzehnten wird im Parlament über eine Anpassung der Altersvorsorge gestritten. Der letzte grosse Wurf gelang 1997 mit der zehnten AHV-Revision. Damals wurde das Frauenrentenalter von 62 auf 64 Jahre erhöht, das Ehegattensplitting und Erziehungs- und Betreuungsgutschriften wurden eingeführt.
Seither wurde jeder erneute Versuch, die AHV zu revidieren, vom Volk verworfen. Der jüngste Vorschlag der AHV 21 will das Frauenrentenalter von 64 auf 65 Jahren erhöhen und die Mehrwertsteuer erhöhen. So soll die gebeutelte Kasse wieder gefüllt werden. Die Vorlage hat gute Chancen, an der Urne durchzukommen. Wäre da nicht der grosse Widerstand vieler Frauen. An vorderster Front gegen die Reform kämpft die SP-Frau Badran. Wo aber bleibt sie nur?
Endlich stürzt sie ins Studio, stellt sich neben ihre Mitstreiterin Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen, nickt Widmer-Schlumpf und Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen, die ihr gegenüberstehen, zu. Zeit, sich warm zu reden, braucht Badran nicht. Sie startet von null auf hundert.
«Das Hauptproblem in diesem Land ist die Rentensituation. Die Hälfte der Leute lebt von einer Rente, die tiefer ist als 3500 Franken. Das ist nicht existenzsichernd.» Die jetzige Vorlage löse keine Probleme, sondern verschlimmere diese. Und das ausgerechnet auf dem Buckel jener, die bei den Renten am schlechtesten dastehen, bei den Frauen. Das sei inakzeptabel.
Widmer-Schlumpf kontert, die AHV sei das einzige Sozialwerk, wo Frauen und Männer gleichberechtigt seien. «Dafür haben wir lange gekämpft und ich finde es super, dass wir das erreicht haben.» Deswegen findet es Widmer-Schlumpf nur fair, wenn nun auch das Rentenalter der Frauen jenem der Männer angeglichen werde. Spreche man hingegen über die allgemeine Rentensituation unter Miteinbezug der beruflichen Vorsorge, stünden die Frauen tatsächlich nicht gut da. Aber darum gehe es bei dieser Abstimmung ja nicht. «Hier geht es um die AHV.»
Womit die Diskussion beim Kern der Debatte angelangt war: Alle Studiogäste anerkennen zwar, dass Frauen bei der beruflichen Vorsorge benachteiligt sind und auch die 2. Säule reformiert werden muss. Doch im Unterschied zu Badran und Küng, die dieses Problem als ein Ganzes anpacken wollen, finden Müller und Widmer-Schlumpf: zuerst das eine, danach das andere.
Studiogast Prisca Ulrich ist 60 Jahre alt und Berufsschullehrerin in Basel. Sie sei für die Gleichberechtigung bei der AHV, aber erst, wenn Frauen bei der Pensionskasse nicht mehr benachteiligt werden. Weil Frauen öfter Teilzeit arbeiten und sich mehr um unbezahlte Familienarbeit kümmern, können sie weniger in die 2. Säule einbezahlen und seien deswegen später bei der Rente benachteiligt.
Küng von den Jungen Grünen doppelt nach: «Die Frauen müssen heute mit einem Drittel weniger Rente durchkommen. Jede sechste pensionierte Frau lebt in Armut.» In einem reichen Land wie der Schweiz müsse es doch möglich sein, Frauen, die ein Leben lang gearbeitet haben, eine würdige Rente zu geben. «Ich arbeite gerne gleich lang wie die Männer, aber erst, wenn Lohngleichheit herrscht und wir bei der unbezahlten Sorge- und Hausarbeit Gleichstellung geschaffen haben.»
«Am Schluss geht es eben doch um das Rentensystem als Ganzes und wie viel Rente die Leute bei ihrer Pensionierung tatsächlich erhalten», sagt Badran. Das sei kein Frauen- oder Männer-Problem, sondern ein Problem derjenigen Menschen, die unbezahlte Arbeit erledigen. «Die berufliche Vorsorge ist teilzeitfeindlich und tieflohnfeindlich.» Die AHV 21 löse das Problem der tiefen Frauenrenten nicht, sondern verschärfe es. Darum müsse man die Vorlage ablehnen und das Geschäft zurückschicken. «Dann können wir eine Reform machen, die vielleicht auch das Rentenalter 65 für alle bringt, auch eine Zusatzfinanzierung enthält, aber auch höhere Renten für Frauen bringt.»
Der Jungfreisinnige Matthias Müller wirkt etwas genervt. «Was Frau Badran hier ausführt, hat mit der 2. Säule zu tun, aber nichts mit der AHV 21.» Bei der Abstimmung über die Altersvorsorge 2020 habe man ja alles zusammengenommen. Die AHV und die berufliche Vorsorge. Doch die Bevölkerung sagte dazu Nein. «Das müssen Sie akzeptieren. Unser Auftrag ist es darum nun, Säule für Säule zu reformieren.»
Moderator Brotz überzog die Sendezeit, liess seine Studiogäste lange Voten ausführen und doch kam die Diskussion nicht vom Fleck: Geht es nun nur um die AHV oder muss das ganze Rentensystem zusammen gedacht werden?
Dass die Bürgerlichen nach der AHV auch die Pensionskasse so reformieren, dass die Lücken für die Frauen geschlossen werden, wollte Küng ihrem Kontrahenten Müller nicht richtig glauben. «Wir Frauen können nicht darauf vertrauen, dass ihr uns bei der beruflichen Vorsorge helfen werdet.» Damit sprach sie ein Gedanke laut aus, der bei der Abstimmung am 25. September wohl entscheidend sein wird.
Dossierfest. Engagiert. Sozial aber mit Blick auf die Unternehmen und vor allem KMUs welche das Rückgrat der Schweiz sind.
Ganz klar meine liebste Politikerin.