Was geschah nach dem Geburtstag von Ständerat Hans Stöckli? Diese Frage beschäftigte am Freitagabend die Gäste in der «Abstimmungs-Arena» zum Tabakwerbeverbot. Dazu gleich mehr. Begonnen hatte SRF-Moderator Sandro Brotz den Abend nämlich ganz woanders. Mit einem Thema, um das sich die «Arena» seit bald zwei Jahren fast immer dreht. Ihr ahnt es: Corona.
Denn wenige Stunden vor der Sendung machte Bundesrat Alain Berset an einer Pressekonferenz in Aarau Hoffnung auf ein baldiges Ende der Massnahmen. Er stellte bereits für die kommende Woche Lockerungen in Aussicht. Und als Berset am Abend dann im Fernsehstudio 8 stand, konnte sich Brotz die Frage aller Fragen nicht verkneifen: Wann ist der Spuk vorbei?
Berset antwortete gewohnt vorsichtig, aber dennoch bemerkenswert vielversprechend: «Wenn es gut geht, könnte das schon sehr bald der Fall sein. Es geht in die richtige Richtung. In den letzten zwei Jahren war ich noch nie so optimistisch wie heute. Das ist eine grosse Veränderung.»
Schnell folgte danach der Themenwechsel und die Fragen von Brotz wurden härter. Berset, der als Bundesrat das Kollegialitätsprinzip wahren muss, vertrat in der «Arena» die Seite der Initiativ-Gegner. Entgegen den Interessen seiner Partei und entgegen dem Interesse seines eigenen Departements. Dass sich der Gesundheitsminister gegen das Verbot von Tabakwerbung stellte, betitelte Brotz als «paradox».
Berset räumte ein, dass Rauchen unbestritten schädlich sei. Doch da Zigaretten legal verkauft werden dürfen, müsse es auch möglich sein, diese zu bewerben. Der Gegenvorschlag zur Initiative gehe darum weniger weit, beinhalte aber wichtige Verbote. «Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung», sagte er. Doch nicht mal er selbst schien von seiner mageren Argumentation überzeugt. Er gab denn auch offen zu, dass sich der Bundesrat ursprünglich härtere Gesetze gewünscht gehabt hätte.
Nicht nur der Bundesrat sprach sich ursprünglich für ein restriktiveres Tabakwerbeverbot aus, auch der Ständerat unterstützte dieses Anliegen. Was uns zurück zur Frage bringt: Was geschah nach dem 12. April 2021, dem Tag, als Hans Stöckli seinen 69. Geburtstag feierte?
Der SP-Ständerat freute sich an jenem Tag nämlich nicht nur über die vielen Geschenke, sondern auch darüber, dass sich die Gesundheitskommission des Ständerates für weitergehende Vorschriften bei der Tabakwerbung aussprach. Doch nur zwei Monate später weichte der Ständerat die geplanten Restriktionen auf. Stöckli verstand diese Kehrtwende nicht. Hinter seinem Stehpult sichtlich aufgebracht forderte er: «Es wäre interessant, wenn man dem mal nachgehen würde.»
Der Richtungswechsel im Parlament und beim Bundesrat habe Stöckli und seine Mitstreiter schliesslich dazu bewogen, die Initiative zu starten. Diese will, dass überall dort, wo Minderjährige erreicht werden, Tabakwerbung verboten wird. Sprich auf Plakaten, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Gratiszeitungen, an Festivals et cetera.
FDP-Ständeratskollege Ruedi Noser fand das völlig unnötig. Er ist der Meinung, bereits jetzt gehe das Gesetz weit genug. Zigaretten dürften nicht an unter 18-Jährige verkauft werden und seit vielen Jahren gelte ein Verbot von Tabakwerbung, die sich gezielt an Jugendliche richtet. «Wir haben alles schon gemacht. Jetzt stimmen wir einzig darüber ab, ob es ein generelles Werbeverbot geben wird.» Tatsache ist allerdings, dass mit geltendem Gesetz und dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates weiterhin Zigarettenwerbung in Zeitungen oder im Internet erlaubt wäre.
In der hinteren Reihe sass Thomas Cerny, Onkologe und Präsident der Krebsforschung Schweiz. Er weiss, wie es ist, wenn Menschen, die ihr Leben lang geraucht haben, an Krebs sterben. Er habe schon tausende Patienten auf ihrem letzten Weg begleitet. «Tabak ist ein hoch süchtig machendes Produkt», sagte er. Nicht vergleichbar mit irgendwelchen anderen Produkten, die täglich beworben werden. Für ihn sei diese Werbediskussion völlig absurd. «Weil ich denke, wie viel Zeit habe ich mit Menschen verbracht, die sagten: ‹Verdammt, hätte ich doch nur nicht geraucht.›»
Eine Plexiglasscheibe trennte den Arzt von der Frau, die ein valides Interesse daran hat, dass möglichst viele Menschen in der Schweiz regelmässig zur Zigarette greifen: Brenda Ponsignon ist Vorstandsmitglied des Branchenverbands Swiss Cigarette. Sie fand, Erwachsene sollten selbst entscheiden können, ob sie dieses Produkt konsumieren wollen. Dass Rauchen schädlich ist, das wisse heute jeder, das stehe auch auf jeder Packung. «Und weil das Produkt legal ist, sollte man auch dafür werben dürfen.»
Neben ihr nickte SVP-Nationalrat Mike Egger eifrig. Im Gegensatz zu den Befürwortern der Initiative traue er den Menschen noch zu, dass sie selbst entscheiden können. Die Politik der Links-Grünen sei bevormundend und unehrlich. Würde es ihnen wirklich um die Gesundheit gehen, dann müssten sie ein Tabakprodukteverbot lancieren. Denn gerade das Beispiel von Frankreich zeige, dass es gar nichts bringe, lediglich die Werbung zu verbieten. «Dort herrscht seit 1991 ein komplettes Werbeverbot für Tabakprodukte. Doch die Raucherquote ist höher als in der Schweiz.»
Ein Vergleich, den Moderator Brotz so nicht stehen lassen konnte. Egger vermische da zwei Dinge miteinander, tadelte er. Brotz korrigierte: In Frankreich sei die Raucherquote zwar insgesamt höher als in der Schweiz. Aber laut OECD sei sie seit der Einführung von Werbeverboten gesunken. «Das zeigt doch: Das Verbot wirkt.» Egger konnte sich gerade noch fangen, indem er ausführte, dass andere Faktoren massgeblicher seien, ob die Leute rauchen oder nicht. Die Werbung habe da einen kleinen Einfluss.
Anders sah das Stöckli. Er machte ein Beispiel: «Natürlich habe ich meine Rolex nicht wegen Roger Federer gekauft», sagt er. Doch steter Tropfen höhle den Stein. Ein Jugendlicher sehe sich an einem Samstag 68-mal mit Tabakwerbung konfrontiert. Das Risiko zu rauchen hänge massiv davon ab, in welchem Werbeumfeld man ist.
Brotz hörte den Ausführungen von Stöckli zu, unterbrach ihn dann, als dieser zum nächsten Argument ansetzen wollte. Der SRF-Moderator hielt dann aber inne und fragte bei Stöckli nach: «Ist das wirklich eine Rolex?» Was Stöckli bejahte und Noser mit der Frage «Die SP vermag Rolex?» quittierte.
Das Rolex-Beispiel nahm Yvonne Gilli, die Präsidentin der Ärztevereinigung FMH, nochmals auf. In der Werbung für Rolex gehe es eben nicht primär um die Uhr, sondern um Roger Federer. Er sei es, der den Leuten im Kopf bleibe. So sehr, dass man schliesslich Roger Federer mit einer Rolex assoziiere. Und dasselbe passiere mit Tabakwerbung bei Minderjährigen. Natürlich werden nicht direkt Zigaretten beworben. Sondern ein Lebensgefühl, eine coole Gruppe, etwas, das die Jungen mit der Zigarette assoziieren können.
Zum Schluss wurde Gilli klar: «Über die Hälfte der nikotinabhängigen Menschen haben als Jugendliche zu rauchen begonnen. Wir wissen, dass Einschränkungen der Werbung hier wirksam sind.»
Und das aus dem Munde eines SVPlers. Ganz grosses Kino.