Nun steht es nach langem Hin und Her endlich fest: Für die Mitte ins Bundesratsrennen gehen Markus Ritter und Martin Pfister.
Der eine ist seit 2011 Nationalrat für den Kanton St.Gallen, der andere sitzt seit 2016 als Gesundheitsdirektor in der Zuger Regierung. Der eine hat den Ruf, der «mächtigste Parlamentarier der Schweiz» zu sein, den anderen mussten die meisten Schweizerinnen und Schweizer erst einmal googeln, nachdem er seine Kandidatur bekanntgegeben hatte. Der eine ist als Bauernpräsident national weit vernetzt, was ihm Fans und Kritiker eingebracht hat, der andere ist praktisch ein unbeschriebenes Blatt.
Sind die Parteien zufrieden mit dieser Kandidatenauswahl für den Bundesrat? Diese Frage beantworteten in dieser SRF-«Arena»:
Drei zu eins steht es an diesem Abend. Die drei Gäste seitens SVP, FDP und natürlich der Mitte sind zufrieden mit dem Bundesratsticket.
SVP-Nationalrat Mike Egger spricht sich gar schon klar für Markus Ritter aus. Natürlich nicht, weil dieser im Nationalrat öfters gleich stimmt wie die SVP – anders als die Mehrheit der Mitte-Partei. Nein, selbstverständlich, weil Egger genauso wie Ritter aus dem Kanton St.Gallen kommt.
FDP-Ständerat Josef Dittli hat hingegen für beide Kandidaten gute Worte. Ein weiser Entscheid.
2022 schlossen sich der Bauernverband und die grossen Schweizer Wirtschaftsverbände zu einer Allianz zusammen. «Geld-und-Gülle-Allianz» nannten es Kritikerinnen und Kritiker. Der Deal: Die Bauern stellten auf ihren Feldern künftig nicht nur Wahlplakate des Bauernverbands auf, sondern auch der Wirtschaftsverbände. Dafür winkten die Wirtschaftsvertreterinnen und Wirtschaftsvertreter im Parlament die Forderungen der Bauern nach mehr Subventionen durch.
Diese Allianz ist vor allem auf dem «Mist» von Bauernpräsident Markus Ritter gewachsen. Mit ihm will man es sich in der FDP also nicht verscherzen. Auch wenn innerhalb der Partei zunehmend Kritik am Kuhhandel mit dem Bauernverband aufkommt. Unter anderem, weil die Bäuerinnen und Bauern trotz der entsprechenden Wahlplakate auf ihren Feldern nicht so abstimmten, wie es sich die Wirtschaft wünschte. Etwa bei der 13. AHV-Rente.
Vielleicht deshalb rutscht Dittli beinahe eine implizite Kritik an Ritter heraus:
Moderator Sandro Brotz eilt Dittli zu Hilfe und fragt: «Also … Seilschaften im positiven Sinne?» Dittli nimmt die Hilfe dankend an: «Aus meiner Sicht im positiven Sinne. Selbstverständlich.»
Mitte-Ständerätin Marianne Binder sagt, ihre Partei biete mit Ritter und Pfister eine gute Auswahl. Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone findet, das komplette Gegenteil sei der Fall. Und das gleich aus mehreren Gründen.
Erstens, weil es die Mitte nicht geschafft hat, eine Frau auf dem Ticket aufzustellen. Dabei sei das nach wie vor wichtig und mache einen grossen Unterschied, wenn es um Gleichstellungs- und Klimafragen gehe im Bundesrat.
Zweitens, weil Markus Ritter für die Grünen nicht wählbar ist. Nicht nur, weil mit Karin Keller-Sutter bereits eine St.Gallerin im Bundesrat sitzt. Nicht nur, weil mit Ritter der fünfte Bundesrat mit bäuerlichem Hintergrund in die Landesregierung ziehen würde (Beat Jans hat eine Landwirtschaftslehre absolviert, Guy Parmelin ist Winzer, Albert Rösti hat Agronomie studiert, Elisabeth Baume-Schneider ist Bauerntochter). Auch nicht nur, weil Ritter im Parlament fast denselben Kurs fährt wie die SVP. Was Mazzone am meisten stört, ist Ritters Politstil:
Drittens hat Mazzone auch etwas gegen den zweiten Kandidaten auszusetzen:
Niemand könne seine politische Ausrichtung innerhalb der Mitte einschätzen. Er habe noch keine klaren Aussagen zu irgendwelchen nationalen Geschäften gemacht. Ihr Eindruck sei, dass Pfister auf FDP-Linie sei, also innerhalb der Mitte ebenfalls eher rechts angesiedelt. Darum kommt Mazzone zum Schluss:
Mit diesen beiden Kandidaten befürchtet Mazzone, dass im Bundesrat künftig nicht nur ein Viererblock aus den beiden SVP- und FDP-Bundesratsmitgliedern herrschen wird, sondern ein Fünferblock. Ein Fünferblock, der die beiden Stimmen der SP im Bundesrat komplett nichtig macht. Noch mehr als jetzt sowieso schon mit Karin Keller-Sutter und Albert Rösti, die im Bundesrat den Ton angeben würden.
Mazzones Horrorszenario klingt in Mike Eggers Ohren wie Musik:
Das Volk habe sich bei den letzten Wahlen schliesslich klar für eine bürgerliche Mehrheit aus SVP, FDP und Mitte entschieden. «Diese bürgerliche Mehrheit soll auch im Bundesrat vertreten sein», sagt Egger und lässt eine lange Tirade von sich, in der er indirekt behauptet, der jetzige Bundesrat sei immer noch zu links.
Marianne Binder hält Mazzone zusätzlich entgegen:
Autsch. Da hat Binder einen wunden Punkt getroffen. Die Grünen fordern seit den Wahlen 2019 einen Sitz im Bundesrat. Am liebsten auf Kosten der FDP. Obwohl sie bei den letzten Wahlen stark an Wählerinnen und Wählern verloren haben. Aber das ist ein Thema für eine andere Bundesratswahl.
An diesem Abend ging es um die Frage: Ritter oder Pfister? Wie sich die Parteien entscheiden werden, ist nach dieser Sendung genauso offen wie davor. Zumindest bei den Bürgerlichen.
Entscheidend wird wohl nicht sein, wie kompetent Martin Pfister ist. Sondern, wie weit die Macht von Markus Ritter tatsächlich geht. Denn es ist kein Zufall, dass so viele Bundesratsmitglieder einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben. Ritter trägt auch den Übernamen «der Königsmacher». Wer er in der Vergangenheit im Bundesrat sehen wollte, wurde gewählt.
Und wenn er sich selbst im Bundesrat haben will? Bleiben ihm die Mitglieder seiner eigens sorgfältig kuratierten Konferenz der bäuerlichen Parlamentarierinnen und Parlamentarier treu? Oder rebellieren sie?
Und wenn sie nicht rebellieren: Wird Ritter das VBS bei nächster Gelegenheit verlassen und sich den jetzigen Platz des ältesten Bundesratsmitglieds, Guy Parmelin, schnappen? Wo er als Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung, in dem sich das Bundesamt für Landwirtschaft befindet, endlich das absolute Maximum für die Bäuerinnen und Bauern herausholen kann?
Es bleibt spannend.
Bzgl Thema Frau: wenn bei der Mitte jetzt eine Frau kandidiert hätte und sie nicht nominiert worden wäre könnte man das gerne kritisierenl. Aber wie um Himmels Willen will die Mitte eine Frau aufs Ticket bringen wenn alle Frauen, und es waren einige, absagen?
Aber damals war eine unbekannte Regierungsrätin kein Problem. Jetzt schon.