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Ukraine-«Arena»: Brotz gegen Rutz – es gewinnt nicht der Moderator

In der Ukraine-«Arena» versucht Moderator Brotz SVP-Nationalrat Rutz aus der Reserve zu locken.
In der Ukraine-«Arena» versucht Moderator Brotz SVP-Nationalrat Rutz aus der Reserve zu locken.bild: screenshot/srf

Ukraine-«Arena»: Brotz gegen Rutz – es gewinnt nicht der Moderator

Über den Krieg in der Ukraine lässt sich schwer diskutieren. Das zeigte die SRF-«Arena» vom Freitag. Selbst ein Rapper und ein stichelnder Moderator halfen nicht weiter.
12.03.2022, 01:5312.03.2022, 12:50
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17 Tage dauert der Krieg in der Ukraine bereits an. Gemäss der UNO sind seit Beginn des russischen Angriffs über zwei Millionen Menschen auf der Flucht. An vielen Orten in der Ukraine werden Lebensmittel knapp, es gibt weder Strom noch Wasser.

Die Solidarität in Europa ist gross. Seit Beginn des Krieges gehen die Menschen immer wieder auf die Strasse und demonstrieren für Frieden. Am Mittwoch sammelte die Glückskette an einem nationalen Spendentag in der Schweiz mehr als 50 Millionen Franken.

Die Flüchtlingshilfe spricht von einer «fantastischen Solidarität». Doch reicht diese aus? Wie kann man den Menschen in der Ukraine noch helfen? Darüber plante SRF-«Arena» Moderator Sandro Brotz mit den unterschiedlichsten Gästen zu debattieren.

So steht in der ersten Reihe etwa Andres Andrekson alias Rapper Stress. In die Sendung eingeladen wurde er, weil er bis zum zwölften Lebensjahr in der ehemaligen Sowjetunion, dem heutigen Estland wohnte. Neben Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller und SVP-Nationalrat Gregor Rutz soll auch Toni Frisch, der ehemalige Leiter Humanitäre Hilfe beim DEZA mitdiskutieren.

Doch bereits die ersten Minuten zeigen: Über Krieg lässt sich schwer debattieren. Zu unterschiedlich sind die Gäste, zu vollgepackt die Sendung.

Wo sich sonst Politikerinnen und Politiker Wortgefechte liefern, schildert der Ukrainer Alexander Bondartschuk per Videotelefonie, warum er mit seiner Familie nicht flüchten will. «Ich kann mein Land nicht verlassen. Das käme einem Verrat gleich. Ich glaube, dass das Militär uns schützen kann», sagt Bondartschuk.

Video: watson

Die in der Schweiz wohnhafte Ukrainerin Olga Parakkal schildert, wie ihre 64-jährige Mutter lange gegen eine Flucht war. «Am Donnerstag rief sie mich an und sagte «Olga, vielleicht ist es doch besser, wenn ich fliehe.» Ihre Mutter habe sich bis nach Krakau durchschlagen können, so Parakkal. «Wenn alles gut läuft, kommt sie am Sonntag in der Schweiz an.»

Die Geschichten von Bondartschuk und Parakkal bewegen, ohne Zweifel. Doch sie lassen sich nicht diskutieren. Auch wenn es «Arena»-Dompteur Brotz immer wieder versucht. Ob er denn bei sich zu Hause Geflüchtete aufnehmen würde, will er von SVP-Nationalrat Gregor Rutz wissen. Dieser lässt sich nicht aus der Ruhe bringen: «Selbstverständlich helfe ich, wo ich kann.»

Stetig versucht Brotz Rutz aus der Reserve zu locken. Ihn als Gegenpol neben Mitte-Nationalrätin Binder-Keller, Ex-Diplomat Frisch und Rapper Stress zu positionieren. Zitiert aus SVP-Medienmitteilungen, stichelt und zündelt. Aber Rutz lässt sich nicht zum Buhmann machen.

Video: watson

Nach zähen 50 Minuten ergibt sich der erste Hauch einer Diskussion. Es geht um die Neutralität der Schweiz. Und ob das Land diese mit den beschlossenen Sanktionen gegen Russland geritzt habe.

Mitte-Nationalrätin Binder-Keller erntet für ihre Aussage den ersten und einzigen Studioapplaus. «Die Schweiz ist ein Teil Europas. Wir müssen diese Sanktionen mittragen. Das ist neutral.» Würden man das nicht tun, so Binder-Keller weiter, würde man sich auf Seite des Aggressors stellen. «Wir können nicht Partei ergreifen für das Unrecht.»

Ohne dass Moderator Brotz darum bitten muss, reagiert SVP-Nationalrat Rutz und widerspricht Nationalratskollegin Binder-Keller: «Wir könnten eine wichtige Vermittlerrolle zwischen der Ukraine und Russland einnehmen.» Das funktioniere jedoch nur, wenn man von beiden Parteien als neutral betrachtet werde. «Im Zweiten Weltkrieg hat die Schweiz besonders etwas gelernt: Wenn sich zwei Grossmächte auf den Deckel geben, müssen wir uns raushalten», sagt Rutz.

Video: watson

Darauf schaltet sich Ex-Diplomat Frisch ein und schlägt sich auf die Seite von Binder-Keller. Er sei sehr froh, dass der Bundesrat rasch und bestimmt mit Sanktionen gegen Russland reagiert habe. «Wir hätten die Glaubwürdigkeit verloren. Putin ist es sowieso Wurst, wer mit ihm verhandelt. Er spricht mit jenen Parteien, die ihm gerade etwas bringen.»

Er habe gehört, dass Alt-Bundesrat Christoph Blocher eine Volksinitiative zum Thema Neutralität und Sanktionen plane, schüttelt Brotz die nächste SVP-Provokation aus dem Ärmel. Doch da wird es selbst Rapper Stress zu viel. «Der ist pensioniert. Der hat nichts anderes mehr zu tun», fällt er Brotz ins Wort.

Video: watson

Gegen den Schluss äussert ein weiterer Studiogast Kritik an der Sendung. Guido Fluri, Unternehmer und Millionär, liess diese Woche 140 vulnerable Menschen aus der Ukraine per Flugzeug in die Schweiz bringen. «Diese ganze Diskussion war mir etwas zu wenig humanitär. Das Wichtigste ist doch, dass wir Verantwortung übernehmen und den Menschen helfen.»

Neben Fluri, steht Rentner Paul Lauber. Auch er wurde in die Sendung geladen. Und er ist es, der anspricht, was sonst unausgesprochen geblieben wäre: «Die Solidarität aktuell ist riesig. Das ist auch gut so. Aber wir müssen dafür sorgen, dass diese Willkommenskultur nachhaltig ist. Dass sie nach einem Monat nicht einfach zerplatzt. Dass wir den Menschen, die hier Schutz suchen, eine Struktur geben können. Das ist eine grosse Aufgabe für Bund und Kantone.»

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78 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Linus Luchs
12.03.2022 06:05registriert Juli 2014
Es ging der SVP noch nie um den Frieden, es ging der SVP noch nie um die Menschen, es geht der SVP immer nur um Besitzstandswahrung, um Privilegien, um das ungehinderte Geschäft.
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Togakure
12.03.2022 03:18registriert Mai 2016
Zitat Gregor Rutz: "Im Zweiten Weltkrieg hat die Schweiz besonders etwas gelernt: Wenn sich zwei Grossmächte auf den Deckel geben, müssen wir uns raushalten."

Diese Aussage ist in beiden Teilen im Allgemeinen diskussionswürdig und anzuzweifeln, im Besonderen aber vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs: Es 'geben sich dort nicht zwei Großmächte auf den Deckel', vielmehr überzieht EINE Großmacht eine numerisch und militärtechnologisch unterlegene 'Macht' mit Krieg. Und ja, ich schätze Rußland trotz aller Berichte über den desolaten Zustand der russischen Truppen noch immer als Großmacht ein.
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Töfflifahrer
12.03.2022 06:49registriert August 2015
Herr Rutz, es geben sich hier nicht 2 Grossmächte auf den Deckel. Eine Grossmacht führt einen Angriffskrieg gegen ein souveränes Land, das demokratisch ist und das sich ein Wahnsinniger wieder einverleiben will.
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